Kreisreform Thüringen Geschichte
Geplante Kreisreform in Thüringen 2018
Überformtes „Land der Residenzen“
Die geplante Kreisreform in Thüringen geht über alle bisherigen Strukturveränderungen weit hinaus
Das Projekt einer Kreisreform in Thüringen tritt in die heiße Phase. Hierbei sollen Strukturen geschaffen werden, wie es sie in dieser ausgreifenden Form noch nie gegeben hat. Das sorgt für heftige Diskussionen. Auch die Kreisreform von 1994 hatte schon für Wirbel gesorgt. Sie wurde aber am Ende weithin akzeptiert, weil es sich um eine Korrektur der Gebietsreform von 1952 handelte. Damals hatte man im Sinne des „demokratischen Zentralismus“ die fünf Länder in der DDR zerschlagen. Thüringen wurde nicht nur in die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl aufgeteilt, sondern auch die Kreise deutlich verkleinert.
So teilte man zum Beispiel das erst 1945 als Landkreis vereinte Eichsfeld schon 1952 wieder in die Kreise Heiligenstadt und Worbis. 1994 wurde dies zur großen Freude der Eichsfelder rückgängig gemacht. Die aktuellen Pläne gehen nun weit darüber hinaus und sollen zu einer Fusion des Landkreises Eichsfeld mit dem Unstrut-Hainich-Kreis führen. Damit würden Gebiete sehr unterschiedlicher Struktur und Geschichte zusammengelegt, was für viele der geplanten acht Großkreise gilt. (Abb. 1: vom Innenministerium geplante Kreisstruktur ab 2018, Autor: Michael Sander)
Den Initiatoren der Reform geht es erklärtermaßen um eine effizientere Verwaltung. Landesgeschichte und regionale Befindlichkeiten sind dagegen kein Schwerpunkt. Schon viele jetzige Landkreise verbinden verschiedene Territorien der einstigen Kleinstaatenwelt, die Thüringen nachhaltig geprägt hat. (Abb. 2: Gebietsstruktur vor 1918/20, Autor: Störfix) Die geplanten Strukturen würden das „Land der Residenzen“ mit seiner einmalig dichten Kulturlandschaft nunmehr völlig überformen.
Am ehesten erinnert noch der vergrößerte Kreis Gotha an das Herzogtum Sachsen-Gotha. Viele andere Kreise gerieten zu Sammelbecken eines halben Dutzend einstiger Herrschaften. Historisch-kulturelle Identifikationsangebote könnten solche Verwaltungsgebilde kaum noch bieten. Am radikalsten sind die Pläne in Südthüringen, wo gewissermaßen der Bezirk Suhl südlich des Rennsteigs als Kreis wieder zusammengefasst werden soll.
In Nordthüringen scheinen regionale Aspekte stärker eingeflossen zu sein. Die bis 1945 preußischen Kreise Eichsfeld und Unstrut-Hainich besitzen bei allen Unterschieden doch auch historische und aktuelle Gemeinsamkeiten, wie den Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal. Ähnlich ist es bei den Kreisen Nordhausen und Kyffhäuser, die mit Sömmerda fusionieren sollen. In Ostthüringen sieht es anders aus. Es würde zum Beispiel bei der Teilung der Saaletalsperren bleiben, die als „Thüringer Meer“ weiterentwickelt werden sollen. Nicht nur deshalb wäre eine Fusion von Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla-Kreis sinnvoller. Nördlich hiervon verbindet sehr viel mehr das Weimarer Land mit dem Saale-Holzland-Kreis. Dort entstünde eine reizvolle Kulturregion, die in weiten Teilen auf das Herzogtum Sachsen-Weimar zurückgeht.
Es gibt also durchaus sinnvolle Perspektiven für einige der neuen Kreise. Aber die historisch gewachsene Kleinteiligkeit Thüringens, fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert, wird auf der Strecke bleiben. Und die Reform wird klare Verlierer hervorbringen. Altenburg, Greiz, Meiningen und Sondershausen etwa waren über Jahrhunderte Residenzstädte der Wettiner, Schwarzburger und Reußen. Sie drohen in den neuen Großkreisen nun sogar ihren Status als Kreisstadt zu verlieren.
(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 22.10.2016)
Siehe auch: Geschichte Thüringens