Serie Denkmale in Erfurt III
Denkmale in Erfurt III
Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (veröffentl. 2011/12)
Erfurter Denkmale
Erfurt besitzt eine vielgestaltige Denkmallandschaft. Vom Standbild à la Luther über diverse Denkmalbrunnen bis hin zum wuchtigen Bismarckturm reicht das Spektrum. Hinzu kommen moderne Installationen wie das Deserteurs-Denkmal sowie viele kleinere Büsten, Schrifttafeln und Gedenksteine.
Denkmale würdigen aber nicht nur historische Personen und Ereignisse. Sie spiegeln auch Selbstverständnis und Kunstgeschmack ihrer Entstehungszeit. Der spätere Umgang mit ihnen verweist auf politische Wandlungsprozesse.
Oft entzündeten sich um sie heftige Kontroversen, wie zuletzt um die Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof. Unsere Denkmale sind damit Zeugen der Geschichte und Gegenwart. Sie zum sprechen zu bringen, hat sich die TA-Serie zum Ziel gesetzt.
Sinnlose Opfer
DENKMALE IN ERFURT (21): Noch unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Erfurt kamen rund 50 deutsche Soldaten bei Kämpfen und einer Erschießung in Gispersleben zu Tode.
Der Zweite Weltkrieg forderte als größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte je nach Schätzung zwischen 50 und 70 Millionen Opfer. Spielte sich das Geschehen aus Sicht der Erfurter nach Kriegsbeginn im September 1939 zunächst weit weg in Europa und Übersee ab, sollte doch in Form der gefallenen Soldaten rasch der blutige Ernst auch an der Gera deutlich werden. Mit den 1944 schlagartig hereinbrechenden Luftangriffen hatte der Krieg endgültig die Stadt erfasst. Rund 1600 Erfurter verloren durch Bombenabwürfe und Kampfhandlungen ihr Leben, 23.000 waren obdachlos. Die ca. 1100 t Bombenlast aus britischen und amerikanischen Flugzeugen hatten zudem enorme Zerstörungen im Stadtbild angerichtet. Wichtige Kulturdenkmale, wie große Teile des Augustinerklosters, das Collegium maius der Alten Universität oder die Barfüßerkirche lagen in Schutt und Asche.
Der April 1945 brachte schließlich das Ende mit Schrecken. Die von Westen vorrückenden US-Truppen unter General Patton hatten das zum festungsartigen „Ortsstütztpunkt“ erklärte Erfurt zunächst umgangen und weitgehend eingeschlossen. Am 11. und 12. April kam es zu opferreichen Gefechten, da sich Kampfkommandant Oberst Otto Merkel entsprechend einem Führerbefehl weigerte, zu kapitulieren. Dass in jenen letzten Kriegstagen in Erfurt nicht noch größerer Schaden angerichtet wurde, lag nur an den schwachen Verteidigungskräften von Wehrmacht und Volkssturm, die die US-Truppen vor keine größeren Probleme stellten. Dennoch mussten noch einmal dutzende Menschen ihr Leben für die völlig aussichtslose Verteidigung der Stadt lassen. Erhebliche Zerstörungen, darunter das Büromaschinenwerk im Brühl und die Gebäude am heutigen Angereck, kamen hinzu.
Helmut Wolf hat 2005 in seinem Buch „Erfurt im Luftkrieg“ in der Schriftenreihe des Geschichtsvereins das Kriegsende mit großer Quellenkenntnis und dank eigener Erlebnisse beschrieben. Er weist dort auch auf die tragischen Vorkommnisse in Gispersleben unmittelbar vor Ende der Kampfhandlungen hin. Hieran erinnert im 2009 neugestalteten Kiliani-Park nunmehr eine Gedenktafel. Sie liegt über einem Soldatengrab mit Angehörigen der Wehrmacht, des Volkssturms und der Waffen-SS, die am 11. April 1945 im Ortsbereich gefallen bzw. von US-Truppen nach ihrer Gefangennahme erschossen worden sind. „Die näheren Umstände dieses Massakers lassen sich aufgrund der spärlichen Dokumentenlage heute nicht mehr ermitteln“, so Wolf. Die Gedenktafel ehrt so schlicht die Toten, die wie viele andere als sinnlose Opfer eines längst verlorenen Krieges starben.
Vater des modernen Erfurt
DENKMALE IN ERFURT (22): In Richard Breslaus Amtszeit als Oberbürgermeister begann Erfurts Weg zur modernen Industriegroßstadt. Daran erinnert das Denkmal in der Löberstraße.
Nach der Reichseinigung 1871 entwickelte sich Erfurt innerhalb weniger Jahrzehnte von einer beengten Festungsstadt mit 44.000 Einwohnern zu einer Industriemetropole, die bereits 1906 die 100.000-Einwohner-Marke überschritt. Die Stadt breitete sich in alle Richtungen aus, die Wirtschaft boomte, die Infrastruktur wurde mit Wasserleitung, Elektrizität, Straßenbahn, Krankenhaus u.v.a. grundlegend modernisiert. Eine der wegweisenden Maßnahmen war das Doppelprojekt von Flutgraben und Ringstraße, dem heutigen Juri-Gagarin-Ring. In einer solchen Zeit brauchte es einen erfahrenen und zupackenden Oberbürgermeister, den Erfurt mit Richard Breslau (1835-1897) auch besaß. Er gilt bis heute mit Blick auf seine Amtszeit von 1871 bis 1889 zu Recht als „Vater des modernen Erfurt“.
Dessen waren sich auch schon die Zeitgenossen bewusst. Im Auftrag des Erfurter Magistrats gestaltete Bildhauer Carl Melville eine der repräsentativsten Denkmalanlagen der Stadt. Sie wurde am 19. Oktober 1912 in der damaligen Bismarckstraße (Löberwallstraße) enthüllt. Das Denkmal verkörpert die großen Verdienste des Kommunalpolitikers. So hatte Melville mit zwei lebensgroßen Flachrelieffiguren Handel und Verkehr sowie Industrie und Bauwesen personifiziert. Das waren jene Bereiche, die Breslau besonders gefördert hatte. Mit dem Wasserbecken bezog sich der Künstler auf die 1876 eröffnete Zentralwasserleitung und beginnende Kanalisation. Der Denkmalstandort erinnerte an Breslaus entscheidende Mitwirkung am Flutgrabenprojekt. Die Umfunktionierung des alten Festungsgrabens zum Hochwasser regulierenden Umflutgraben, die Ringstraße und die Begrünung der ehemaligen Wälle gehören zu den wichtigsten Städtebauprojekten der neueren Stadtgeschichte. Auf Erfurts Bedeutung als moderne Blumenstadt verwies der Bildhauer durch Attribute wie Putten, Sähtuch und Blumen.
Die Erinnerung an Breslau verblasste jedoch in der DDR-Zeit. 1967 reduzierte man die monumentale Anlage sogar auf ein Fragment. Man trennte die Stelen vom Wasserbecken und versetzte sie 200 Meter entfernt an die Uferböschung. Der „bürgerliche“ Kommunalpolitiker war gewissermaßen aus dem Blickfeld gerückt. Während nach 1989 viele vernachlässigte Denkmale rasch Spender fanden, blieb das abseits stehende Breslau-Monument lange Zeit unbeachtet. Die Erfurter Denkmalbehörde machte in dieser Situation ihrem Namen alle Ehre. Auf ihre Initiative und mit Unterstützung des Geschichtsvereins konnte die rekonstruierte Anlage, wenn auch ohne Brunnen, 2007 wieder an die Löberstraße zurück versetzt werden.
Der Buchenwaldblick
DENKMALE IN ERFURT (23): Auf einer ehemaligen Batterie der Festung Cyriaksburg findet sich ein etwas verstecktes Mahnmal mit Blick zur Gedenkstätte Buchenwald.
Die Zitadelle Cyriaksburg geht in die Zeit der zunehmenden Bedrohung Erfurts durch den Mainzer Erzbischof und die sächsischen Kurfürsten in den 1480er Jahren zurück. Im 19. Jahrhundert bauten die Preußen die strategisch wichtige Festung oberhalb der Stadt noch einmal aus. Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 kam sie schließlich in zivile Hände. Damit begann der weitere Ausbau des Geländes zu einer beliebten Parkanlage, die 1961 in der Internationalen Gartenbauausstellung iga auf ging. An die einstige militärische Verwendung erinnert auch noch im heutigen egapark die Cyriaksburg, in der das Deutsche Gartenbaumuseum untergebracht ist.
Auf die ehemaligen Festungswerke rund um die Kernfestung macht etwa das Restaurant „Caponniere“ aufmerksam. Nicht weit von hier befand sich eine Terrassenbatterie mit Geschützen, mit denen das Geratal und der Steiger beschossen werden konnten. Nach der Aufgabe solcher Außenanlagen der Zitadelle lag die Umwidmung des kriegerischen Ortes zum Aussichtspunkt nahe. Zunächst bezeichnete man ihn wohl auch mit Blick auf seine Geschichte als Grolmannshöhe. General Wilhelm von Grolman war von 1882 bis 1888 Kommandeur der 8. Division in Erfurt. Er hatte maßgeblichen Anteil an der Teilfreigabe des Geländes nach der Entfestigung Erfurts 1873, so dass in den 1880er Jahren erste Grünanlagen angelegt werden konnten.
In Vorbereitung der „iga ´61“ wurde auch dieser Bereich umgestaltet. Seitdem steht hier als Mahnmal der „Rufer“ von Fritz Cremer. Es handelt sich dabei um die verkleinerte Replik einer Plastik, die der renommierte Bildhauer ursprünglich für die Figurengruppe des Buchenwald-Denkmals auf dem Ettersberg geschaffen hatte. Im Führer für die iga von 1961 wird der etwas abseits der Besucherströme liegende Aussichtspunkt jetzt als Buchenwaldblick bezeichnet, lässt sich doch östlich in der Ferne der Gedenkstätten-Glockenturm auf dem Ettersberg erkennen. Dieser Bezug spiegelt die große Bedeutung der wenige Jahre zuvor eröffneten KZ-Gedenkstätte für den antifaschistischen Gründungsmythos der DDR. Er ist aber bis heute auch eine Verneigung vor den 56.000 Opfern des NS-Terrorortes. Dies gilt umso mehr, als das Wissen um die Verstrickung des Erfurter Unternehmens „Topf & Söhne“ in den Holocaust in den letzten Jahren gewachsen ist. Auch im Krematorium des KZ Buchenwald findet sich auf den Leichen-Verbrennungsöfen das Logo jener Erfurter Firma, die als „Ofenbauer von Auschwitz“ traurige Bekanntheit erlangt hat.
An historischem Ort
DENKMALE IN ERFURT (24): Das Denkmal für Ernst Benary fand gut hundert Jahre nach der Stiftung der Grünanlage am Benaryplatz einen würdigen Rahmen.
Erfurt hat seine erfolgversprechende Bewerbung um die Bundesgartenschau 2021 nicht zuletzt dem Ruf als bedeutende Blumenstadt zu verdanken. Dessen Wurzeln liegen im 18. Jahrhundert und sind besonders mit dem Namen Christian Reichart verbunden. Den Höhepunkt als weltweites Zentrum des Gartenbaus erlangte die Stadt um 1900. Hierfür zeichneten die großen Unternehmen wie Haage, Schmidt, Chrestensen und Heinemann verantwortlich. Die Nummer 1 der Erfurter Gartenbauunternehmer in dieser Zeit aber war Ernst Benary.
Der am 10. November 1819 geborene Benary war Spross einer jüdischen Bankiersfamilie aus Kassel. Sein Vater Salomon hatte sich in Erfurt niedergelassen und 1824 trotz antisemitischer Vorbehalte das Bürgerrecht erkämpft. 1843 begründete Sohn Ernst Benary in Erfurt seine erste Kunst- und Handelsgärtnerei. 1847 ebenfalls mit dem Bürgerrecht versehen, spezialisierte er sich auf Anzucht und Verkauf von Blumen- sowie Gemüsesamen und entwickelte internationale Kontakte. Weltweit konnte die von ihm fast 50 Jahre geführte Firma den eigenen guten Ruf, aber auch Erfurts Anerkennung als maßgebende Lieferantin von Garten-Saatgut verbreiten. Ernst Benarys Söhne Friedrich und John sowie die Enkel vermochten das Unternehmen bis zur Enteignung 1952 erfolgreich fortzuführen. Jüngst hat Eberhard Czekalla die Firmengeschichte der Benarys im Buch „Blumenstadt Erfurt“ des Geschichtsvereins nachgezeichnet.
Ernst Benary hat selbst dazu beigetragen, dass sein Name bis heute im Stadtbild präsent ist. 1888 hatte der Firmengründer mehrere zwischen Bonifacius- und Friedensstraße liegende städtische Grundstücke gekauft. Die 5.700 m2 großen Flächen, eigentlich als lukratives Bauland vorgesehen, stiftete Benary testamentarisch der Stadt unter der Bedingung, sie für immer als öffentliche Erholungsstätte zu nutzen. Nach seinem Tode 1893 ließ die Stadt einen kleinen Gedenkstein errichten und den Platz 1896 nach Benary benennen. Nach mehreren Wechseln, 1936: Herbert Norkus, 1945: wieder Benary und 1953: Philipp Müller, sorgte die Stadtverwaltung 1991 dafür, den ursprünglichen Namen erneut einzusetzen. Das Garten- und Friedhofsamt ergänzte den um 1895 angelegten Bestand an Bäumen, Sträuchern und Stauden durch neue Kulturen. Am 26. Juni 2000 kam es schließlich zur feierlichen Einweihung eines Denkmals für den Kunstgärtner Ernst Benary. Rudolf Benary, der Urenkel des Geehrten, hielt die Einweihungsrede. Die beiden Steinstelen, gestaltet von dem Erfurter Bildhauer Lutz Hellmuth, symbolisieren den Gartenbau und würdigen den großen Unternehmer und gemeinnützigen Bürger Ernst Benary.
Reichsgründer zu Pferde
DENKMALE IN ERFURT (25): In August 1900 wurde in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am heutigen Karl-Marx-Platz enthüllt.
Er wollte Deutschland „herrlichen Zeiten“ entgegenführen und sah dessen Zukunft „auf dem Wasser“. Einer seiner Kanzler verlangte für das Reich einen „Platz an der Sonne“. Viele Zeitgenossen teilten diese nationale Hochstimmung mit Flottenbau und Kolonien. Dennoch gibt es kaum ein Denkmal für Kaiser Wilhelm II. (1888-1918), da seine Abdankung 1918 zugleich das Ende der Monarchie brachte. Seinem Großvater Wilhelm I. (1871-1888) verhalf er allerdings zuvor zu zahlreichen Monumenten. Im „Wilhelminischen Zeitalter“ gehörte es zum guten Ton, dass eine Stadt neben Kriegerdenkmalen und Bismarckturm auch dem zweiten „Reichsgründer“ neben dessen „Eisernen Kanzler“ huldigte.
Die Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals am 25. August 1900 gehört denn so auch in Erfurt zu den Höhepunkten nationaler Festkultur. Bei prächtigem „Kaiserwetter“ konnte „die neue Zierde der Stadt“, so Oberbürgermeister Hermann Schmidt, in Anwesenheit Wilhelms II. mit viel Pomp übergeben werden. Das Denkmal von Prof. L. Brunow zeigte Wilhelm I. hoch zu Pferde. Kunsthistoriker wie Prof. Ruth Menzel schätzen den künstlerischen Wert des Reiterstandbildes nicht sehr hoch ein. Die Zeitgenossen aber scheinen überwiegend begeistert gewesen zu sein. Zumal das Bürgertum der Stadt sah sich als treuen Untertan der Hohenzollern. Seit 1802 hatte man einen preußischen Patriotismus entwickelt. Nach der Reichsgründung 1871 verband er sich mit dem selbstbewussten Nationalismus des Kaiserreiches. Wilhelm I. spielte dabei als beliebter greiser Monarch eine zentrale Rolle. Zugleich verkörperte die Militärmonarchie ein Bollwerk gegen die Arbeiterbewegung, die in Form der „Umsturzpartei“ SPD gerade in Erfurt immer mehr Zulauf erhielt.
Die Initiative ging so wie bei den meisten der einst ca. 300 Kaiserdenkmale auf ein von städtischen und staatlichen Behörden unterstütztes Bürgerkomitee zurück. Ein von der Stadt 1888 bewilligter Fond von 20.000 Mark wurde durch Spenden aufgestockt. Dennoch sollte es über zwölf Jahre dauern, ehe das Denkmal nach schwieriger Standortwahl auf dem neuen Kaiserplatz zum Stehen kam. Zuvor hatte das Denkmal für Christian Reichart weichen müssen, auf den der Platz erst 1867 umgetauft worden war. Der Bürger und Begründer des modernen Gartenbaus musste dem Kaiser Platz machen. Das bronzene Reiterstandbild wurde 1944 für Kriegszwecke eingeschmolzen. Seit 1945 ist der einst dem Hohenzollern-Fürsten gewidmete Platz nach dem Begründer des Marxismus benannt. An der Stelle des Denkmals findet sich heute auf dem Karl-Marx-Platz eine kleine Grünanlage.