Erinnerungskultur und Zukunft Petersberg
Erinnerungskultur und Zukunft Petersberg
Beitrag der TA-Serie 350 Jahre Zitadelle Petersberg von Dr. Steffen Raßloff (23.05.2015)
Historischer Ort mit Zukunft
350 Jahre Zitadelle Petersberg (4) Die imposante Zitadelle bietet Raum für Erinnerung und kulturell-touristische Entwicklung
Zur Geschichte der Zitadelle Petersberg, heute eine der Attraktionen unserer Stadt, gehören auch dunkle Kapitel. Das meint nicht nur Zeiten militärischen Drills und opferreicher Belagerungen wie 1813/14. Im Dritten Reich hatte die braune Terrorherrschaft hier einen ihrer Schauplätze. Zwei authentische Orte erinnern auf dem Petersberg an deren Opfer: die ehemalige Haftanstalt nahe dem Aufgang durch das Kommandantenhaus und das Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur (Abb. 2). In dem früheren Militär- und Polizeigefängnis wurden hunderte Regimegegner in „Schutzhaft“ genommen und misshandelt, woran eine Gedenktafel aus der DDR-Zeit erinnert. Gleichzeitig befanden sich seit 1935 im Kommandantenhaus (Abb. 1) das Erfurter Kriegsgericht und dazugehörige Arrestzellen im Keller der Defensionskaserne. Im Festungsbereich kam es bei Kriegsende zur Erschießung von einigen der „Fahnenflüchtigen“, die auf dem Petersberg verurteilt worden waren. Ihnen ist das 1995 im Festungsgraben errichtete Deserteurdenkmal von Thomas Nicolai gewidmet.
In der DDR-Zeit endete 1963 die militärische Nutzung des Petersberges. Auf der Bastion Leonhardt am Domplatz wurde eine Grünanlage mit Aussichtspunkt angelegt. Auch einige der Bauten dienten jetzt Kultur und Sport. Ein Großteil des Geländes blieb aber gewerblicher Nutzung vorbehalten. Zudem nutzte die Staatssicherheit in der Andreasstraße Teile des Petersberges. Erst nach 1989 setzte eine umfassende Sanierung und Erschließung ein. Hierfür hat die Stadt 1990 die Bauhütte Petersberg gegründet. Ihr ist gemeinsam mit engagierten Denkmalpflegern und Historikern auch die Erlebbarkeit der einstigen Zitadelle durch viele bauliche Details, Informationstafeln und Modelle zu danken. Nutzer der Gebäude wurden Museen, Vereine, das Landesdenkmalamt, die Stasi-Unterlagenbehörde, aber auch neue Anwohner. Besonders für die Defensionskaserne und die Peterskirche erhoffen sich dabei viele Erfurter noch eine ambitioniertere Entwicklung. Dank großzügiger Grünanlagen und Spielplätze ist der Petersberg auch ein beliebter Freizeittreff geworden.
Im Kulturleben der Stadt spielt die sanierte Zitadelle ebenfalls wieder eine Rolle. Sie ist zum Gegenstand sowohl von wissenschaftlichen Tagungen, als auch von spektakulären Massenveranstaltungen geworden. 2008 etwa gehörte der authentische Ort zu den wichtigsten Anziehungspunkten für das kulturelle Jahresthema „200 Jahre Erfurter Fürstenkongress Napoleons 1808“, das Tausende Menschen auf den Berg lockte. Mit der Entscheidung für die Bundesgartenschau in Erfurt 2021 rückte die Festung zu einem der drei Kernbereiche auf, der weiter kulturell-touristisch profiliert werden soll. Lange galt das 350. Jubiläum der Zitadelle, deren Grundstein am 1. Juni 1665 gelegt worden war, daher als aussichtsreiches Thema für das Kulturjahr 2015. Allerdings hat sich die Kulturverwaltung anders entschieden und misst dem Jubiläum keine nachhaltige Bedeutung mehr zu. Umso wichtiger ist das Engagement der ehrenamtlichen „Freunde der Citadelle Petersberg“, die ein Festwochenende samt Kolloquium vom 29. bis 31. Mai ausrichten werden. (Fotos: TomKidd, Steffen Raßloff)
Siehe auch: Petersberg, Polizeigefängnis, Deserteurdenkmal, Militär in Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt