Gedenktafel Ferdinand Schmidt: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Schmidtnetz.jpg|300px|right]]Der Aufstieg Erfurts zur modernen Industriegroßstadt seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts war begleitet von großen sozialen Gegensätzen. Die wohlhabenden Bürger der Stadt siedelten sich jetzt vorzugweise im Süden und Südwesten jenseits der fallenden Stadtmauern an. Bis heute ist die Lage am Steiger und an der Cyriaksburg mit ihren prächtigen Wohnhäusern und Villen weitgehend den gutbetuchten Erfurtern vorbehalten. Die rasant anwachsende Arbeiterschaft wurde dagegen mehr schlecht als recht in den neuen Vorstädten des Nordens mit ihren „Mietskasernen“ untergebracht. Hieraus erwuchsen soziale Spannungen, die von der Arbeiterpartei SPD aufgegriffen wurden.  
[[Datei:Schmidtnetz.jpg|300px|right]]Der Aufstieg Erfurts zur modernen Industriegroßstadt seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts war begleitet von großen sozialen Gegensätzen. Die wohlhabenden Bürger der Stadt siedelten sich jetzt vorzugweise im Süden und Südwesten jenseits der fallenden Stadtmauern an. Bis heute ist die Lage am Steiger und an der Cyriaksburg mit ihren prächtigen Wohnhäusern und Villen weitgehend den gutbetuchten Erfurtern vorbehalten. Die rasant anwachsende Arbeiterschaft wurde dagegen mehr schlecht als recht in den neuen Vorstädten des Nordens mit ihren „Mietskasernen“ untergebracht. Hieraus erwuchsen soziale Spannungen, die von der Arbeiterpartei SPD aufgegriffen wurden.  


Der Bedrohung durch die „rote Umsturzpartei“ versuchten die bürgerlichen Honoratioren der Kaiserzeit mit sozialen Projekten entgegen zu wirken. 1904 schrieb der Historiker Wilhelm Horn, dass „auch angesehene Männer innerhalb der Gemeindeverwaltung den Ruf nach sozialen Reformen erhoben, um die sozialen Gegensätze überbrücken zu helfen“. Zu diesen Männern gehörte Baumeister Ferdinand Schmidt. Dem erfahrenen Unternehmer war wohl aus langer Erfahrung deutlich geworden, dass man frei nach Heinrich Zille einen Menschen nicht nur mit einer Axt, sondern auch mit einer Wohnung erschlagen könne. Als 1. Vorsitzender des 1878 gegründeten `Erfurter Spar- und BauvereinsA hatte er Baupläne entworfen und über viele Jahre hinweg Bauprozesse geleitet. Schmidt setzte seine Autorität als Stadtrat für die Vorhaben des Vereins ein. Nach dem Ankauf von Baugrundstücken unterhalb der Gaststätte „Auenkeller“ entstanden als mustergültiges Projekt bis 1911 auf dem Andreasfeld innerhalb von 14 Jahren 44 Häuser mit 326 Wohnungen für 2000 Vereinsmitglieder. Alle Wohnungen wurden gemäß dem Reformgedanken der Zeit hygienisch, praktisch und geräumig, hell und luftig angelegt sowie mit Balkons versehen. Dazu entstanden in den Höfen Brause- und Wannenbäder, eine Genossenschaftsgaststätte, Kinderbewahranstalt, Bäckerei, Klempnerei, ein Materialwarenladen und Pachtgärten.  
Der Bedrohung durch die „rote Umsturzpartei“ versuchten die bürgerlichen Honoratioren der Kaiserzeit mit sozialen Projekten entgegen zu wirken. 1904 schrieb der Historiker Wilhelm Horn, dass „auch angesehene Männer innerhalb der Gemeindeverwaltung den Ruf nach sozialen Reformen erhoben, um die sozialen Gegensätze überbrücken zu helfen“. Zu diesen Männern gehörte Baumeister Ferdinand Schmidt. Dem erfahrenen Unternehmer war wohl aus langer Erfahrung deutlich geworden, dass man frei nach Heinrich Zille einen Menschen nicht nur mit einer Axt, sondern auch mit einer Wohnung erschlagen könne. Als 1. Vorsitzender des 1878 gegründeten "Erfurter Spar- und Bauvereins" hatte er Baupläne entworfen und über viele Jahre hinweg Bauprozesse geleitet. Schmidt setzte seine Autorität als Stadtrat für die Vorhaben des Vereins ein. Nach dem Ankauf von Baugrundstücken unterhalb der Gaststätte „Auenkeller“ entstanden als mustergültiges Projekt bis 1911 auf dem Andreasfeld innerhalb von 14 Jahren 44 Häuser mit 326 Wohnungen für 2000 Vereinsmitglieder. Alle Wohnungen wurden gemäß dem Reformgedanken der Zeit hygienisch, praktisch und geräumig, hell und luftig angelegt sowie mit Balkons versehen. Dazu entstanden in den Höfen Brause- und Wannenbäder, eine Genossenschaftsgaststätte, Kinderbewahranstalt, Bäckerei, Klempnerei, ein Materialwarenladen und Pachtgärten.  


Die heute wieder in altem Glanz erstrahlenden Gebäude in der Karl-, Adalbert- und Auenstraße zeugen von dem honorigen Versuch, im nördlichen „Blechbüchsenviertel“ auch für Arbeiter und Kleinbürger ein menschenwürdiges Zuhause zu schaffen. Daran erinnert auch eine bronzene Gedenktafel für Ferdinand Schmidt am Fuße des Uhrturmes an der Ecke Adalbertstraße und Karlstraße. Die dankbaren Mitglieder des Spar- und Bauvereins hatten diese Tafel 1911 ihrem Ersten Vorsitzenden gewidmet. Sie wurde mit einem von Bildhauer Ewald Hahn gestalteten Porträtmedaillon versehen.  
Die heute wieder in altem Glanz erstrahlenden Gebäude in der Karl-, Adalbert- und Auenstraße zeugen von dem honorigen Versuch, im nördlichen „Blechbüchsenviertel“ auch für Arbeiter und Kleinbürger ein menschenwürdiges Zuhause zu schaffen. Daran erinnert auch eine bronzene Gedenktafel für Ferdinand Schmidt am Fuße des Uhrturmes an der Ecke Adalbertstraße und Karlstraße. Die dankbaren Mitglieder des Spar- und Bauvereins hatten diese Tafel 1911 ihrem Ersten Vorsitzenden gewidmet. Sie wurde mit einem von Bildhauer Ewald Hahn gestalteten Porträtmedaillon versehen.  

Version vom 14. Januar 2012, 09:29 Uhr

Gedenktafel für Ferdinand Schmidt

Beitrag aus der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2012)


Mitbegründer des sozialen Wohnungsbaus

DENKMALE IN ERFURT (28): Ferdinand Schmidt engagierte sich als Bauunternehmer für bessere Wohnverhältnisse im nördlichen „Blechbüchsenviertel“.


Schmidtnetz.jpg

Der Aufstieg Erfurts zur modernen Industriegroßstadt seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts war begleitet von großen sozialen Gegensätzen. Die wohlhabenden Bürger der Stadt siedelten sich jetzt vorzugweise im Süden und Südwesten jenseits der fallenden Stadtmauern an. Bis heute ist die Lage am Steiger und an der Cyriaksburg mit ihren prächtigen Wohnhäusern und Villen weitgehend den gutbetuchten Erfurtern vorbehalten. Die rasant anwachsende Arbeiterschaft wurde dagegen mehr schlecht als recht in den neuen Vorstädten des Nordens mit ihren „Mietskasernen“ untergebracht. Hieraus erwuchsen soziale Spannungen, die von der Arbeiterpartei SPD aufgegriffen wurden.

Der Bedrohung durch die „rote Umsturzpartei“ versuchten die bürgerlichen Honoratioren der Kaiserzeit mit sozialen Projekten entgegen zu wirken. 1904 schrieb der Historiker Wilhelm Horn, dass „auch angesehene Männer innerhalb der Gemeindeverwaltung den Ruf nach sozialen Reformen erhoben, um die sozialen Gegensätze überbrücken zu helfen“. Zu diesen Männern gehörte Baumeister Ferdinand Schmidt. Dem erfahrenen Unternehmer war wohl aus langer Erfahrung deutlich geworden, dass man frei nach Heinrich Zille einen Menschen nicht nur mit einer Axt, sondern auch mit einer Wohnung erschlagen könne. Als 1. Vorsitzender des 1878 gegründeten "Erfurter Spar- und Bauvereins" hatte er Baupläne entworfen und über viele Jahre hinweg Bauprozesse geleitet. Schmidt setzte seine Autorität als Stadtrat für die Vorhaben des Vereins ein. Nach dem Ankauf von Baugrundstücken unterhalb der Gaststätte „Auenkeller“ entstanden als mustergültiges Projekt bis 1911 auf dem Andreasfeld innerhalb von 14 Jahren 44 Häuser mit 326 Wohnungen für 2000 Vereinsmitglieder. Alle Wohnungen wurden gemäß dem Reformgedanken der Zeit hygienisch, praktisch und geräumig, hell und luftig angelegt sowie mit Balkons versehen. Dazu entstanden in den Höfen Brause- und Wannenbäder, eine Genossenschaftsgaststätte, Kinderbewahranstalt, Bäckerei, Klempnerei, ein Materialwarenladen und Pachtgärten.

Die heute wieder in altem Glanz erstrahlenden Gebäude in der Karl-, Adalbert- und Auenstraße zeugen von dem honorigen Versuch, im nördlichen „Blechbüchsenviertel“ auch für Arbeiter und Kleinbürger ein menschenwürdiges Zuhause zu schaffen. Daran erinnert auch eine bronzene Gedenktafel für Ferdinand Schmidt am Fuße des Uhrturmes an der Ecke Adalbertstraße und Karlstraße. Die dankbaren Mitglieder des Spar- und Bauvereins hatten diese Tafel 1911 ihrem Ersten Vorsitzenden gewidmet. Sie wurde mit einem von Bildhauer Ewald Hahn gestalteten Porträtmedaillon versehen.


Siehe auch die Publikation zum Erfurter Bürgertum