Erfurter Hof Treffen: Unterschied zwischen den Versionen

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= Kaderschmiede der Republik =
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'''Seit 20 Jahren treffen sich regelmäßig die ehemaligen Mitarbeiter der Interhotels „Erfurter Hof“ und „Kosmos“.'''
'''Seit 20 Jahren treffen sich regelmäßig die ehemaligen Mitarbeiter der geschichtsträchtigen Interhotels „Erfurter Hof“ und „Kosmos“.'''


Seit 1905 wird der Platz vor dem Hauptbahnhof vom Gründerzeit-Gebäude des einstigen Hotels „Erfurter Hof“ dominiert. 1916 kam der Erweiterungsbau „Haus Kossenhaschen“ hinzu, der auf den Besitzer jenes „ersten Hauses am Platze“ hinweist. Hotelier Georg Kossenhaschen führte es unter die deutschen Spitzenhotels. Nicht ganz freiwillig erlangte die Nobelherberge 1926 große mediale Bekanntheit. Der Hochstapler Harry Domela wurde als Hohenzollern-Prinz Wilhelm hofiert, bis der Schwindel zu allgemeiner Heiterkeit aufflog.


Später beherbergte das DDR-Interhotel prominente Gäste aus Ost und West. Höhepunkt war das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph am 19. März 1970. An die begeisterten Rufe der Erfurter erinnert seit einigen Jahren auf dem Dach die Leuchtschrift „Willy Brandt ans Fenster“. Erich Honecker pflegte mit Politprominenz von hier aus zu seinen berühmt-berüchtigten „Staatsjagden“ aufzubrechen.  
[[Datei:EH.jpg|310px|right]]Seit 1905 wird der Platz vor dem Hauptbahnhof vom Gründerzeit-Gebäude des einstigen Hotels „Erfurter Hof“ dominiert. 1916 kam der Erweiterungsbau „Haus Kossenhaschen“ hinzu, der auf den Besitzer jenes „ersten Hauses am Platze“ hinweist. Hotelier Georg Kossenhaschen führte es unter die deutschen Spitzenhotels. Nicht ganz freiwillig erlangte die Nobelherberge 1926 große mediale Bekanntheit. Der Hochstapler Harry Domela wurde als Hohenzollern-Prinz Wilhelm hofiert, bis der Schwindel zu allgemeiner Heiterkeit aufflog.  


Das traditionsreiche Hotel mit seiner beliebten Gastronomie, an die viele Erfurter ganz persönliche Erinnerungen knüpfen, überstand jedoch nicht den Sprung in die Marktwirtschaft und musste 1995 schließen. Vor zehn Jahren öffnete das Gebäude nach umfassender Sanierung als Geschäftshaus wieder seine Pforten.
Später beherbergte das DDR-Interhotel prominente Gäste aus Ost und West. Höhepunkt war das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph am 19. März 1970. An die begeisterten Rufe der Erfurter erinnert seit einigen Jahren auf dem Dach die Leuchtschrift „Willy Brandt ans Fenster“. Erich Honecker pflegte mit Politprominenz von hier aus zu seinen berühmt-berüchtigten „Staatsjagden“ aufzubrechen. Das traditionsreiche Hotel mit seiner beliebten Gastronomie, an die viele Erfurter ganz persönliche Erinnerungen knüpfen, überstand jedoch nicht den Sprung in die Marktwirtschaft und musste 1995 schließen. Vor zehn Jahren öffnete das Gebäude nach umfassender Sanierung als Geschäftshaus wieder seine Pforten.


Auch wenn das Hotel seit mehr als 20 Jahren nicht mehr existiert, lebt doch sein legendärer Ruf weiter. Wesentlich verantwortlich hierfür sind natürlich die einstigen Mitarbeiter. Kompetentes und engagiertes Personal war zu Zeiten eines Georg Kossenhaschen ebenso wie unter der Ägide der Interhotel-Gruppe entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens.  
Auch wenn das Hotel seit mehr als 20 Jahren nicht mehr existiert, lebt doch sein legendärer Ruf weiter. Wesentlich verantwortlich hierfür sind natürlich die einstigen Mitarbeiter. Kompetentes und engagiertes Personal war zu Zeiten eines Georg Kossenhaschen ebenso wie unter der Ägide der Interhotel-Gruppe entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens.  
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Deshalb kam auch kurz nach der Schließung der Wunsch auf, die Gemeinschaft weiter zu pflegen. Werner Lusche, zuletzt Wirtschaftsdirektor im „Erfurter Hof“, übernahm die Initiative. Er richtete im April 1997 in seinem Restaurant „Rathaus Arcade“ (heute „Si-Ju“) das erste „Klassentreffen“ von etwa 65 Mitarbeitern aus allen Bereichen, aus Hotel, Restaurant, Küche, Verwaltung und Technik aus. Die Idee schlug sofort ein und schon im Folgejahr waren es rund 300. Seither trifft man sich in regelmäßigen Abständen.   
Deshalb kam auch kurz nach der Schließung der Wunsch auf, die Gemeinschaft weiter zu pflegen. Werner Lusche, zuletzt Wirtschaftsdirektor im „Erfurter Hof“, übernahm die Initiative. Er richtete im April 1997 in seinem Restaurant „Rathaus Arcade“ (heute „Si-Ju“) das erste „Klassentreffen“ von etwa 65 Mitarbeitern aus allen Bereichen, aus Hotel, Restaurant, Küche, Verwaltung und Technik aus. Die Idee schlug sofort ein und schon im Folgejahr waren es rund 300. Seither trifft man sich in regelmäßigen Abständen.   


20 Jahre nach dem ersten Treffen bereitet Werne Lusche gerade die Jubiläums-Veranstaltung vor. Am 26. August 2017 ab 15.00 Uhr sind alle „Ehemaligen“ herzlich in die CCS-Cafeteria des Finanzzentrums am Ludwig-Ehrhard-Ring 6 eingeladen. Dann wird es auch wieder zahlreiche Anekdoten zu hören geben. Reichlich Stoff bieten etwa die einstigen hohen Gäste mit ihren teils ausgeprägten Eigenarten und die vielen gelungenen Veranstaltungen vom Faschingsball bis zur Silvesterparty. Nicht nur für den Historiker sind die angeregten Gespräche daher eine lebendige Quelle zur Erfurter Kulturgeschichte.
20 Jahre nach dem ersten Treffen bereitet Werne Lusche gerade die Jubiläums-Veranstaltung vor. Am 26. August 2017 ab 15.00 Uhr sind alle „Ehemaligen“ herzlich in die CCS-Cafeteria des Finanzzentrums am Ludwig-Ehrhard-Ring 6 eingeladen. Dann wird es auch wieder zahlreiche Anekdoten zu hören geben. Reichlich Stoff bieten etwa die einstigen hohen Gäste mit ihren teils ausgeprägten Eigenarten und die vielen gelungenen Veranstaltungen vom Faschingsball bis zur Silvesterparty. Nicht nur für den Historiker sind die angeregten Gespräche daher eine lebendige Quelle zur Erfurter Kulturgeschichte. (Abbildung: Speisekartes des "Erfurter Hof" aus den 1980er-Jahren)


('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' in Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung vom 12.04.2017)
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Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 11:42 Uhr

Kaderschmiede der Republik

Seit 20 Jahren treffen sich regelmäßig die ehemaligen Mitarbeiter der geschichtsträchtigen Interhotels „Erfurter Hof“ und „Kosmos“.


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Seit 1905 wird der Platz vor dem Hauptbahnhof vom Gründerzeit-Gebäude des einstigen Hotels „Erfurter Hof“ dominiert. 1916 kam der Erweiterungsbau „Haus Kossenhaschen“ hinzu, der auf den Besitzer jenes „ersten Hauses am Platze“ hinweist. Hotelier Georg Kossenhaschen führte es unter die deutschen Spitzenhotels. Nicht ganz freiwillig erlangte die Nobelherberge 1926 große mediale Bekanntheit. Der Hochstapler Harry Domela wurde als Hohenzollern-Prinz Wilhelm hofiert, bis der Schwindel zu allgemeiner Heiterkeit aufflog.

Später beherbergte das DDR-Interhotel prominente Gäste aus Ost und West. Höhepunkt war das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph am 19. März 1970. An die begeisterten Rufe der Erfurter erinnert seit einigen Jahren auf dem Dach die Leuchtschrift „Willy Brandt ans Fenster“. Erich Honecker pflegte mit Politprominenz von hier aus zu seinen berühmt-berüchtigten „Staatsjagden“ aufzubrechen. Das traditionsreiche Hotel mit seiner beliebten Gastronomie, an die viele Erfurter ganz persönliche Erinnerungen knüpfen, überstand jedoch nicht den Sprung in die Marktwirtschaft und musste 1995 schließen. Vor zehn Jahren öffnete das Gebäude nach umfassender Sanierung als Geschäftshaus wieder seine Pforten.

Auch wenn das Hotel seit mehr als 20 Jahren nicht mehr existiert, lebt doch sein legendärer Ruf weiter. Wesentlich verantwortlich hierfür sind natürlich die einstigen Mitarbeiter. Kompetentes und engagiertes Personal war zu Zeiten eines Georg Kossenhaschen ebenso wie unter der Ägide der Interhotel-Gruppe entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens.

Im Interhotel „Erfurter Hof“ und seit 1980 im Interhotel „Kosmos“ am Ring (heute „Radisson Blue“) herrschte unter dem Personal ein ausgeprägter Kollektivgeist. Dieser speiste sich nicht zuletzt aus dem hohen Anspruch ihrer Arbeit, die unter den nicht immer ganz einfachen Bedingungen in der DDR zu leisten war. Zudem galt der „Erfurter Hof“ geradezu als „Kaderschmiede der Republik“, als eines der besten Interhotels. Bei Leistungswettbewerben aller Bezirke belegte man immer wieder Spitzenplätze.

Deshalb kam auch kurz nach der Schließung der Wunsch auf, die Gemeinschaft weiter zu pflegen. Werner Lusche, zuletzt Wirtschaftsdirektor im „Erfurter Hof“, übernahm die Initiative. Er richtete im April 1997 in seinem Restaurant „Rathaus Arcade“ (heute „Si-Ju“) das erste „Klassentreffen“ von etwa 65 Mitarbeitern aus allen Bereichen, aus Hotel, Restaurant, Küche, Verwaltung und Technik aus. Die Idee schlug sofort ein und schon im Folgejahr waren es rund 300. Seither trifft man sich in regelmäßigen Abständen.

20 Jahre nach dem ersten Treffen bereitet Werne Lusche gerade die Jubiläums-Veranstaltung vor. Am 26. August 2017 ab 15.00 Uhr sind alle „Ehemaligen“ herzlich in die CCS-Cafeteria des Finanzzentrums am Ludwig-Ehrhard-Ring 6 eingeladen. Dann wird es auch wieder zahlreiche Anekdoten zu hören geben. Reichlich Stoff bieten etwa die einstigen hohen Gäste mit ihren teils ausgeprägten Eigenarten und die vielen gelungenen Veranstaltungen vom Faschingsball bis zur Silvesterparty. Nicht nur für den Historiker sind die angeregten Gespräche daher eine lebendige Quelle zur Erfurter Kulturgeschichte. (Abbildung: Speisekartes des "Erfurter Hof" aus den 1980er-Jahren)

(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung vom 12.04.2017)


Literaturtipp:

Steffen Raßloff (Hg.): "Willy Brandt ans Fenster!" Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des "Erfurter Hofes". (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Bd. 6) Jena 2007.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurter Hof, Harry Domela, Erfurter Gipfeltreffen, Willy Brandt Denkmal