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1990 erfolgte die Rückbenennung in Bismarckturm. Im Jahre 2000 begann die Rekonstruktion des Turmes und die Rekultivierung des umliegenden Geländes. Seit 2002 ist der Bismarckturm geöffnet an Samstagen, Sonn- und Feiertagen. 2002 wurde der Turmfuss saniert. Die Sanierung des Turmkopfes ist geplant. | 1990 erfolgte die Rückbenennung in Bismarckturm. Im Jahre 2000 begann die Rekonstruktion des Turmes und die Rekultivierung des umliegenden Geländes. Seit 2002 ist der Bismarckturm geöffnet an Samstagen, Sonn- und Feiertagen. 2002 wurde der Turmfuss saniert. Die Sanierung des Turmkopfes ist geplant. | ||
== Denkmale in Erfurt. Der Bismarckturm im Steiger == | == Denkmale in Erfurt. Der Bismarckturm im Steiger == |
Version vom 2. November 2009, 17:05 Uhr
Bismarckturm in Erfurt
Etwa 170 von 238 Bismarcktürmen (inkl. neu entdeckter Bismarcktürme) stehen heute noch in Deutschland, Österreich, Frankreich, Tschechien, Russland, Polen und Chile in Erinnerung an Otto von Bismarck. Einer davon in Erfurt "Am Tannenwäldchen". Einst ein beliebter Ausflugsort und Aussichtspunkt, war er zum Zeitpunkt der politischen Wende in Deutschland in einem bedauerlichen optischen und vor allem baulichen Zustand.
1990 erfolgte die Rückbenennung in Bismarckturm. Im Jahre 2000 begann die Rekonstruktion des Turmes und die Rekultivierung des umliegenden Geländes. Seit 2002 ist der Bismarckturm geöffnet an Samstagen, Sonn- und Feiertagen. 2002 wurde der Turmfuss saniert. Die Sanierung des Turmkopfes ist geplant.
Denkmale in Erfurt. Der Bismarckturm im Steiger
Die Erinnerung an den jungen Erfurter Unionsparlamentarier Otto von Bismarck (1815-1898) gestaltete sich in der Stadt, in der 1850 die Verfassung für einen preußisch-kleindeutschen Bundesstaat ("Union") aus der Taufe gehoben werden sollte, lange Zeit schwierig. Einerseits wollte man mit der mehrwöchigen Anwesenheit des späteren "Reichgründers" von 1871 der Stadt zusätzliche historische Bedeutung verleihen. Andererseits rückte das rasch gescheiterte Erfurter Unionsprojekt als solches nie in den positiven Traditionsbestand der Stadt auf. Ganz in diesem Sinne verwies der "Erfurter Allgemeine Anzeiger" (EAA) zum 50. Jubiläum im Jahre 1900 darauf, dass zwar "für den Lokalpatrioten [...] der 20. März 1850 nichtdestoweniger ein Gedenktag von mehr als lokaler Bedeutung" sei; aber der "Anzeiger" fügte im selben Atemzug hinzu, dass erst "die Thaten Bismarcks zu Wege gebracht [haben], was 20 Jahre vorher in langen Berathungen vergeblich erstrebt wurde". Das eigentlich Bedeutsame am Unionsparlament von 1850 war also, "daß der nachmalige Einiger des Deutschen Reiches, der spätere Fürst Bismarck, [...] in unserer Stadt weilte". Denn auch das Erfurter Bürgertum hing um die Jahrhundertwende einem oft überschwänglichen Nationalismus an, in dem der "Bismarck-Mythos", der Mythos vom "Eisernen Kanzler" eine zentrale Rolle spielte. Sichtbarster Ausdruck dessen sollte wie vielerorts der 1901 errichtete Bismarckturm in Steiger werden.
Nach dem Aufruf der Deutschen Studentenschaft von 1898, zur Würdigung des verstorbenen Altkanzlers "Bismarcksäulen" zu errichten, hatten sich 1899 Studenten der Universität Halle an die Erfurter "Bismarck-Gemeinde" gewandt. Auf deren Initiative wurde der Entschluss gefasst, eine "Bismarck-Säule" zu errichten. Als Standort entschied man sich für die nunmehrige "Bismarck-Höhe" am Steigerrand; am 23. März 1900 erfolgte die Gründung eines "Bismarcksäulen-Vereins". Unterzeichnet von Oberbürgermeister Hermann Schmidt und zahlreichen weiteren Honoratioren, forderte ein Aufruf zu Spenden für "das herrliche Werk" auf: "Ein erhabener Gedanke, würdig derer, die ihn ersonnen, der studierenden Jugend, hat in unserer Stadt die freudigste Aufnahme gefunden. In allen Gauen des Vaterlandes sollen auf ragender Höhe granitene Säulen zum Himmel streben, dem Gewaltigsten zum Gedächtnis, dem Größten aller Großen einer großen Zeit, Otto von Bismarck. Alljährlich zu gemeinsamer Stunde sollen von diesen Bismarcksäulen lodernde Feuer in die Nacht hinein leuchten und von Berg zu Berg in Flammenzeichen es verkünden: ´Das deutsche Volk hat seinen großen Kanzler nicht vergessen´."
Und der Aufruf hatte Erfolg: Die 35.450 Mark Baukosten konnten durch 621 Spender rasch aufgebracht werden. Allein die gutbürgerliche Bismarck-Gemeinde steuerte rund 10.000 Mark bei, der spätere Betreiber des Ausflugslokals "Bismarckhöhe" 5.000, der führende Bankier Stürcke 800, der Textilunternehmer Lucius 600 Mark; hinzu kam eine Reihe von Kleinspendern. Auf dieser soliden Grundlage konnte schon am 27. April 1901 der Grundstein für den nach Entwürfen des Dresdner Erfolgsarchitekten Wilhelm Kreis zu errichtenden Turm gelegt werden. Nur vier Monate später übergab Maurermeister Carl Haddenbrock das Bauwerk an den Verein. So konnte pünktlich am 1. September 1901, dem Vorabend des alljährlichen "Sedantages", die Einweihungsfeier in wilhelminischem Stil stattfinden.
Der 22 Meter hohe begehbare Turm folgte dem von der Studentenschaft bevorzugten und meistgebauten Modell "Götterdämmerung". Nur mit einer Feuerschale und dem Familienwappen Bismarcks auf einem Reichsadler versehen, sollte der zyklopenhafte Kalksteinbau deutsch-germanische Wehrhaftigkeit und Eintracht ausdrücken. Nicht nur wegen der regelmäßigen "Bismarckfeuer" bewusst abseits des städtischen Treibens "auf ragender waldumrauschter Höhe" (EAA) errichtet, war ihm eine größere Weihe eigen, die zusätzlich durch die Anpflanzung eines Eichenhaines u.ä. erhöht wurde. Die reizvolle Lage des Aussichtsturmes, der schon ein Jahr nach seiner Errichtung durch eine Gastwirtschaft (heute Hotel und Restaurant "Am Bismarckturm") zusätzliche Anziehungskraft erlangte, trug zu dessen Popularität bei. Sein Charakter als rein architektonisches Denkmal begünstigte zudem das ideelle "Funktionieren" des nationalen Monumentes, das im Vergleich etwa mit dem Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (1900) am Kaiserplatz (Karl-Marx-Platz) eine sehr viel größere Offenheit besaß.
Wenn er auch auf "geheiligtem Boden" errichtet wurde - Entspannungsspaziergänge im Steiger hatten den Parlamentarier Bismarck 1850 auch am damaligen "Birkenwäldchen" (heute "Am Tannenwäldchen") vorbeigeführt -, steht der Bismarckturm gleich seinen einst ca. 230 Artgenossen dennoch für eine nicht nur im architektonischen Sinne "standardisierte" nationale Erinnerungskultur, die trotz aller Umbrüche bis 1945 im Kern bestand hatte. In der DDR-Zeit wurde das ideologisch nunmehr unbrauchbare Denkmal vernachlässigt, entging aber zumindest als "Friedensturm" dem Schicksal einer völligen Beseitigung.
Heute bemüht sich ein 1999 gegründeter "Bismarckturm-Verein Erfurt 1900 e.V." um die Sanierung des Bauwerks, das seit dem festlich begangenen 100-jährigen Jubiläum im Jahre 2001 wieder begehbar ist. So möge der Erfurter Bismarckturm erneut zum lebendigen Erinnerungsort für den "Reichsgründer" und dessen Beziehungen zu Erfurt werden - freilich auf der Grundlage eines differenzierten, zeitgemäßen Bismarckbildes jenseits einstiger Heroisierung oder Dämonisierung.
Text: Steffen Raßloff: Denkmale in Erfurt. Der Bismarckturm. In: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt 23 (2004). S. 17.
Literatur
Ruth Menzel/Steffen Raßloff: Denkmale in Erfurt. Erfurt 2006.
Steffen Raßloff: Bismarck und Erfurt. Vom konservativen Unionsparlamentarier zur nationalen Symbolfigur. In: Greiling, Werner/Hans, Hans-Werner: Bismarck in Thüringen. Politik und Erinnerungskultur in kleinstaatlicher Perspektive. Weimar/Jena 2003. S. 115-133.