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Version vom 15. Oktober 2015, 09:23 Uhr
Alte Zahnklinik
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (21.09.2013)
Denkmal der Zahnheilkunde
DENKMALE IN ERFURT (116): In dem leerstehenden Hochhaus in der Nordhäuser Straße war einst Stomatologie auf höchstem Niveau zu Hause.
Ein elfgeschossiger Plattenbau in der Nordhäuser Straße 78, gegenüber dem neu geschaffenen Universitäts-Garten gelegen, entwickelt sich mehr und mehr zum weithin sichtbaren Schandfleck. Türen und Fenster im Erdgeschoss sind verrammelt, die Fassade bröckelt, vor dem Eingang erobert sich die Natur das Terrain zurück. Kaum vorstellbar, dass hier einst täglich hunderte Zahnmediziner und Patienten ein und aus gingen. Der Neubau aus dem Jahre 1975 war der Stolz der 1954 gegründeten Medizinischen Akademie Erfurt, die hier innovative Wege der Stomatologie ging. Auch das heute verwahrloste Umfeld bot einen anderen Anblick. So schmückte den Eingangsbereich seit 1979 die Plastikgruppe „Familie“ des renommierten Erfurter Künstlers Lutz Hellmuth.
Mit der friedlichen Revolution 1989 kam Bewegung in die Erfurter Hochschullandschaft. Während die seit 1987 von der heutigen Universitätsgesellschaft angestrebte Wiedergründung der Universität schon 1994 Realität wurde, geriet die Med. Ak., wie es bei den Erfurtern meist kurz hieß, ins Abseits. 1992 konnte Prof. Walter Künzel, Zahnmediziner und letzter Rektor der Hochschule, noch einen stolzen Rückblick auf die Entwicklung seines Faches werfen. In der Festschrift der Akademie zum 600. Universitäts-Jubiläum schildert er den Weg von einer Randdisziplin hin zur wissenschaftlich fundierten Hochschulausbildung und Patientenbetreuung. Die Übernahme des ursprünglich für ein Bezirkshygiene-Institut geplanten Neubaus 1975 stellt dabei einen Meilenstein dar, dem fast zeitgleich die Einrichtung der Grundstudienrichtung Stomatologie an die Seite trat. Nur zwei Jahre nach dem Jubiläum 1992 wurde die Medizinische Akademie trotz großer Proteste vom Freistaat Thüringen abgewickelt.
Mit der „Abfickelung“, wie man bitter mit Blick auf Kultusminister Ulrich Fickel sagte, im Jahre 1994 waren auch die Tage der Zahnmedizinerausbildung in der Nordhäuser Straße gezählt. Zunächst noch von der Universität Jena weiter betrieben, stand das Hochhaus bald leer. Seither hat es eine Reihe von Ideen für eine neue Nutzung gegeben, etwa die Bündelung verschiedener über die Stadt verstreuter städtischer Ämter. Leider ließen sich alle Projekte nicht umsetzen. Zuletzt blieb die Initiative für einen Umbau zum Studentenwohnheim auf der Strecke. Klar ist, dass mit jedem Jahr Leerstand die Kosten für eine Sanierung steigen und irgendwann nur noch der Abriss als Lösung bleibt. Damit würde auch das wichtigste Denkmal für die vorbildliche Zahnmedizin der Medizinischen Akademie Erfurt für immer verschwinden. (Foto: Alexander Raßloff)
Literaturtipp:
Steffen Raßloff: 100 Denkmale in Erfurt. Geschichte und Geschichten. Mit Fotografien von Sascha Fromm (Thüringen Bibliothek. Bd. 11). Essen 2013.
Siehe auch: Medizinische Akademie Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt
> Neue Chancen für Zahnklinik (Thüringer Allgemeine vom 23.07.2015)
> Zahnklinik könnte ab 2018 Studentenwohnheim werden (Thüringer Allgemeine vom 15.1.2015)