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Version vom 19. Januar 2012, 09:58 Uhr
Historische Beziehungen zwischen Erfurt und Mainz
Als am 20. Februar 1988 im Mainzer Rathaus die “Vereinbarung über die Städtepartnerschaft der Stadt Erfurt, Deutsche Demokratische Republik, und der Stadt Mainz, Bundesrepublik Deutschland” von Oberbürgermeister Rosemarie Seibert (Erfurt) und Herman-Hartmut Weyel (Mainz) unterzeichnet wurde, lag bereits ein rund zweijähriger Prozess der Annäherung beider Städte mit vielen Hürden hinter den Initiatoren. Jene auf hindernisreichem Weg erreichte deutsch-deutsche Städtepartnerschaft konnte auf eine sehr viel längere “Vorgeschichte” aufbauen. Die historischen Gemeinsamkeiten reichen bis in die Anfänge der Erfurter Stadtgeschichte zurück.
Die Siedlung Erphesfurt tritt mit einem Schreiben des Missionars Bonifatius im Jahre 742 ins Licht der Geschichte. Bonifatius bittet dort den Papst, die Einsetzung eines Bischofs für die zum Christentum bekehrten Thüringer zu bestätigen. Kurz darauf wird das Bistum wieder aufgelöst und Mainz angegliedert. Damit beginnt die kirchliche Anbindung an die Rheinmetropole. Um 1000 wird der Erzbischof von Mainz auch weltlicher Herrscher über Erfurt. Die wichtigste Siedlung im Raum Thüringen besitzt für den zersplitterten Herrschaftskomplex des Erzstiftes Mainz große Bedeutung. Das Erfurter Stadtwappen mit silbernem Rad auf rotem Grund, das dem “Mainzer Doppelrad” ähnelt, erinnert an diese gemeinsamen historischen Wurzeln.
Schon im 13. Jahrhundert jedoch gelingt es der Bürgerschaft, sich schrittweise selbstständig zu machen. Auf seinem Höhepunkt im 15. Jahrhundert genießt das “Land Erfurt” weitgehende Unabhängigkeit. Den Anspruch als faktische Reichsstadt symbolisiert seit 1591 der Römer vor dem Rathaus. Nach schleichendem Abwärtstrend zerrüttete jedoch der Dreißigjährige Krieg 1618/48 die Wirtschaft der Stadt. Kurfürst von Schönborn gelang es 1664, die “treue Tochter des Mainzer Stuhles” wieder zu unterwerfen. Höhe- und Endpunkt der Epoche bildete die Zeit des Statthalters von Dalberg 1772-1802, danach kam Erfurt an Preußen.
Die jüngere Geschichte hat Erfurt und Mainz wieder einander näher gebracht. Die Impulse kamen dabei aus Richtung Westen. Schon in den 1970er Jahren streckte das Mainzer Rathaus erste Fühler aus. 1986 startete der Stadtrat erneute Annäherungsversuche, die zunächst auf eisige Ablehnung stießen. Einer Delegation wurde sogar der Zugang zum Rathaus verwehrt. Ein anschließender Besuch von Fuchs in Erfurt kam “einem Desaster” gleich, so der Mainzer Bürgermeister Heinz-Georg Diehl im Rückblick. 1987 konnte jedoch der rheinland-pfälzische und spätere thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel SED-Generalsekretär Erich Honecker bei dessen Staatsbesuch in der Bundesrepublik die Zusage für eine deutsch-deutsche Städtepartnerschaft abringen, wie sie 1986 erstmals zwischen Eisenhüttenstadt und Saarlouis abgeschlossen worden war. Im Oktober 1987 empfing denn auch OB Seibert die Mainzer Delegation mit allen Ehren. Nach intensiven Verhandlungen, deren Ergebnisse von Ostberlin abgesegnet werden mussten, konnte der Vertrag im Februar und März 1988 in Mainz und Erfurt unterzeichnet werden.
Die Partnerschaftsvereinbarung enthielt auf Druck der DDR-Seite überwiegend allgemeine Formulierungen rund um Weltfrieden und friedliche Koexistenz. Der angestrebte breite Dialog blieb in der Praxis weitgehend auf die politische Ebene beschränkt, das Klima trotz aller Bemühungen angespannt. Allerdings sorgten die Begebenheiten am Rande für gelegentliche Auflockerung. So erinnern sich alle Beteiligten noch mit Schmunzeln an den Abendempfang im März 1988 im gerade fertig gestellten Elefantenhaus des Erfurter Zooparks. Vor der Kulisse hoher Tiere tafelten die Delegationen bei Exportbier und Häppchen.
Mit Wende und Wiedervereinigung 1989/90 konnte die Städtepartnerschaft mit echtem Leben erfüllt werden. Bereits in den ersten Wochen nutzten Tausende von Erfurtern die neue Reisefreiheit zu einem Besuch ihrer Partnerstadt. Am 14. Juli 1990 unterzeichneten OB Weyel und der erste wieder demokratisch gewählte Erfurter OB Manfred Ruge eine Partnerschaftsvereinbarung mit neuen Schwerpunkten. In vielfacher Hinsicht beteiligte sich Mainz am “Aufbau Ost” in Erfurt. Die Kontakte reichten jetzt zudem bis in die Bevölkerung. Vereine, Schulklassen und Einzelpersonen begannen einen intensiven freundschaftlichen Austausch, in Kultur und Wirtschaft kam es zu enger Zusammenarbeit.
2008 galt es 20 Jahre Städtepartnerschaft zu feiern. Im April gab es ein dreitägiges Jubiläumsprogramm in Erfurt. Höhepunkte waren ein Abendempfang sowie eine von Dr. Steffen Raßloff moderierte Podiumsdiskussion im Rathausfestsaal. Dort gaben die Alt-OB Herman-Hartmut Weyel (Mainz) und Manfred Ruge (Erfurt), die aktuellen OB Jens Beutel (Mainz) und Andreas Bausewein (Erfurt) sowie IHK-Präsident Niels Lund Chrestensen interessante Einblicke in zwei Jahrzehnte Städtepartnerschaft. Beim Gegenbesuch im September in Mainz konnte sich die von OB Bausewein angeführte Erfurter Delegation ebenfalls von der ungebrochenen Lebendigkeit der Partnerschaft überzeugen. Ein reiches Programm, getragen von der sprichwörtlichen rheinischen Gastfreundschaft, gipfelte auch hier in einem Festakt im Mainzer Rathaus am 20. September 2008 (siehe Abb. mit Andreas Bausewein und Jens Beutel, dazwischen Festredner Dr. Steffen Raßloff). Eines der vielen dort angeregten Vorhaben mit Blick auf das 25. Jubiläum 2013 bildet die historiographische Aufarbeitung der Städtepartnerschaft mit ihrer langen “Vorgeschichte”.
Text: Steffen Raßloff: Erfurt und Mainz. 20 Jahre Städtepartnerschaft mit langer Vorgeschichte. In: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt 40 (2008). S. 30.
Siehe auch die Presseserie zu Erfurt-Mainz und Geschichte der Stadt Erfurt