Stadtbefestigung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 4. Juni 2012, 14:29 Uhr
Die Stadtbefestigung einst und jetzt
Wären unsere Stadtväter im Jahre 1873 weiser gewesen, könnte Erfurt heute ein anschauliches und touristenwirksames Beispiel dafür geben, wie sich eine einst reiche Stadt vom Mittelalter bis zur beginnenden Zeit der Industriealisierung mittels wehrhafter Befestigungen gegen Feinde zu schützen wusste.
Als im Jahr 1873 der Status einer Festung aufgehoben wurde, verfügte Erfurt über eine der bestausgebauten und modernsten Festungsanlagen, welche sich in über acht Jahrhunderten entwickelt hatte und die auch Zeugnis ablegte über die strategische und geopolitische Bedeutung unserer Stadt. Diese nämlich haben alle Herren erkannt und genutzt, egal ob es der Erzbischof von Mainz, König Gustav II. Adolf von Schweden, Napoleon oder Preußens König war.
Da aber diese Befestigung mit der Industrialisierung zu einer Fessel geworden war, entledigte man sich ihrer, als dies möglich wurde, um so gründlicher. Heute findet man nur noch wenige originale Spuren, sieht man von der Zitadelle Petersberg einmal ab.
Ein Stück innerer Mauer (siehe Abb.) findet sich am Juri-Gagarin-Ring an der Einmündung in die Johannesstraße, ein weiteres Stück am Flutgraben in der Nähe der Franckestraße. Auch am Brühler Garten, hinter dem Katholischen Waisenhaus sind noch Reste erhalten, welche gerade restauriert wurden. Der einzige damals nicht abgerissene Wehrturm am Boyneburgufer erhielt 1944 einen Bombentreffer. Er sollte eigentlich wieder errichtet werden, aber inzwischen sind seine Steine nicht mehr auffindbar und seine Reste dienen heute der Regulierung des Wasserhaushalts der Gera.
An der Brücke in der Schlüterstraße standen bis Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Reste der Befestigung des äußeren Moritztores, auch Krätzturm genannt. Diese mussten dem Neubau der genannten Brücke weichen.
Heute nun werden mühsam einige wenige, nicht gründlich genug entfernte Reste wieder ausgegraben und in das Stadtbild und in das Stadtbewußtsein zurück geholt. So am neuen Theater Erfurt, am Südring und am Eingang zur Brühler Straße.
Siehe auch: Wehrhafte Mauern in der Serie "Denkmale in Erfurt" von Dr. Steffen Raßloff
Chronologischer Überblick zur Erfurter Stadtbefestigung
- 1066
Die innere Stadtmauer, mit Graben, Türmen und Toren wird vollendet.
- 1286
Beginn des Baus des inneren Johannestores.
- 1322
Die Hirschlache wird am "Gerinnig" über die Wilde Gera hinweg in die Stadt eingeleitet.
- 1351
Bau des Schmidtstedter Tores, Bestandteil des äußeren Ringes. 1354 Zehn Türme zwischen dem Johannestor und dem Krämpfertor werden errichtet.
- 1375
Bau des äußeren Johannestores.
- 1375
Bau des Krämpfertores.
- 1376
Allgemeiner Baubeginn der Gewölbe für die Außentore.
- 1377
Unter Aufsicht der Wallmeister wurden vor den drei Toren im Norden, dem Andreastor, Moritztor und Johannestor Gräben und Wälle angelegt.
- 1378
Von jeder Mark einen Pfennig Wallgeld geben. Die gleiche Steuer wurde auch 1379, 1381 und 1383 fällig.
- 1381
Eine neue Mauer wird vor dem Graben an der Schmalen Gera errichtet.
- 1387
Baubeginn des großen Brühler Turmes und des äußeren Brühler Tores. Der Doppelbau wird erst nach elfjähriger Bauzeit im Jahre 1398 vollendet.
- 1429
Eine neue Mauer wird "von der Pforte beym Neuenwerk bis zum Lauenturm" gebaut.
- 1432
Neubau der Mauer des Außenringes am Andreastor und am Moritztor.
- 1442
Ratsmeister Hartung Cammermeister, Historiker und Chronist Erfurts, widmet sich während seiner Amtszeit beim Rat besonders der Erweiterung der Festungswerke.
- 1444
Fertigstellung des Johannestores.
- 1447
Der Rat lässt eine große Büchse von 114 Zentner Kupfer gießen, die der "Erfurter Wirt" genannt wird.
- 1464
Neubau eines Turmes auf dem Johanneswall.
- 1466
Neubau eines zweiten Turmes vor dem Krämpfertor
- 1475
Neubau des Wallturmes 23 am Johanneswall.
- 1480
Baubeginn der Cyriaksburg als starker Wehrpunkt für den Süd-Westteil der Stadt. Von geplanten vier Türmen werden nur zwei errichtet. Der Bau dauert etwa 25 Jahre.
- 1540
Fertigstellung des Moritztores.
- 1558
Baubeginn für den Krätzturm mit Gewölben und Wassergebäuden am Moritztor.
- 1558
Ausbesserung großer Abschnitte der Wallanlagen.
- 1597
Umfangreiche Arbeiten am Andreastor.
- 1625
Verstärkung der Wallanlagen am Johannes-, dem Löber-, dem Andreas- und dem Brühler Tor, wofür die Erfurter Bürger zahlreiche Frondienste leisten mussten.
- 1655
Der schwedische Kanzler Oxenstierna lässt den großen Brühler Turm abbrechen. Das neue Brühler Tor wurde etwa 200 Meter stadteinwärts wieder aufgebaut (1636 vollendet).
- 1665
Auf Befehl des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn wird begonnen, den bis dahin klösterlich genutzten Petersberg in eine Festung umzuwandeln. Nach den Plänen des französischen Generals von Pradell und des münsterischen Bischofs Christian Bernhard wurde bis etwa 1680 auf dem Petersberg eine Zwingburg geschaffen. Der innere Ausbau zog sich noch mehrere Jahre hin.
- 1686
Wegen des Festungsbaues werden die Häuser auf dem Rubenmarkt (heute südlicher Teil der Andreasstraße) abgerissen, ebenso der Kornhof "bey St.Nic(olai), wohin das Cyriaci-Kloster gebaut wurde".
- 1706
Das Erfurter Wappen wird von allen Stadttoren abgenommen und durch das Kurfürstliche ersetzt.
- 1709
Beginn des Festungsbaus nach dem Andreastor.
- 1711
Die Gelder für die Armbrustschützen wurden abgeschafft und den Rohrschützen zugelegt.
- 1757
Friedrich II. inspiziert mit General Seydlitz die Stadt.
- 1806
Die Franzosen nehmen die Stadt in Besitz. Erst ab 1812 beginnt man die inzwischen stark verwahrlosten Festungsanlagen wieder auszubessern.
- 1812
Die Franzosen beginnen mit dem Bau einer geräumigen Lünette, die der Hohen Batterie vorgelagert war und später als "Daberstedter Schanze" bekannt wurde (Stadtpark).
- 1813
Wiederherstellung der Stadtgräben, Einbau von Vorrichtungen zum Anstauen von Wasser zum Überschwemmen des Vorgeländes am Pförtchen und am Löbertor.
- 1815
Beschießung der Stadt durch die Alliierten. Peterskirche und Peterskloster werden ebenso zerstört wie der Stadtteil vor der Severikirche.
- 1817
Ausbau der Bastion vor dem Andreastor und Bau des Schmidtstedter Wehres unter Verwendung der Steine der zerstörten Peterskirche.
- 1824
Ausbau und Modernisierung der Zitadelle Cyriaksburg, Errichtung einer Defensionskaserne (bis etwa 1830)
- 1828
Kürzung aller Tore und Türme bis auf ein Stockwerk. Darauf werden je zwei bis vier Geschütze stationiert.
- 1833
Vollendung der Daberstedter Schanze.
- 1838
Am 18. Oktober wurde zum Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig gefeiert; alle Besucher haben freien Ein- und Auslaß an den Stadttoren.
- 1873
Alle deutschen Festungen werden lt. Reichsgesetzblatt Nr. 14 vom 20.05.1873 aufgehoben. Die Rayonbeschränkungen für die Stadt Erfurt enden am 01.10.1873. Der Abbruch der Befestigungsanlagen beginnt mit dem Niederlegen der Stadttore.