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[[Datei: | [[Datei:ReisshausGrab.jpg|310px|right]]Paul Reißhaus gilt als die große Vaterfigur der Erfurter SPD. Am 29. September 1855 in Burg bei Magdeburg geboren, arbeitete er zunächst als Schneider in Berlin. Erst der rigide Kampf Bismarcks gegen die „rote Umsturzpartei“ sollte das engagierte Parteimitglied an die Gera führen. Reißhaus war 1880 während der Zeit des „Sozialistengesetzes“ (1878-90) aus Berlin ausgewiesen worden und ließ sich im damals preußischen Erfurt nieder. Wie viele verbannte Berliner Sozialdemokraten sollte er fortan die Entwicklung der Arbeiterpartei in der neuen Heimat prägen. Reißhaus wurde die unbestrittene Führungspersönlichkeit der Erfurter SPD bis zu seinem Tode am 5. September 1921. Für das seit 1889 erscheinende Parteiorgan „Tribüne“ wirkte er als Herausgeber und Publizist. | ||
Reißhaus war aber auch auf nationaler Ebene politisch sehr aktiv. Als erster Erfurter Sozialdemokrat gelangte er vor 120 Jahren in den Reichstag. Von 1893 bis 1907 und nochmals von 1912 bis 1918 vertrat Reißhaus als Abgeordneter der SPD den Wahlkreis Sachsen-Meiningen 2 in Berlin. Nach der Novemberrevolution 1918 gelangte er 1919 im Wahlkreis 36 (Thüringen) in die Weimarer Nationalversammlung. Bei der Reichstagswahl 1920 wurde er schließlich nochmals für den Wahlkreis 13 (Thüringen) in den ersten Reichstag der Republik gewählt. Einen der Höhepunkte seiner Karriere erlebte Reißhaus im Oktober 1891. Er durfte neben August Bebel und Wilhelm Liebknecht den Erfurter Parteitag der SPD im „Kaisersaal“ eröffnen, der die Programmatik und Taktik der Partei nach dem Sozialistengesetz über Jahrzehnte prägte. In den krisenhaften Anfangsjahren der Weimarer Republik blieb Reißhaus dem reformerisch-demokratischen Kurs der SPD treu und bemühte sich in Erfurt um die Vermeidung eines blutigen Bürgerkrieges. | Reißhaus war aber auch auf nationaler Ebene politisch sehr aktiv. Als erster Erfurter Sozialdemokrat gelangte er vor 120 Jahren in den Reichstag. Von 1893 bis 1907 und nochmals von 1912 bis 1918 vertrat Reißhaus als Abgeordneter der SPD den Wahlkreis Sachsen-Meiningen 2 in Berlin. Nach der Novemberrevolution 1918 gelangte er 1919 im Wahlkreis 36 (Thüringen) in die Weimarer Nationalversammlung. Bei der Reichstagswahl 1920 wurde er schließlich nochmals für den Wahlkreis 13 (Thüringen) in den ersten Reichstag der Republik gewählt. Einen der Höhepunkte seiner Karriere erlebte Reißhaus im Oktober 1891. Er durfte neben August Bebel und Wilhelm Liebknecht den Erfurter Parteitag der SPD im „Kaisersaal“ eröffnen, der die Programmatik und Taktik der Partei nach dem Sozialistengesetz über Jahrzehnte prägte. In den krisenhaften Anfangsjahren der Weimarer Republik blieb Reißhaus dem reformerisch-demokratischen Kurs der SPD treu und bemühte sich in Erfurt um die Vermeidung eines blutigen Bürgerkrieges. | ||
Sein Ehrengrab der Stadt Erfurt auf dem Hauptfriedhof steht also für eine wichtige Persönlichkeit nicht nur der Stadtgeschichte. Zwar wurde die SPD 1946 mit der KPD zur SED vereinigt und in der DDR ihre historische Rolle kritisch beurteilt. Paul Reißhaus blieb hiervon als alter Kämpfer der Arbeiterbewegung jedoch weitgehend unberührt. Im einstigen Generalsviertel der Ostvorstadt erinnert so auch die von der Leipziger Straße abzweigende Reißhausstraße an den Grandseigneur der Erfurter SPD. 1948 hatte man die Bellingstraße umgewidmet, die an den preußischen General von Belling erinnerte. Am 15. Juni werden die Erfurter SPD und die Friedrich-Ebert-Stiftung im Rahmen einer Wanderausstellung zu 150 Jahren Sozialdemokratie auch auf ihren verdienten Genossen Paul Reißhaus aufmerksam machen. | Sein Ehrengrab der Stadt Erfurt auf dem Hauptfriedhof steht also für eine wichtige Persönlichkeit nicht nur der Stadtgeschichte. Zwar wurde die SPD 1946 mit der KPD zur SED vereinigt und in der DDR ihre historische Rolle kritisch beurteilt. Paul Reißhaus blieb hiervon als alter Kämpfer der Arbeiterbewegung jedoch weitgehend unberührt. Im einstigen Generalsviertel der Ostvorstadt erinnert so auch die von der Leipziger Straße abzweigende Reißhausstraße an den Grandseigneur der Erfurter SPD. 1948 hatte man die Bellingstraße umgewidmet, die an den preußischen General von Belling erinnerte. Am 15. Juni werden die Erfurter SPD und die Friedrich-Ebert-Stiftung im Rahmen einer Wanderausstellung zu 150 Jahren Sozialdemokratie auch auf ihren verdienten Genossen Paul Reißhaus aufmerksam machen. (Foto: Dr. Steffen Raßloff) | ||
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Erfurter_Parteitag_der_SPD_1891|Erfurter Parteitag 1891]]''', '''[[SPD Erfurt|Erfurt und die SPD]]''', '''[[Tivoli]]''', '''[[Hauptfriedhof Erfurt|Hauptfriedhof]]''' |
Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 13:04 Uhr
Paul Reißhaus
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (30.03.2013)
Grandseigneur der Erfurter SPD
DENKMALE IN ERFURT (91): Paul Reißhaus gelangte vor 120 Jahren als erster Erfurter Sozialdemokrat in den Reichstag.
Paul Reißhaus gilt als die große Vaterfigur der Erfurter SPD. Am 29. September 1855 in Burg bei Magdeburg geboren, arbeitete er zunächst als Schneider in Berlin. Erst der rigide Kampf Bismarcks gegen die „rote Umsturzpartei“ sollte das engagierte Parteimitglied an die Gera führen. Reißhaus war 1880 während der Zeit des „Sozialistengesetzes“ (1878-90) aus Berlin ausgewiesen worden und ließ sich im damals preußischen Erfurt nieder. Wie viele verbannte Berliner Sozialdemokraten sollte er fortan die Entwicklung der Arbeiterpartei in der neuen Heimat prägen. Reißhaus wurde die unbestrittene Führungspersönlichkeit der Erfurter SPD bis zu seinem Tode am 5. September 1921. Für das seit 1889 erscheinende Parteiorgan „Tribüne“ wirkte er als Herausgeber und Publizist.
Reißhaus war aber auch auf nationaler Ebene politisch sehr aktiv. Als erster Erfurter Sozialdemokrat gelangte er vor 120 Jahren in den Reichstag. Von 1893 bis 1907 und nochmals von 1912 bis 1918 vertrat Reißhaus als Abgeordneter der SPD den Wahlkreis Sachsen-Meiningen 2 in Berlin. Nach der Novemberrevolution 1918 gelangte er 1919 im Wahlkreis 36 (Thüringen) in die Weimarer Nationalversammlung. Bei der Reichstagswahl 1920 wurde er schließlich nochmals für den Wahlkreis 13 (Thüringen) in den ersten Reichstag der Republik gewählt. Einen der Höhepunkte seiner Karriere erlebte Reißhaus im Oktober 1891. Er durfte neben August Bebel und Wilhelm Liebknecht den Erfurter Parteitag der SPD im „Kaisersaal“ eröffnen, der die Programmatik und Taktik der Partei nach dem Sozialistengesetz über Jahrzehnte prägte. In den krisenhaften Anfangsjahren der Weimarer Republik blieb Reißhaus dem reformerisch-demokratischen Kurs der SPD treu und bemühte sich in Erfurt um die Vermeidung eines blutigen Bürgerkrieges.
Sein Ehrengrab der Stadt Erfurt auf dem Hauptfriedhof steht also für eine wichtige Persönlichkeit nicht nur der Stadtgeschichte. Zwar wurde die SPD 1946 mit der KPD zur SED vereinigt und in der DDR ihre historische Rolle kritisch beurteilt. Paul Reißhaus blieb hiervon als alter Kämpfer der Arbeiterbewegung jedoch weitgehend unberührt. Im einstigen Generalsviertel der Ostvorstadt erinnert so auch die von der Leipziger Straße abzweigende Reißhausstraße an den Grandseigneur der Erfurter SPD. 1948 hatte man die Bellingstraße umgewidmet, die an den preußischen General von Belling erinnerte. Am 15. Juni werden die Erfurter SPD und die Friedrich-Ebert-Stiftung im Rahmen einer Wanderausstellung zu 150 Jahren Sozialdemokratie auch auf ihren verdienten Genossen Paul Reißhaus aufmerksam machen. (Foto: Dr. Steffen Raßloff)
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurter Parteitag 1891, Erfurt und die SPD, Tivoli, Hauptfriedhof