Musterplattenbau Johannesstraße: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Musterbauten.jpg| | [[Datei:Musterbauten.jpg|380px|right]]Über Jahrhunderte hat sich das Erfurter Stadtgebiet durch die Eingrenzung mit zwei Stadtmauerringen nicht verändert. Erst nach der Reichseinigung 1871 und der folgenden Entfestigung kam es zu einer explosionsartigen Ausdehnung ins Umland. Einschneidend verändern sollte sich das Stadtbild besonders mit den „Neubaugebieten“ in Beton-Plattenbauweise in der DDR-Zeit. Ab 1966 entstand am Johannesplatz das erste Neubaugebiet, während parallel am Juri-Gagarin-Ring ebenfalls Plattenbauten als Teil einer noch viel weitgehender geplanten Umgestaltung der Innenstadt errichtet wurden. In den 1970er und 1980er Jahren wuchsen dann im Norden (Rieth, Berliner Platz, Moskauer Platz, Roter Berg) und Südosten (Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg, Buchenberg) ganze Trabantenstädte, in denen schließlich knapp die Hälfte aller Erfurter lebte. Mit der „Platte“ sollte das 1973 beschlossene Wohnungsbauprogramm als ein Kernpunkt der SED-Sozialpolitik realisiert werden. | ||
Die Konzentration auf die Plattenbaugebiete und die begrenzten Möglichkeiten der DDR-Wirtschaft sorgten auf der anderen Seite für den zunehmenden Verfall der Innenstadtbereiche. Dem sollte schließlich durch sensiblere Plattenbauten speziell für die Altstädte entgegen gesteuert werden. Von 1983 bis 1985 errichtete man in Erfurt hierfür einen Musterbau in der Johannesstraße, der nördlich an den Johannesturm anschließt. Auf Initiative der Erfurter Denkmalbehörde hat die heutige Eigentümerin, die Kommunale Wohnungsgesellschaft (KOWO), im vergangenen Jahr eine Gedenktafel an den Häusern angebracht. Sie weist darauf hin, dass hier der Startschuss „der flächenhaften Stadterneuerung im Rahmen einer differenzierten architektonischen und städtebaulichen Gestaltung im industriellen Wohnungsbau“ gegeben werden sollte. Ganz bewusst hat man deshalb auch auf neue Dämmfassaden verzichtet, um die ursprüngliche Form zu bewahren. | Die Konzentration auf die Plattenbaugebiete und die begrenzten Möglichkeiten der DDR-Wirtschaft sorgten auf der anderen Seite für den zunehmenden Verfall der Innenstadtbereiche. Dem sollte schließlich durch sensiblere Plattenbauten speziell für die Altstädte entgegen gesteuert werden. Von 1983 bis 1985 errichtete man in Erfurt hierfür einen Musterbau in der Johannesstraße, der nördlich an den Johannesturm anschließt. Auf Initiative der Erfurter Denkmalbehörde hat die heutige Eigentümerin, die Kommunale Wohnungsgesellschaft (KOWO), im vergangenen Jahr eine Gedenktafel an den Häusern angebracht. Sie weist darauf hin, dass hier der Startschuss „der flächenhaften Stadterneuerung im Rahmen einer differenzierten architektonischen und städtebaulichen Gestaltung im industriellen Wohnungsbau“ gegeben werden sollte. Ganz bewusst hat man deshalb auch auf neue Dämmfassaden verzichtet, um die ursprüngliche Form zu bewahren. | ||
In Erfurt kamen diese angepassten Plattenbauten neben einigen punktuellen Standorten wie in der Futterstraße v.a. rund um den Huttenplatz in der nördlichen Altstadt zur Errichtung. Heute als Bestand der KOWO saniert, besitzen sie durchaus eine hohe Akzeptanz. Allerdings gingen die Pläne ursprünglich noch deutlich weiter. Der vor und während der friedlichen Revolution 1989 heftig diskutierte Straßendurchbruch durch das angrenzende Andreasviertel etwa hätte auch von solchen Plattenbauten gesäumt werden sollen. Hierzu ist es freilich nicht mehr gekommen. In Gotha dagegen lässt sich erahnen, wohin dies geführt hätte. Dort hat man noch kurz vor der Wende fast die gesamte westliche Altstadt abgerissen und mit derartigen Plattenbauten ersetzt. ( | In Erfurt kamen diese angepassten Plattenbauten neben einigen punktuellen Standorten wie in der Futterstraße v.a. rund um den Huttenplatz in der nördlichen Altstadt zur Errichtung. Heute als Bestand der KOWO saniert, besitzen sie durchaus eine hohe Akzeptanz. Allerdings gingen die Pläne ursprünglich noch deutlich weiter. Der vor und während der friedlichen Revolution 1989 heftig diskutierte Straßendurchbruch durch das angrenzende Andreasviertel etwa hätte auch von solchen Plattenbauten gesäumt werden sollen. Hierzu ist es freilich nicht mehr gekommen. In Gotha dagegen lässt sich erahnen, wohin dies geführt hätte. Dort hat man noch kurz vor der Wende fast die gesamte westliche Altstadt abgerissen und mit derartigen Plattenbauten ersetzt. (Foto: Dr. Steffen Raßloff) | ||
'''Lesetipp:''' | |||
''' | Steffen Raßloff: '''Die Platte. Wohnungsbau in der DDR.''' In: '''[[Erfurt_55_Highlights_aus_der_Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]]'''. Erfurt 2021. S. 108 f. | ||
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''' | Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Stadtumbau_DDR-Zeit_Plattenbau|DDR-Stadtumbau]]''' |
Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 12:53 Uhr
Musterplattenbau Johannesstraße
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (30.06.2012)
Muster-Platte
DENKMALE IN ERFURT (52): Mit angepassten Plattenbauten wollte man in der späten DDR den Verfall der Innenstädte stoppen. In Erfurt entstanden hierfür Musterbauten.
Über Jahrhunderte hat sich das Erfurter Stadtgebiet durch die Eingrenzung mit zwei Stadtmauerringen nicht verändert. Erst nach der Reichseinigung 1871 und der folgenden Entfestigung kam es zu einer explosionsartigen Ausdehnung ins Umland. Einschneidend verändern sollte sich das Stadtbild besonders mit den „Neubaugebieten“ in Beton-Plattenbauweise in der DDR-Zeit. Ab 1966 entstand am Johannesplatz das erste Neubaugebiet, während parallel am Juri-Gagarin-Ring ebenfalls Plattenbauten als Teil einer noch viel weitgehender geplanten Umgestaltung der Innenstadt errichtet wurden. In den 1970er und 1980er Jahren wuchsen dann im Norden (Rieth, Berliner Platz, Moskauer Platz, Roter Berg) und Südosten (Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg, Buchenberg) ganze Trabantenstädte, in denen schließlich knapp die Hälfte aller Erfurter lebte. Mit der „Platte“ sollte das 1973 beschlossene Wohnungsbauprogramm als ein Kernpunkt der SED-Sozialpolitik realisiert werden.
Die Konzentration auf die Plattenbaugebiete und die begrenzten Möglichkeiten der DDR-Wirtschaft sorgten auf der anderen Seite für den zunehmenden Verfall der Innenstadtbereiche. Dem sollte schließlich durch sensiblere Plattenbauten speziell für die Altstädte entgegen gesteuert werden. Von 1983 bis 1985 errichtete man in Erfurt hierfür einen Musterbau in der Johannesstraße, der nördlich an den Johannesturm anschließt. Auf Initiative der Erfurter Denkmalbehörde hat die heutige Eigentümerin, die Kommunale Wohnungsgesellschaft (KOWO), im vergangenen Jahr eine Gedenktafel an den Häusern angebracht. Sie weist darauf hin, dass hier der Startschuss „der flächenhaften Stadterneuerung im Rahmen einer differenzierten architektonischen und städtebaulichen Gestaltung im industriellen Wohnungsbau“ gegeben werden sollte. Ganz bewusst hat man deshalb auch auf neue Dämmfassaden verzichtet, um die ursprüngliche Form zu bewahren.
In Erfurt kamen diese angepassten Plattenbauten neben einigen punktuellen Standorten wie in der Futterstraße v.a. rund um den Huttenplatz in der nördlichen Altstadt zur Errichtung. Heute als Bestand der KOWO saniert, besitzen sie durchaus eine hohe Akzeptanz. Allerdings gingen die Pläne ursprünglich noch deutlich weiter. Der vor und während der friedlichen Revolution 1989 heftig diskutierte Straßendurchbruch durch das angrenzende Andreasviertel etwa hätte auch von solchen Plattenbauten gesäumt werden sollen. Hierzu ist es freilich nicht mehr gekommen. In Gotha dagegen lässt sich erahnen, wohin dies geführt hätte. Dort hat man noch kurz vor der Wende fast die gesamte westliche Altstadt abgerissen und mit derartigen Plattenbauten ersetzt. (Foto: Dr. Steffen Raßloff)
Lesetipp:
Steffen Raßloff: Die Platte. Wohnungsbau in der DDR. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 108 f.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, DDR-Stadtumbau