Dunkelmännerbriefe Erfurter Humanistenkreis
Dunkelmännerbriefe und Erfurter Humanistenkreis
Ein Stück Weltliteratur
1515/17 verfassten Erfurter Humanisten eine Satire gegen Scholastik und Klerus, die durchschlagenden Erfolg hatte.
Die Universität Erfurt galt einst als eine der angesehensten Bildungsstätten Mitteleuropas. Sie ist auch eng mit einer der großen geistigen Erneuerungen an der Schwelle zur Neuzeit verbunden – dem Humanismus. Dieser wurzelt in der Renaissance, die sich die „Wiedergeburt“ der griechisch-römischen Antike zu Ziel gesetzt hatte und das Bild vom Menschen grundlegend veränderte. Erfurt erlebte seinen Höhepunkt als Humanisten-Hochburg mit dem Kreis um Helius Eobanus Hessus im heutigen Studentenzentrum „Engelsburg“ von 1514 bis 1526. Der „König der Poeten“ scharte dort Gleichgesinnte um sich, man zechte, las sich seine lateinischen Dichtungen vor, pflegte eine mal mehr, mal weniger tiefsinnige Geselligkeit.
Weltweite Bekanntheit hat der Erfurter Humanistenkreis mit den „Dunkelmännerbriefen“ erlangt. Die „Epistolae obscurorum virorum“, erschienen in zwei Teilen 1515 und 1517, sind eine der treffendsten Satiren gegen die verknöcherte Philosophie und den lasterhaften Klerus jener Zeit. Sie entstanden während eines Streits des Humanisten Johannes Reuchlin mit der Universität Köln. Reuchlin hatte als Kenner der hebräischen Sprache die vom konvertierten Kölner Juden Johannes Pfefferkorn geforderte Verbrennung aller jüdischen Schriften abgelehnt. Hieraus versuchte man ihm einen Strick zu drehen. Nachdem ihm sogar ein Ketzerprozess drohte, veröffentlichte Reuchlin 1514 „Briefe berühmter Männer“ an seine Person, die ihn entlasten sollten.
Die „Dunkelmännerbriefe“ ("Epistolae obscurorum virorum") schienen nun das Gegenstück seines Kontrahenten Ortwin Gratius zu sein, Magister der Theologie zu Köln. Freilich handelt es sich um fingierte Briefe, die Unbildung und lose Moral der Humanisten-Gegner ironisch anprangern. Diese haben sprechende Namen wie Dollenkopf, Fotzenhut, Gänseprediger und schreiben ein fürchterliches Küchenlatein. Gespickt ist der Text mit Anspielungen auf die Reuchlin-Kontroverse, auf die nationalen Interessen Deutschlands gegenüber dem Papst, aber nicht zuletzt mit derben Schilderungen aus dem Bereich des Geschlechtlichen.
Viele Dunkelmänner tun sich mit Beziehungen zu Mägden, Köchinnen, Ehefrauen und Nonnen hervor. Ein Kölner Magister schreibt über seinen Begleiter auf dem Weg nach Rom: „Auch müsst Ihr wissen, Magister Ortwin, dass ich in meinem Leben noch keinen so wollüstigen Menschen gesehen habe: jedes Mal wenn wir eine Herberge betraten, war sein erstes Wort an den Diener des Wirtes: ´Mein lieber Diener, gibt es nichts zwischen die Kniee? Mein Zipfel steht mir so hart, dass ich ganz gewiss Nüsse damit aufklopfen könnte.´“
Die „Dunkelmännerbriefe“ hatten durchschlagenden Erfolg und wurden als Sieg der Humanisten gefeiert. Ihre Widersacher waren dem Gelächter ausgeliefert, alle Versuche, mit gleicher Münze zurück zu zahlen, scheiterten kläglich. Es wird sich allerdings wegen der strikten Anonymität die Frage nach den Autoren der „Dunkelmännerbriefe“ wohl nie endgültig klären lassen. Bezüge zum Erfurter Humanistenkreis sind aber gleichwohl deutlich zu erkennen. Die Autorenschaft des Universitätsrektors und Hessus-Freundes Crotus Rubeanus für den vor 500 Jahren erschienenen ersten Teil steht weitgehend außer Frage. Manche Autoren schreiben das Stück Weltliteratur auch als kollektive Leistung dem Hessus-Kreis zu. (Foto: originaler Druck einer Gesamtausgabe der Dunkelmännerbriefe von 1557 im Stadtmuseum Erfurt, Dirk Urban)
(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 14.02.2015)
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Engelsburg, Universität, Stadtmuseum