Luther in Thüringen: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Reformator | Der Reformator Martin Luther (1483-1546) besitzt seine biographischen Wurzeln in Thüringen, wo sich entscheidende Momente seines Leben abgespielt haben. Die Eltern stammten aus Möhra und Eisenach. Nach der Eisenacher Pfarrschule studierte Luther 1501-1505 an der Universität Erfurt. In der spätmittelalterlichen Metropole hat er wichtige Impulse erhalten. Sein Eintritt ins Erfurter Augustinerkloster 1505 wird als “Werdepunkt der Reformation” eingestuft. Trotz der Übersiedlung nach Wittenberg 1511 sollte Thüringen im Fokus von Luthers weltgeschichtlichem Wirken bleiben. Nach dem Beginn der Reformation 1517 und der Reichsacht durch Kaiser Karl V. wurde die Wartburg 1521/22 für Luther zur Zuflucht, wobei er das Neue Testament ins Deutsche übersetzte (siehe Abb. als "Junker Jörg" von Lucas Cranach d.Ä.). Luther besaß mit dem Kurfürsten von Sachsen, der auch über thüringische Territorien herrschte, einen wichtigen Förderer und Schutzherren. Im “Kernland der Reformation”, wo sich 1531 protestantische Reichsstände zum Schmalkaldischen Bund zusammenschlossen, gelang es der neuen Konfession sich rasch zu etablierten. Das evangelische Landeskirchenwesen wurde ein Grundpfeiler neuzeitlicher Staatlichkeit. | ||
Thüringen verfügt so neben Sachsen-Anhalt über die meisten bedeutenden Luther-Erinnerungsstätten, voran die Wartburg und die Stadt Erfurt. Seit dem 16. Jahrhundert hatte dies eine intensive Erinnerungskultur zur Folge, die im 19. und 20. Jahrhundert gipfelte. Luther wurde zu einer Gallionsfigur der deutschen Nationalbewegung, der auf dem Wartburgfest 1817 sowie mit zahllosen Feierlichkeiten, Publikationen und Denkmalen gedacht wurde. Sogar in der DDR-Zeit nahm man sich des Reformators an, dessen 500. Geburtstag 1983 mit großen Ehrungen begangen wurde. Im heutigen Freistaat Thüringen spielt Luther als identitätsstiftende und tourismusfördernde historische Persönlichkeit nach wie vor eine wichtige Rolle. | Thüringen verfügt so neben Sachsen-Anhalt über die meisten bedeutenden Luther-Erinnerungsstätten, voran die Wartburg und die Stadt Erfurt. Seit dem 16. Jahrhundert hatte dies eine intensive Erinnerungskultur zur Folge, die im 19. und 20. Jahrhundert gipfelte. Luther wurde zu einer Gallionsfigur der deutschen Nationalbewegung, der auf dem Wartburgfest 1817 sowie mit zahllosen Feierlichkeiten, Publikationen und Denkmalen gedacht wurde. Sogar in der DDR-Zeit nahm man sich des Reformators an, dessen 500. Geburtstag 1983 mit großen Ehrungen begangen wurde. Im heutigen Freistaat Thüringen spielt Luther als identitätsstiftende und tourismusfördernde historische Persönlichkeit nach wie vor eine wichtige Rolle. |
Version vom 17. Oktober 2013, 08:18 Uhr
Martin Luther in Thüringen
Der Reformator Martin Luther (1483-1546) besitzt seine biographischen Wurzeln in Thüringen, wo sich entscheidende Momente seines Leben abgespielt haben. Die Eltern stammten aus Möhra und Eisenach. Nach der Eisenacher Pfarrschule studierte Luther 1501-1505 an der Universität Erfurt. In der spätmittelalterlichen Metropole hat er wichtige Impulse erhalten. Sein Eintritt ins Erfurter Augustinerkloster 1505 wird als “Werdepunkt der Reformation” eingestuft. Trotz der Übersiedlung nach Wittenberg 1511 sollte Thüringen im Fokus von Luthers weltgeschichtlichem Wirken bleiben. Nach dem Beginn der Reformation 1517 und der Reichsacht durch Kaiser Karl V. wurde die Wartburg 1521/22 für Luther zur Zuflucht, wobei er das Neue Testament ins Deutsche übersetzte (siehe Abb. als "Junker Jörg" von Lucas Cranach d.Ä.). Luther besaß mit dem Kurfürsten von Sachsen, der auch über thüringische Territorien herrschte, einen wichtigen Förderer und Schutzherren. Im “Kernland der Reformation”, wo sich 1531 protestantische Reichsstände zum Schmalkaldischen Bund zusammenschlossen, gelang es der neuen Konfession sich rasch zu etablierten. Das evangelische Landeskirchenwesen wurde ein Grundpfeiler neuzeitlicher Staatlichkeit.
Thüringen verfügt so neben Sachsen-Anhalt über die meisten bedeutenden Luther-Erinnerungsstätten, voran die Wartburg und die Stadt Erfurt. Seit dem 16. Jahrhundert hatte dies eine intensive Erinnerungskultur zur Folge, die im 19. und 20. Jahrhundert gipfelte. Luther wurde zu einer Gallionsfigur der deutschen Nationalbewegung, der auf dem Wartburgfest 1817 sowie mit zahllosen Feierlichkeiten, Publikationen und Denkmalen gedacht wurde. Sogar in der DDR-Zeit nahm man sich des Reformators an, dessen 500. Geburtstag 1983 mit großen Ehrungen begangen wurde. Im heutigen Freistaat Thüringen spielt Luther als identitätsstiftende und tourismusfördernde historische Persönlichkeit nach wie vor eine wichtige Rolle.
Lebensstationen und Erinnerungsorte
Noch immer leben Verwandte Martin Luthers in und um MÖHRA südlich von Eisenach, wo dessen Familie seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar ist. Sein Vater Hans Luder (erst Martin änderte 1517 die Schreibweise in Luther um) war dort als ältester Sohn eines Bauern aufgewachsen. Bis ins Geburtsjahr des späteren Reformators 1483 wohnte er gemeinsam mit seiner Frau Margarethe im “Luther-Stammort”. Diese entstammte der angesehenen Bürgerfamilie Lindemann aus Eisenach. In dem zur Gemeinde Moorgrund gehörenden Dorf erinnert heute das vermutliche Elternhaus an die historische Verbindung zu Luther. Dieser hatte am 4. Mai 1521 auf der Rückreise vom Wormser Reichstag kurz vor seiner Scheinentführung auf die Wartburg im Dorf gepredigt. Nie sollte Luther seine thüringische Herkunft verleugnen. “In bin ein Bauernsohn; der Urgroßvater, mein Großvater, der Vater sind richtige Bauern gewesen”, heißt es in einer seiner berühmten Tischreden aus den 1530er- Jahren.
1483 zog Hans Luder nach Eisleben, um sich als Bergmann im mansfeldischen Kupferbergbau zu verdingen. Hier wurde Martin Luther am 10. November 1483 geboren. Dass er später zu einer weltgeschichtlichen Persönlichkeit werden konnte, verdankte er dem beruflichen Aufstieg seines Vaters. Seit 1484 in Mansfeld ansässig, brachte dieser es bis zum wohlhabenden Grubenteilhaber und Bürger. Große Pläne verband Hans Luder mit der Schulbildung seines Sohnes. Nach der Lateinschule in Mansfeld und der Domschule in Magdeburg besuchte Luther von 1497 bis 1501 die Pfarrschule St. Georg in EISENACH. Aufnahme fand er bei Verwandten der Mutter, den angesehenen Patriziern Heinrich (oder Hans) Schalbe und Konrad Cotta. Seit 1498 lebte Luther im Cottaschen Haus, dem heutigen Lutherhaus. In diesen Bürgerkreisen wurde eine zeittypische Laienfrömmigkeit gepflegt, die in freier Anlehnung an die Bettelorden nach gottgefälligem Leben strebte. Luther sollte seine “liebe Stadt” Eisenach, wo er mit eigenen Worten “vier Jahre lang den Wissenschaften oblag” und sich “fast meine ganze Verwandtschaft” befand, neben dem Wartburgaufenthalt 1521/22 noch zweimal 1529 und 1540 besuchen. Mit ihren Erinnerungsorten, voran dem zum modernen Museum ausgebauten Lutherhaus, steht die Landgrafenstadt am Fuße der Wartburg für Luthers Schulzeit und seine familiären Bande in Thüringen.
Die entscheidende geistige Prägephase durchlebte Martin Luther in ERFURT. Hier sollte er an der Universität das Rüstzeug für eine glanzvolle Karriere erwerben, am besten an einem Fürstenhof. Der junge Mann war beeindruckt vom regen geistigen Leben der pulsierenden Metropole, mit fast 20.000 Einwohnern eine der größten Städte des Reiches. Neben Erfurt nähmen sich alle übrigen Universitäten wie “kleine (ABC-)Schützenschulen” aus, so Luther. Beim Eintrag in die Matrikel 1501 wehte “Martinus Ludher ex Mansfeldt” im Collegium maius, dem Hauptgebäude der Universität, bereits der Geist von gut hundert Jahren Geschichte an. Die Hierana (= Universität an der Gera) galt zu jener Zeit als eine der angesehensten Hochschulen Mitteleuropas und hatte 1379 als erste im heutigen Deutschland ein Gründungsprivileg erhalten. Luthers “Studentenwohnheim”, die Georgenburse, sowie die meisten Bursen, Kollegien, die Universitätskirche (Michaeliskirche) und zahlreiche Druckereien befanden sich im “lateinischen Viertel”. Im Collegium maius war auch die Philosophische Fakultät untergebracht, mit der das Studium begann, ehe man eine der drei höheren Fakultäten (Recht, Medizin, Theologie) besuchen konnte. Luther schloss jenes Grundstudium der sieben Freien Künste 1505 erfolgreich als Magister Artium (= Meister der Künste) ab. Sein ganzes Leben lang behielt er eine enge Beziehung zu Erfurt und bekannte: “Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke.”
Das anschließende Jurastudium, Voraussetzung für den vorgezeichneten Karriereweg, brach Luther nach seinem sagenumwobenen “Gewittererlebnis” jedoch ab. Auf dem Heimweg von den Eltern in Mansfeld ereilte ihn am 2. Juli 1505 nahe dem heutigen Erfurter Vorort Stotternheim ein Unwetter, wobei er in größter Not geschworen haben soll: “Hilf du, Heilige Anna, ich will ein Mönch werden!” Dies ist als entscheidender biographischer Wendepunkt, als “Werdepunkt der Reformation” eingestuft worden. Aus dem lebenslustigen Jurastudenten wurde der verzweifelt um sein Seelenheil ringende Mönch. Heute geht man von einem längeren Prozess und einem Bündel verschiedener Motive aus, die zu jener Entscheidung gegen den Willen von Eltern und Freunden geführt haben. Am 17. Juli 1505 trat Luther in das Erfurter Augustinerkloster ein. Bis 1511 sollte er sich hier der strengsten “Möncherei” unterwerfen und mit der Frage kämpfen, wie er zu einem gnädigen Gott kommen könne. 1507 erfolgte die Priesterweihe im Dom St. Marien, zugleich nahm Luther das Theologiestudium auf, das er 1512 in Wittenberg mit der Doktor-Promotion abschloss. 1510/11 führte eine Ordensangelegenheit den Erfurter Augustinermönch zum einzigen Mal an den Sitz des Papstes nach Rom.
Erfurt darf also neben Wittenberg und der Wartburg als wichtigster Lutherort gelten, in dessen historischer Altstadt sich noch viele Spuren des “werdenden Reformators” finden. Hier stehen das Hauptgebäude seiner Universität, heute Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, die Georgenburse mit Gedenkstätte und Pilgerherberge sowie das Augustinerkloster, eine renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte mit Ausstellung samt Lutherzelle und historischer Bibliothek. Zu diesen herausragenden Erinnerungsorten kommen weitere hinzu, wie Dom, Kaufmannskirche, Michaeliskirche, Barfüßerkirche oder Gasthaus “Zur Hohen Lilie”. Im Stadtmuseum “Haus zum Stockfisch” wird die authentische Geschichtslandschaft museal gebündelt und Luthers Erfurter Zeit in den Kontext der spätmittelalterlichen Handels- und Kulturmetropole gestellt.
Ab 1511 sollte sich das Leben Luthers und sein Wirken als Reformator eng mit der kursächsischen Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg verbinden. Seine theologischen Ansichten zielten dabei zunächst keineswegs auf den Bruch mit Rom und eine neue Kirche. Sie lassen sich im Kern auf die Erkenntnis zurück führen, dass der Mensch nur durch den Glauben an einen gnädigen Gott und nicht durch kirchliche Vermittlung oder gute Taten Erlösung erlange. “Gerecht” werde er allein durch Jesus Christus (solus Christus), die Heilige Schrift (sola scriptura), die Gnade (sola gratia) und den Glauben (sola fide). Dies mündete in die Reformation, wobei die ausufernde kirchliche Praxis des Ablasshandels den Auslöser bildete. Luther fasste nach dem legendären Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 seine Theologie in eine Reihe von Schriften, wobei ihm die moderne Technik des Buch- und Flugblattdruckes bei der raschen Verbreitung zugute kam. Nach der Exkommunikation durch Papst Leo X. weigerte er sich auch vor Kaiser Karl V. auf dem Wormser Reichstag 1521 zu widerrufen, worauf die Reichsacht über ihn verhängt wurde.
Luther besaß in seinem wettinischen Landesherren Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen (1486-1525) jedoch einen umsichtigen Beschützer. Er ließ den Mönch und Professor am 4. Mai 1521 unweit der Burg Altenstein bei Bad Liebenstein zum Schein entführen und auf die WARTBURG bringen. Für zehn Monate lebte Luther als Junker Jörg auf dem einstigen Sitz der Landgrafen von Thüringen, deren Erbe die Wettiner 1247/64 angetreten hatten. Er nutzte die Zeit für die Übersetzung des Neuen Testamentes ins Deutsche, dem 1534 die vollständige “Lutherbibel” folgte. Hiermit legte Luther eine weitere wesentliche Grundlage für die Ausbreitung des protestantischen Glaubens. Darüber hinaus wird der sprachgewaltigen und volksnahen Bibelübersetzung eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung einer neuhochdeutschen Schriftsprache zugeschrieben. Die heute zum Weltkulturerbe zählende Wartburg verdankt ihren Ruf als nationaler Symbolort freilich nicht Luther allein, sondern ihrer erinnerungskulturellen Vielschichtigkeit. Hinzu kommen das Andenken an die glanzvolle Landgrafenzeit, symbolisiert im “Sängerkrieg auf der Wartburg” (1206/07), an die Heilige Elisabeth von Thüringen (1207-1231) und an das Wartburgfest der Burschenschaften 1817. So hat man die im 19. Jahrhundert im romantischen Zeitgeist rekonstruierte “Lutherburg” auch als “deutscheste aller deutschen Burgen” bezeichnet.
In den Folgejahren sollte sich der reformatorische Impuls weit über die Ziele Luthers hinaus zu sozialen Bewegungen ausweiten, gipfelnd im Bauernkrieg 1524/25. Thüringen wurde unter der Führung Thomas Müntzers (1489-1525), ursprünglich Mitstreiter Luthers, zu einem Zentrum der Bauernaufstände. Zentrale Erinnerungsorte sind Mühlhausen, wo sich der radikale Theologe Müntzer 1524 niedergelassen hatte, und Bad Frankenhausen, wo am 15. Mai 1525 die Entscheidungsschlacht gegen die Bauern statt fand. Luther begrüßte die blutige Niederschlagung des Aufstandes durch die fürstliche Obrigkeit. Zugleich konnte keine Einigung zwischen protestantischen und katholischen Reichsständen erreicht werden. Die Protestanten, so genannt nach der Protestation (= Protestschreiben) auf dem Reichstag zu Speyer 1529, besaßen weiterhin keine Rechtssicherheit. Ihr neues, von Luthers Weggefährten Philipp Melanchthon (1497-1560) verfasstes Glaubensbekenntnis, das Augsburgische Bekenntnis (Confessio Augustana), wurde von Kaiser Karl V. nicht anerkannt. Der noch immer geächtete Luther hatte die Verhandlung auf dem Augsburger Reichstag 1530 von COBURG aus verfolgt, dem südlichsten Vorposten des Kurfürstentums Sachsen.
Die Verfestigung des protestantischen Bündnisses wie auch dessen Niederlage ist mit dem Namen der Stadt SCHMALKALDEN verbunden. Hier wurde am 27. Februar 1531 der Schmalkaldische Bund als Verteidigungsbündnis protestantischer Fürsten und Städte unter Führung von Kursachsen und Hessen gegründet. Auf den Tagungen in Schmalkalden wurde der Bund zu einem bedeutenden Machtfaktor ausgebaut. Auf der Bundestagung 1537 legte Luther mit den Schmalkaldischen Artikeln eine wichtige protestantische Bekenntnisschrift vor. Luther blieb es durch seinen Tod in Eisleben am 18. Februar 1546 erspart, die Niederlage und Auflösung des Bundes im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 mitzuerleben. Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige (1532-1547) verblieb bis 1552 in kaiserlicher Gefangenschaft. Er herrschte danach als Herzog von Sachsen in WEIMAR über die thüringischen Gebiete, während Wittenberg und die Kurfürstenwürde an die albertinische Linie der Wettiner im heutigen Sachsen ging. Mit nach Weimar um zog auch Hofmaler Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553), der bedeutendste Renaissancekünstler an der Seite Luthers, woran das Cranachhaus am Markt erinnert. Luther hatte mehrfach in der thüringischen Hauptresidenz der Wettiner geweilt, in der sich mit dem Dreiflügelaltar der Herderkirche von Cranach (1552/55) eine der eindrucksvollsten bildlichen Darstellungen der lutherischen Theologie findet.
Zu den genannten Erinnerungsorten kommen eine Reihe hinzu, zumal Luther auf seinen Reisen viel in Thüringen unterwegs war und an zahlreichen Kirchen predigte. In Jena, der späteren wettinischen Landesuniversität im kleinstaatlichen Thüringen (1548/58), findet sich in der Stadtkirche St. Michael die Grabplatte Luthers. Diese war ursprünglich für Wittenberg geplant, das hölzerne Modell hängt in der Erfurter Andreaskirche. Georg Spalatin (1484-1545), enger Vertrauter Luthers und des Kurfürsten Friedrich, wirkte ab 1525 in Altenburg als einer der ersten Superintendenten am praktischen Aufbau der reformierten Kirche. Freunde Luthers und aktive Beförderer der Reformation waren in vielen Orten Thüringens aktiv.
Luther-Rezeption
Im “Kernland der Reformation” konnte sich unter Ausnahme der kurmainzischen Gebiete mit dem konfessionell gespaltenen Erfurt und dem Eichsfeld die neue Konfession rasch durchsetzen. In Form des Landeskirchenwesens mit den Fürsten als Landesbischöfen wurde der Protestantismus zu einem Grundpfeiler neuzeitlicher Staatlichkeit. Parallel hierzu entfaltete sich ein wahrer Kult um den Reformator. Zentrale Erinnerungsorte wie das Augustinerkloster in Erfurt oder die Wartburg mit ihrer Lutherstube erlangten geradezu den Status von Wallfahrtsorten. Zugleich fand die Theologie und Lutherforschung in Thüringen eine wichtige Heimstatt. An der Universität Jena, über Jahrhunderte Hüterin des lutherischen Erbes und Ausbildungsstätte evangelischer Geistlicher, findet sich eine der bedeutendsten Schriftensammlungen der Reformationszeit. Von 1883 bis 2009 erschien die maßgebliche “Weimarer Ausgabe” aller Werke Luthers.
Im 19. Jahrhundert erreichte der nationalprotestantische Lutherkult seinen Höhepunkt. Beginnend mit dem Wartburgfest der Burschenschaften 1817 bildeten besonders die großen Jubiläen 1830, 1846 und 1883 den Anlass, Luther als nationale Heldenfigur zu feiern. Dies prägte auch die Denkmallandschaft. Denkmale in Möhra (1861), Erfurt (1889) und Eisenach (1895) zeigen einen in bronzener Unerschütterlichkeit stehenden Luther mit der Bibel in der Hand. Der Gedenkstein bei Stotternheim (1917) weist auf den “Werdepunkt der Reformation” hin. Im Luthergrund bei Steinbach markiert neben Lutherborn und Lutherbuche seit 1857 ein Obelisk den Ort der Scheinentführung auf die Wartburg; in Tambach-Dietharz erinnert der Lutherbrunnen an die Erlösung Luthers von einem lebensgefährlichen Harnsteinleiden auf dem Rückweg von Schmalkalden 1537. Hinzu kommen zahllose Gedenktafeln, Straßennamen, Luthereichen usw. Eine nochmalige Steigerung erfuhr die nationalistische Akzentuierung des Lutherbildes mit dem Ersten Weltkrieg 1914/18, in den das Reformationsjubiläum 1917 fiel. Das Dritte Reich 1933-1945 griff die antijüdischen Schriften Luthers auf, der so als Kronzeuge für den Antisemitismus missbraucht wurde. Hieran hatten auch die in Thüringen stark vertretenen Deutschen Christen (DC) anteil, die dem Nationalsozialismus nahe stehende Strömung des Protestantismus.
In der DDR-Zeit führte die Staatspartei SED besonders in den 1950er- Jahren einen heftigen Kampf gegen die evangelische Kirche. Hiermit korrespondierend stigmatisierte man Luther als “Bauernschlächter” und “Fürstenknecht”, während Thomas Müntzer zur Heldenfigur aufrückte. Doch allmählich hellte sich das Bild auf, was erstmals 1967 anlässlich des 450. Reformationsjubiläums spürbar wurde. 1983 kulminierte dies in einer großen Lutherehrung zu dessen 500. Geburtstag. SED-Generalsekretär Erich Honecker erklärte Luther zu “einem der größten Söhne des deutschen Volkes”. Das stand auch im Zusammenhang mit der neuen Kirchenpolitik seit 1978, die auf ein harmonischeres Verhältnis zielte. Während der aufwändigen Ehrungen 1983, für die erhebliche Sanierungsanstrengungen unternommen worden waren, gehörten die Wartburg und Erfurt zu den Schwerpunkten. Am 21. April wurde die Wiedereröffnung des Wartburg-Museums gefeiert, am 4. Mai folgte der kirchliche “Luthertag auf der Wartburg” mit live im DDR-Fernsehen übertragenem Gottesdienst. Die Rekonstruktion des Erfurter Augustinerklosters durch die Kirche gehört zu den nachhaltigsten Erträgen des Lutherjahres 1983. Ihren Höhepunkt fand die staatliche Erinnerung an Reformation und Bauernkrieg, von der DDR-Geschichtswissenschaft zusammengefasst unter dem Begriff der Frühbürgerlichen Revolution, 1989 in dem imposanten Panoramagemälde von Werner Tübke auf dem Schlachtenberg in Bad Frankenhausen.
Nach der friedlichen Revolution und deutschen Wiedervereinigung 1989/90 sollte Luther im Freistaat Thüringen wieder zu den wichtigsten identitätsstiftenden historischen Persönlichkeiten zählen. Er steht am Beginn der im kollektiven Gedächtnis fest verankerten frühneuzeitlichen Kulturlandschaft zwischen Reformation und Klassik, die das Bild vom “Kulturland Thüringen” maßgeblich prägt. Das Land Luthers, Bachs und Goethes definiert sich in starkem Maße über seine kulturgeschichtlichen Traditionen, die zugleich für den Tourismusstandort hohe Bedeutung besitzen. Dieses Erbe gilt es gerade während der “Lutherdekade” bis zum 500. Reformationsjubiläum 2017 auf der Grundlage eines zeitgemäßen, differenzierten Lutherbildes zu pflegen.
Text: Steffen Raßloff: Martin Luther in Thüringen (Thüringen. Blätter zur Landeskunde 84). Erfurt 2010.
Lesetipp:
Steffen Raßloff und Thomas A. Seidel (Red.): Lutherland Thüringen (Hg. vom Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur). Erfurt 2013. (erscheint Herbst 2013)
Siehe auch: Luther und Erfurt, Geschichte Thüringens