Radrennbahn Andreasried: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Radrennbahn.jpg| | [[Datei:Radrennbahn.jpg|440px|right]]Im Andreasried befindet sich eine der stimmungsvollsten Sportstätten Erfurts. Die meisten, die in der Radrennbahn an der Riethstraße schon einmal einen Wettkampf erlebt haben, kommen wieder. Insbesondere die Steherrennen, bei denen Radfahrer (Steher) im Windschatten eines Motorrades (Schrittmacher) miteinander konkurrieren, haben es den Erfurtern angetan. Aber nicht allen ist dabei bewusst, dass sie sich auf wahrhaft historischem Boden befinden. 1884 wurde hier die älteste heute noch in Betrieb befindliche Radrennbahn Deutschlands eröffnet. Dies geschah nur vier Jahre nach dem ersten derartigen Wettkampf überhaupt in München. Man hat in Erfurt also echte Pionierarbeit in Sachen Bahnradsport geleistet. Seither erlebte die Sportstätte zahlreiche Wandlungen. Wegweisend war dabei der Umbau zur modernen Betonpiste, die zu Pfingsten 1899 mit einem „Großen Radfahrerfest“ samt Militärkonzert eingeweiht wurde. Letzte große Maßnahme in der DDR-Zeit war der Umbau zur 333-Meter-Bahn 1975. | ||
In der „steinernen Suppenschüssel“ wurde immer wieder Spitzensport geboten. Dies geschah vor einem Publikum, von dem heute selbst der Erfurter Fußball nur träumen kann. Die großen Wettkämpfe, besonders die Rennen um das „Goldene Rad von Erfurt“, zogen bis zu 13.000 Zuschauer an. Für Stimmung sorgten neben Spitzenathleten aus aller Welt nicht zuletzt die Lokalmatadore. Ein erstes Glanzlicht setzte 1886 Gartenbauunternehmer Ferdinand Haage, der auf seinem Hochrad nicht bezwungen werden konnte. Steher Rudi Keil genoss Kultstatus, ebenso wie sein Weltmeister-Kollege Georg Stoltze. Keil gelangte 1951 sogar mit dem DEFA-Film „Sein größter Sieg“ auf die Leinwand. Später verehrten die Erfurter den Verfolger-König Detlev Macha mit seinen fünf Weltmeistertiteln. Zur Legende stiegen auch Schrittmacher wie Manfred Adelmeyer auf ihren knatternden Motorrädern auf. Zwischendurch nutzte man die Bahn besonders in früheren Jahren für teils skurrile Veranstaltungen, aber auch als Ausweichspielstätte des FC Rot-Weiß. | In der „steinernen Suppenschüssel“ wurde immer wieder Spitzensport geboten. Dies geschah vor einem Publikum, von dem heute selbst der Erfurter Fußball nur träumen kann. Die großen Wettkämpfe, besonders die Rennen um das „Goldene Rad von Erfurt“, zogen bis zu 13.000 Zuschauer an. Für Stimmung sorgten neben Spitzenathleten aus aller Welt nicht zuletzt die Lokalmatadore. Ein erstes Glanzlicht setzte 1886 Gartenbauunternehmer Ferdinand Haage, der auf seinem Hochrad nicht bezwungen werden konnte. Steher Rudi Keil genoss Kultstatus, ebenso wie sein Weltmeister-Kollege Georg Stoltze. Keil gelangte 1951 sogar mit dem DEFA-Film „Sein größter Sieg“ auf die Leinwand. Später verehrten die Erfurter den Verfolger-König Detlev Macha mit seinen fünf Weltmeistertiteln. Zur Legende stiegen auch Schrittmacher wie Manfred Adelmeyer auf ihren knatternden Motorrädern auf. Zwischendurch nutzte man die Bahn besonders in früheren Jahren für teils skurrile Veranstaltungen, aber auch als Ausweichspielstätte des FC Rot-Weiß. |
Version vom 15. Dezember 2019, 12:06 Uhr
Radrennbahn Andreasried
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (08.02.2014)
Deutschlands älteste Radrennbahn
DENKMALE IN ERFURT (136): Die moderne Sportstätte im Norden kann auf eine große Geschichte zurück blicken.
Im Andreasried befindet sich eine der stimmungsvollsten Sportstätten Erfurts. Die meisten, die in der Radrennbahn an der Riethstraße schon einmal einen Wettkampf erlebt haben, kommen wieder. Insbesondere die Steherrennen, bei denen Radfahrer (Steher) im Windschatten eines Motorrades (Schrittmacher) miteinander konkurrieren, haben es den Erfurtern angetan. Aber nicht allen ist dabei bewusst, dass sie sich auf wahrhaft historischem Boden befinden. 1884 wurde hier die älteste heute noch in Betrieb befindliche Radrennbahn Deutschlands eröffnet. Dies geschah nur vier Jahre nach dem ersten derartigen Wettkampf überhaupt in München. Man hat in Erfurt also echte Pionierarbeit in Sachen Bahnradsport geleistet. Seither erlebte die Sportstätte zahlreiche Wandlungen. Wegweisend war dabei der Umbau zur modernen Betonpiste, die zu Pfingsten 1899 mit einem „Großen Radfahrerfest“ samt Militärkonzert eingeweiht wurde. Letzte große Maßnahme in der DDR-Zeit war der Umbau zur 333-Meter-Bahn 1975.
In der „steinernen Suppenschüssel“ wurde immer wieder Spitzensport geboten. Dies geschah vor einem Publikum, von dem heute selbst der Erfurter Fußball nur träumen kann. Die großen Wettkämpfe, besonders die Rennen um das „Goldene Rad von Erfurt“, zogen bis zu 13.000 Zuschauer an. Für Stimmung sorgten neben Spitzenathleten aus aller Welt nicht zuletzt die Lokalmatadore. Ein erstes Glanzlicht setzte 1886 Gartenbauunternehmer Ferdinand Haage, der auf seinem Hochrad nicht bezwungen werden konnte. Steher Rudi Keil genoss Kultstatus, ebenso wie sein Weltmeister-Kollege Georg Stoltze. Keil gelangte 1951 sogar mit dem DEFA-Film „Sein größter Sieg“ auf die Leinwand. Später verehrten die Erfurter den Verfolger-König Detlev Macha mit seinen fünf Weltmeistertiteln. Zur Legende stiegen auch Schrittmacher wie Manfred Adelmeyer auf ihren knatternden Motorrädern auf. Zwischendurch nutzte man die Bahn besonders in früheren Jahren für teils skurrile Veranstaltungen, aber auch als Ausweichspielstätte des FC Rot-Weiß.
Nach 1990 sorgten Namen wie Rene Wolff, Daniel Becke, Rene Enders oder Kristina Vogel dafür, dass Erfurt auf der Radsport-Landkarte international präsent blieb. Dies war eine wichtige Voraussetzung für den letzten Umbau zur nun endlich überdachten 250-Meter-Hochgeschwindigkeitsbahn 2008. Anlässlich der Eröffnung gab Sportjournalist Helmut Wengel eine Broschüre zur Geschichte der Bahn heraus, die für jeden Radsportfreund Pflichtlektüre darstellen dürfte. So bleibt eigentlich nur noch ein Wunsch für die moderne Sportstätte, die heute 2500 Zuschauer fasst: Eine Gedenktafel könnte auf die große Geschichte der ältesten deutschen Radrennbahn und auf außergewöhnliche Sportler hinweisen, die dort ihre Spuren hinterlassen haben. (Foto: Alexander Raßloff)
Literaturtipp:
Steffen Raßloff: 100 Denkmale in Erfurt. Geschichte und Geschichten. Mit Fotografien von Sascha Fromm (Thüringen Bibliothek. Bd. 11). Essen 2013.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Steigerwaldstadion, Radrennbahn Andreasried