Engelsburg Erfurt

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Die Engelsburg

Siehe auch die Artikelserie von Dr. Steffen Raßloff in der Thüringer Allgemeine

Humanisten- und Lutherstätte, Sitz des Humanistenkreises um Helios Eobanus Hessus


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Die Engelsburg hat sich als Sitz des Humanistenkreises um Eobanus Hessus und im Entstehungsprozess der "Dunkelmännerbriefe Geschichte geschrieben. Bauuntersuchungen haben ergeben, dass die Gebäude des heute unter dem Namen Engelsburg bekannten Komplexes zu den ältesten in Erfurt gehören. Sie datieren zurück bis ins 12. Jahrhundert.

Nach diversen Nutzungen konnte 1968 der Studentenclubs Engelsburg eröffnet werden. Als studentisches Kultur-, Bildungs- und Servicezentrum ist die "Eburg" nach umfassender Sanierung 1997-2001 mit Veranstaltungskeller, Café „DuckDich“, Gaststätte „Steinhaus“ und malerischem Biergarten eine der beliebtesten Adressen in der Altstadt.


Der Erfurter Humanistenkreis und die „Dunkelmännerbriefe“

Der Humanismus steht als große geistige Erneuerungsbewegung an der Schwelle zur Neuzeit. In Erfurt, Sitz der ältesten Universität im heutigen Deutschland (1379), fasste der Humanismus seit dem späten 15. Jahrhundert Fuß. Von 1514 bis 1526 versammelte sich in der „Engelsburg“ der bedeutende Erfurter Humanistenkreis um „Poetenkönig“ Helius Eobanus Hessus. Förderer des Kreises und seit 1515 Besitzer der „Engelsburg“ war der wohlhabende Arzt und Universitäts-Rektor Georg Sturtz. Hier gingen trinkfeste Geselligkeit und humanistische Bildung mit ihrem Rückbezug auf die griechisch-römische Antike eine charakteristische Bindung ein. Der Hessus-Kreis begrüßte auch enthusiastisch die Reformation Martin Luthers, der als Freund von Sturtz und Hessus mehrfach in der Engelsburg zu Gast war.

Dauerhafte Bekanntheit hat der Erfurter Humanistenkreis durch die „Dunkelmännerbriefe“ erlangt, in denen die Kontroverse zwischen Humanisten und konservativen Gelehrten- und Kirchenkreisen kulminierte. Die „Epistolae obscurorum virorum“ (1515/17) stellen eine der treffendsten Satiren gegen die verknöcherte Scholastik und den lasterhaften Klerus des ausgehenden Mittelalters dar. Sie sind während des Streits um den bekannten Humanisten Johannes Reuchlin als fingierte Briefe an dessen Kölner Kontrahenten, den Theologen Ortwin Gratius entstanden. Zwar lassen sich die anonymen Verfasser nicht sicher belegen, doch gelten Crotus Rubeanus aus dem Hessus-Kreis und Ulrich von Hutten als Hauptautoren. Eines der wichtigsten Werke des Humanismus, dessen Titel bis heute für bissig-niveauvolle Satire steht, verbindet sich so mit der Engelsburg, einem Zentrum akademischer Geselligkeit.


Die Bohlenstube im Haus „Zum schwarzen Ross“

Bohlen- oder Holzstuben waren die beheizbaren Aufenthaltsräume der Wohngebäude, aus denen sich die „gute Stube“ entwickelte. Sie galten zugleich als Zeichen von Wohlstand, waren doch die mobilen Holzeinbauten recht teuer. Die Bohlenstube des „Schwarzen Rosses“ entstand um 1462. Mit der baulichen Veränderung des Gebäudes 1592 wurden u.a. Vorhangmalereien an den Wänden und die bemalte Kassettendecke eingefügt. 1953 erfolgte eine frei interpretierende Restaurierung der Deckenmalereien. Zugleich wurde die früher abgebrochene Ostwand neu errichtet und eine Renaissancetür eingebaut. Dank der von der Universitätsgesellschaft Erfurt initiierten Restaurierung im Jahre 2011 ist die Bohlenstube wieder der Öffentlichkeit zugänglich und kann als Beratungsraum genutzt werden. Die Bohlenstube mit ihrem Erker zur Kirchhofsgasse galt aufgrund einer Verwechslung lange Zeit als der Treffpunkt des Erfurter Humanistenkreises. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, dass die Treffen wahrscheinlich in dem 1952 abgerissenen Haus in der Allerheiligenstraße stattfanden, auf dessen Grundmauern heute der moderne Eingangsbereich steht. Dieses Gebäude trug ursprünglich den Namen „Zur Engelsburg“, der im 20. Jahrhundert auf den gesamten Komplex überging. Auch wenn also die Legende vom „Humanistenerker“ widerlegt ist, zählen die Gebäude der heutigen „Engelsburg“ weiterhin „zu den historisch bedeutendsten Profanbauten Erfurts“ (Christian Misch). Das Anwesen behält seine Aura als Humanistenstätte mit enger Bindung an die älteste Universität Deutschlands. Die Bohlenstube vermittelt einen Eindruck, wie der lebensfrohe Kreis um Helius Eobanus Hessus in unmittelbarer Nachbarschaft tafelte.