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Version vom 12. Dezember 2011, 11:33 Uhr
Martin Luther und Erfurt
Erfurt ist die Stadt des jungen Luther, des Stundenten, Magisters und Mönches
Martin Luther (1483-1546) durchlebte in Erfurt die entscheidende geistige Prägephase als Student, Magister und junger Mönch. Nach der Lateinschule in Eisenach sollte er nach dem Wunsche des Vaters an der Universität Erfurt das Rüstzeug für eine glanzvolle Karriere erwerben, am besten an einem Fürstenhof. Der junge Mann war beeindruckt vom regen geistigen Leben der pulsierenden Metropole, mit fast 20.000 Einwohnern eine der größten Städte des Reiches. Neben Erfurt nähmen sich alle übrigen Universitäten wie "kleine (ABC-)Schützenschulen" aus, so Luther.
Beim Eintrag in die Matrikel 1501 wehte "Martinus Ludher ex Mansfeldt" im Collegium maius, dem Hauptgebäude der Universität, bereits der Geist von gut hundert Jahren Geschichte an. Die Hierana (= Universität an der Gera) galt zu jener Zeit als eine der angesehensten Hochschulen Mitteleuropas und hatte 1379 als erste im heutigen Deutschland ein Gründungsprivileg erhalten. Luthers "Studentenwohnheim", die Georgenburse, sowie die meisten Bursen, Kollegien, die Universitätskirche (Michaeliskirche) und zahlreiche Druckereien befanden sich im "lateinischen Viertel". Im Collegium maius war auch die Philosophische Fakultät untergebracht, mit der das Studium begann, ehe man eine der drei höheren Fakultäten (Recht, Medizin, Theologie) besuchen konnte. Luther schloss jenes Grundstudium der sieben Freien Künste 1505 erfolgreich als Magister Artium (= Meister der Künste) ab. Sein ganzes Leben lang behielt er eine enge Beziehung zu Erfurt und bekannte: "Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke."
Das anschließende Jurastudium, Voraussetzung für den vorgezeichneten Karriereweg, brach Luther nach seinem sagenumwobenen "Gewittererlebnis" jedoch ab. Auf dem Heimweg von den Eltern in Mansfeld ereilte ihn am 2. Juli 1505 nahe dem heutigen Erfurter Vorort Stotternheim ein Unwetter, wobei er in größter Not geschworen haben soll: "Hilf du, Heilige Anna, ich will ein Mönch werden!" Dies ist als entscheidender biographischer Wendepunkt, als "Werdepunkt der Reformation" eingestuft worden, wie es auf dem Gedenkstein von 1917 heißt. Aus dem lebenslustigen Jurastudenten wurde der verzweifelt um sein Seelenheil ringende Mönch. Heute geht man von einem längeren Prozess und einem Bündel verschiedener Motive aus, die zu jener Entscheidung gegen den Willen von Eltern und Freunden geführt haben. Am 17. Juli 1505 trat Luther in das Erfurter Augustinerkloster ein. Bis 1511 sollte er sich hier der strengsten "Möncherei" unterwerfen und mit der Frage kämpfen, wie er zu einem gnädigen Gott kommen könne. 1507 erfolgte die Priesterweihe im Dom St. Marien, zugleich nahm Luther das Theologiestudium auf, das er 1512 in Wittenberg mit der Doktor-Promotion abschloss. 1510/11 führte eine Ordensangelegenheit den Erfurter Augustinermönch zum einzigen Mal an den Sitz des Papstes nach Rom. Aber auch der Reformator ließ von Wittenberg aus die Kontakte nicht abreißen, griff mehrfach - etwa mit seinen spekatkulären Predigten - in das Geschehen in Erfurt ein.
Erfurt darf also neben Wittenberg und der Wartburg als wichtigster Lutherort gelten, in dessen historischer Altstadt sich noch viele Spuren des "werdenden Reformators" finden. Hier stehen das Hauptgebäude seiner Universität, heute Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, die Georgenburse mit Gedenkstätte und Pilgerherberge sowie das Augustinerkloster, eine renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte mit Ausstellung samt Lutherzelle und historischer Bibliothek. Zu diesen herausragenden Erinnerungsorten kommen weitere hinzu, wie Dom, Kaufmannskirche, Michaeliskirche, Barfüßerkirche oder Gasthaus "Zur Hohen Lilie". Im Stadtmuseum wird die authentische Geschichtslandschaft museal gebündelt und Luthers Erfurter Zeit in den Kontext der spätmittelalterlichen Handels- und Kulturmetropole gestellt (Abb. Lutherdruck Stadtmuseum Erfurt, Dirk Urban).
Immer wieder hat Erfurt unter sich wandelnden politisch-gesellschaftlichen Bedingungen seinen "großen Sohn der Stadt" gefeiert. Im 19. und frühen 20. Jahrundert gehörte er zu den zentralen Symbolfiguren im bürgerlich-nationalen Geschichtsbild. Hierfür steht u.a. das Lutherdenkmal auf dem Anger. Selbst in der späten DDR-Zeit kam es zu eindrucksvollen Würdigungen im Rahmen des Luther-Jubiläums 1983. In der aktuellen Lutherdekade bis zum 500. Reformationsjubiläum 2017 bemüht sich die Lutherstadt Erfurt weiter um Schärfung ihres Profils.
(Text: Dr. Steffen Raßloff)
Vgl. weiterführend: Artikelserie zur Lutherstadt Erfurt
Lesetipps
Andreas Lindner/Steffen Raßloff: Reformation konkret. Luther auf Erfurter Kanzeln. Erfurt 2011.
Volker Leppin, Steffen Raßloff, Thomas A. Seidel (Hg.): Orte der Reformation. Erfurt. Leipzig 2012. (erscheint voraussichtlich März 2012)