Volkssturm: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei: | [[Datei:Volkssturm.jpg|130px|right]]Im Herbst 1944 zeichnete sich für alle Realisten in Deutschland immer deutlicher die Niederlage im Zweiten Weltkrieg ab. An allen Fronten befand sich die Wehrmacht auf dem Rückzug, im Osten hatte die Rote Armee die Reichsgrenzen erreicht, im Westen und Süden rückten Amerikaner und Briten vor. In dieser Situation versuchte die NS-Propaganda alle Reserven für den „Endsieg“ zu mobilisieren. Laut „Führererlass“ vom 25. September 1944 sollte der „Deutsche Volkssturm“ aller „waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren“ die regulären Truppen verstärken, um den „Heimatboden“ zu verteidigen. Seit Oktober wurden die ersten Volkssturmverbände mit propagandistischem Getöse aufgestellt. Bis zu 175.000 Jugendliche und ältere Männer fanden dadurch in der völlig aussichtlosen Schlussphase des Krieges noch den Tod. | ||
Während im frontnahen Westen und Osten die Volkssturmmänner bald zum Einsatz kamen und gegen erfahrene Gegner meist auf verlorenem Posten standen, zog sich die Aufstellung in Erfurt länger hin. Schon am 21. Oktober 1944 wurde mit Aachen die erste deutsche Großstadt eingenommen – über ein halbes Jahr vor Erfurt. Gelegen im „geographischen Mittelpunkt des Großdeutschen Reiches“, wie es Oberbürgermeister Walter Kießling nach der Annektion der „Resttschechei“ 1939 noch stolz verkündet hatte, erreichten die Amerikaner Erfurt erst knapp einen Monat vor Kriegsende am 12. April 1945. Dementsprechend schleppend hatte zunächst die Aufstellung des Volkssturms begonnen. Am 21. Oktober 1944 veranstaltete die NSDAP-Kreisleitung eine Großkundgebung zum „Aufruf des Volkssturms“. Man hatte sie mit den Versen Theodor Körners unter das Motto „Das Volk steht auf, der Sturmbricht los!“ gestellt. Am 12. November wurden die ersten Volkssturmmänner auf den „Führer“ vereidigt. | Während im frontnahen Westen und Osten die Volkssturmmänner bald zum Einsatz kamen und gegen erfahrene Gegner meist auf verlorenem Posten standen, zog sich die Aufstellung in Erfurt länger hin. Schon am 21. Oktober 1944 wurde mit Aachen die erste deutsche Großstadt eingenommen – über ein halbes Jahr vor Erfurt. Gelegen im „geographischen Mittelpunkt des Großdeutschen Reiches“, wie es Oberbürgermeister Walter Kießling nach der Annektion der „Resttschechei“ 1939 noch stolz verkündet hatte, erreichten die Amerikaner Erfurt erst knapp einen Monat vor Kriegsende am 12. April 1945. Dementsprechend schleppend hatte zunächst die Aufstellung des Volkssturms begonnen. Am 21. Oktober 1944 veranstaltete die NSDAP-Kreisleitung eine Großkundgebung zum „Aufruf des Volkssturms“. Man hatte sie mit den Versen Theodor Körners unter das Motto „Das Volk steht auf, der Sturmbricht los!“ gestellt. Am 12. November wurden die ersten Volkssturmmänner auf den „Führer“ vereidigt. | ||
Laut Forschungen von Helmut Wolf soll der Volkssturm mehr als 15.000 Mann umfasst haben. Freilich stand für diese große Zahl nicht genügend Ausrüstung zur Verfügung, so dass sogar die Bevölkerung um Sachspenden gebeten werden musste. Zunächst trat der Volkssturm auch kaum hervor und wurde nur notdürftig militärisch ausgebildet. Erst mit dem Näherrücken der Front forderte man alle Männer Ende März ultimativ auf, sich in der Einsatzzentrale in der Arnstädter Hohle zu melden. Die 16- und 17-jährigen Hitlerjungen mussten sich im Nordbad und nahen HJ-Heim für den Einsatz bereithalten. Da Kommandant Oberst Merkel die Stadt nicht kampflos übergeben wollte, kam es am 11. und 12. April noch zu Gefechten um die Einnahme von Erfurt, ohne dass man den US-Truppen ernsthaften Widerstand hätte leisten können. Obwohl sich dabei viele Volkssturmmänner dem sinnlosen Einsatz in der unübersichtlichen Lage entzogen, kamen doch noch besonders einige der Jugendlichen in den Kämpfen ums Leben. | Laut Forschungen von Helmut Wolf soll der Volkssturm mehr als 15.000 Mann umfasst haben. Freilich stand für diese große Zahl nicht genügend Ausrüstung zur Verfügung, so dass sogar die Bevölkerung um Sachspenden gebeten werden musste. Zunächst trat der Volkssturm auch kaum hervor und wurde nur notdürftig militärisch ausgebildet. Erst mit dem Näherrücken der Front forderte man alle Männer Ende März ultimativ auf, sich in der Einsatzzentrale in der Arnstädter Hohle zu melden. Die 16- und 17-jährigen Hitlerjungen mussten sich im Nordbad und nahen HJ-Heim für den Einsatz bereithalten. Da Kommandant Oberst Merkel die Stadt nicht kampflos übergeben wollte, kam es am 11. und 12. April noch zu Gefechten um die Einnahme von Erfurt, ohne dass man den US-Truppen ernsthaften Widerstand hätte leisten können. Obwohl sich dabei viele Volkssturmmänner dem sinnlosen Einsatz in der unübersichtlichen Lage entzogen, kamen doch noch besonders einige der Jugendlichen in den Kämpfen ums Leben. (Foto: Litfaßsäule in Erfurt mit Aufruf zum Volkssturm vom September 1944, Stadtarchiv Erfurt) | ||
Siehe auch: '''[[Erfurt im Nationalsozialismus]]''', '''[[Militär in Erfurt]]''' |
Version vom 28. März 2015, 12:53 Uhr
Volkssturm 1944/45
Beitrag der TA-Serie 70 Jahre Kriegsende 1945 von Dr. Steffen Raßloff (28.03.2014)
Das letzte Aufgebot
70 Jahre Kriegsende (13) Mit dem „Volkssturm“ sollte am Ende des Krieges noch der „Endsieg“ erfochten werden
Im Herbst 1944 zeichnete sich für alle Realisten in Deutschland immer deutlicher die Niederlage im Zweiten Weltkrieg ab. An allen Fronten befand sich die Wehrmacht auf dem Rückzug, im Osten hatte die Rote Armee die Reichsgrenzen erreicht, im Westen und Süden rückten Amerikaner und Briten vor. In dieser Situation versuchte die NS-Propaganda alle Reserven für den „Endsieg“ zu mobilisieren. Laut „Führererlass“ vom 25. September 1944 sollte der „Deutsche Volkssturm“ aller „waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren“ die regulären Truppen verstärken, um den „Heimatboden“ zu verteidigen. Seit Oktober wurden die ersten Volkssturmverbände mit propagandistischem Getöse aufgestellt. Bis zu 175.000 Jugendliche und ältere Männer fanden dadurch in der völlig aussichtlosen Schlussphase des Krieges noch den Tod.
Während im frontnahen Westen und Osten die Volkssturmmänner bald zum Einsatz kamen und gegen erfahrene Gegner meist auf verlorenem Posten standen, zog sich die Aufstellung in Erfurt länger hin. Schon am 21. Oktober 1944 wurde mit Aachen die erste deutsche Großstadt eingenommen – über ein halbes Jahr vor Erfurt. Gelegen im „geographischen Mittelpunkt des Großdeutschen Reiches“, wie es Oberbürgermeister Walter Kießling nach der Annektion der „Resttschechei“ 1939 noch stolz verkündet hatte, erreichten die Amerikaner Erfurt erst knapp einen Monat vor Kriegsende am 12. April 1945. Dementsprechend schleppend hatte zunächst die Aufstellung des Volkssturms begonnen. Am 21. Oktober 1944 veranstaltete die NSDAP-Kreisleitung eine Großkundgebung zum „Aufruf des Volkssturms“. Man hatte sie mit den Versen Theodor Körners unter das Motto „Das Volk steht auf, der Sturmbricht los!“ gestellt. Am 12. November wurden die ersten Volkssturmmänner auf den „Führer“ vereidigt.
Laut Forschungen von Helmut Wolf soll der Volkssturm mehr als 15.000 Mann umfasst haben. Freilich stand für diese große Zahl nicht genügend Ausrüstung zur Verfügung, so dass sogar die Bevölkerung um Sachspenden gebeten werden musste. Zunächst trat der Volkssturm auch kaum hervor und wurde nur notdürftig militärisch ausgebildet. Erst mit dem Näherrücken der Front forderte man alle Männer Ende März ultimativ auf, sich in der Einsatzzentrale in der Arnstädter Hohle zu melden. Die 16- und 17-jährigen Hitlerjungen mussten sich im Nordbad und nahen HJ-Heim für den Einsatz bereithalten. Da Kommandant Oberst Merkel die Stadt nicht kampflos übergeben wollte, kam es am 11. und 12. April noch zu Gefechten um die Einnahme von Erfurt, ohne dass man den US-Truppen ernsthaften Widerstand hätte leisten können. Obwohl sich dabei viele Volkssturmmänner dem sinnlosen Einsatz in der unübersichtlichen Lage entzogen, kamen doch noch besonders einige der Jugendlichen in den Kämpfen ums Leben. (Foto: Litfaßsäule in Erfurt mit Aufruf zum Volkssturm vom September 1944, Stadtarchiv Erfurt)
Siehe auch: Erfurt im Nationalsozialismus, Militär in Erfurt