Blumenstadt Erfurt - iga-Jubiläum: Unterschied zwischen den Versionen
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Die beiden Weltkriege und die Entwicklung in der DDR haben die einstige Weltgeltung des Erfurter Gartenbaus jedoch untergraben. Dennoch blieb er ein wichtiger Faktor des Wirtschaftslebens. Mit der 1961 eröffneten Internationalen Gartenbauausstellung konnte zudem an die großen Traditionen angeknüpft werden. Das 50. Jubiläum der iga ist deshalb Anlass für eine Publikation des Erfurter Geschichtsvereins, die weit in die Geschichte der Blumenstadt zurückgreift. Einen Schwerpunkt bildet natürlich die iga bzw. der heutige egapark. Entworfen vom renommierten Gartenarchitekten Reinhold Lingner, ist er heute das bedeutendste Gartendenkmal der 1960er Jahre in Deutschland und die meistbesuchte Tourismusattraktion Thüringens. Der Park steht nunmehr vor einer umfassenden Sanierung, an der die Erfurter lebhaften Anteil nehmen. | Die beiden Weltkriege und die Entwicklung in der DDR haben die einstige Weltgeltung des Erfurter Gartenbaus jedoch untergraben. Dennoch blieb er ein wichtiger Faktor des Wirtschaftslebens. Mit der 1961 eröffneten Internationalen Gartenbauausstellung konnte zudem an die großen Traditionen angeknüpft werden. Das 50. Jubiläum der iga ist deshalb Anlass für eine Publikation des Erfurter Geschichtsvereins, die weit in die Geschichte der Blumenstadt zurückgreift. Einen Schwerpunkt bildet natürlich die iga bzw. der heutige egapark. Entworfen vom renommierten Gartenarchitekten Reinhold Lingner, ist er heute das bedeutendste Gartendenkmal der 1960er Jahre in Deutschland und die meistbesuchte Tourismusattraktion Thüringens. Der Park steht nunmehr vor einer umfassenden Sanierung, an der die Erfurter lebhaften Anteil nehmen. | ||
'''Das blaue Gold''' | |||
Blumenstadt Erfurt (2): Erfurt war einst eine Waidhandelsstadt von europäischem Format | |||
Lange bevor der Gartenbau Erfurts Ruf als Blumenstadt begründete bestimmte das Blaufärbemittel Waid das wirtschaftliche Profil der Stadt. Dem „blauen Gold“ verdankte die thüringische Metropole wesentlich mit ihren Reichtum und ihre politische Macht. Vom 13. bis 17. Jahrhundert war Erfurt eine ausgesprochene Waidstadt mit europaweiten Handelsbeziehungen. | |||
Von Dr. Steffen Raßloff | |||
Auf dem Gelände der Internationalen Gartenbauausstellung iga, des heutigen egaparks, spiegelte sich seit ihrer Eröffnung 1961 auch die große Geschichte Erfurts als Waid- und Gartenbaustadt. Hierfür diente insbesondere das in der Cyriaksburg untergebrachte Gartenbaumuseum Erfurt, das heutige Deutsche Gartenbaumuseum. Das Waidmühlrad vor dem Museumsgebäude verweist bereits auf die Geschichte Erfurts als Waidstadt. Der einst international verbreitete Beiname Blumenstadt stammt zwar aus dem 19. Jahrhundert, aber die Erfurter Geschichte ist offenkundig seit langem eng mit Pflanzen und deren Verarbeitung verbunden. Im Mittelalter bildete das Blaufärbemittel Waid eine wichtige Grundlage für Wohlstand und Macht der autonomen thüringischen Metropole. Waren später Gemüse, Brunnenkresse und Blumensamen ihre Markenzeichen, so stand zuvor Waid im Bekanntheitsgrad ganz vorn. | |||
Erstmals wird Erfurt in dem am 5. Mai erscheinenden Buch des Geschichtsvereins zur „Blumenstadt Erfurt“ als Waidstadt von europäischer Dimension historisch-vergleichend beschrieben. Der Hamburger Historiker und Spezialist für den mittelalterlichen Handel mit Färbemitteln Prof. Dr. Stephan Selzer kann die alte These vom „blauen Gold“, das eine zentrale Rolle für die mittelalterliche Stadt gespielt habe, bei aller Differenzierung doch weitgehend bestätigen. Vom 13. bis 16. Jahrhundert gehörte Erfurt wie das zum Vergleich herangezogene südfranzösische Toulouse zu den wichtigsten Waidstädten Europas. Das Netz der Handelskontakte reichte über große Teile des Kontinents. „Waid war ein Produkt für den europäischen Markt“, so Selzer, der die Vertriebswege rekonstruiert und die Bedeutung des Waidhandels für Erfurt beschreibt. | |||
Sogar über den allgemeinen Niedergang des Waidhandels als frühes „Globalisierungsopfer“ durch die Einfuhr des indischen Indigostrauches hinaus erlebte Erfurt eine Spätblüte bis ins frühe 17. Jahrhundert. Davon zeugen prächtige Waidjunkerhäuser wie das Haus zum Stockfisch, das heutige Stadtmuseum in der Johannesstraße. Dieses hatte ab 1607 der reiche Waidhändler Paul Ziegler errichten lassen. Die großzügigen Räume und aufwändige Innenausstattung geben noch heute einen Eindruck vom Reichtum der Waidhändler, die auch politisch das Schicksal der Stadt wesentlich mit bestimmten. Mit dem voranschreitenden 17. Jahrhundert war allerdings die Zeit des Waidhandels endgültig vorbei. Im 18. Jahrhundert trat an seine Stelle der moderne Gartenbau, der ebenfalls eine große Bedeutung für Erfurt erlangen sollte. |
Version vom 26. Februar 2011, 11:35 Uhr
Blumenstadt Erfurt - iga-Jubiläum 2011
Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (veröffentl. 2011)
Blumenstadt Erfurt
Erfurts Geschichte ist seit Jahrhunderten eng mit Pflanzen und dem Gartenbau verbunden
Einst trug das Blaufärbemittel Waid zu Erfurts Wohlstand wesentlich bei. Im 18. Jahrhundert begann der Aufstieg des modernen Erwerbsgartenbaus, der Erfurt den Beinamen Blumenstadt eintrug. Um 1900 spielten seine Gartenbauunternehmen auf den Weltmarkt eine zentrale Rolle. Heute erinnert hieran besonders der egapark mit dem Deutschen Gartenbaumuseum. Eine Publikation des Erfurter Geschichtsvereins greift aus Anlass des 50. iga-Jubiläums die vielen Traditionen der Blumenstadt auf; vor der Präsentation am 5. Mai wird eine TA-Serie vorab einige Schlaglichter auf das Thema werfen.
Von Dr. Steffen Raßloff
Der einst weltweit verbreitete Name „Blumenstadt“ stammt zwar aus dem 19. Jahrhundert, doch reicht die enge Verbindung Erfurts mit Kulturpflanzen noch viel weiter zurück. Im Mittelalter bildete das Blaufärbemittel Waid eine wesentliche Grundlage für Wohlstand und Macht der thüringischen Metropole. Nicht zuletzt dank der Einnahmen aus dem europaweiten Waidhandel konnte sich die Stadt ihre Autonomie vom Mainzer Landesherren buchstäblich erkaufen. Allerdings beherrschte Waid die Erfurter Fluren keineswegs als Monokultur. Das Spektrum reichte vom Gartenbau bis hin zum Weinanbau. Martin Luther rühmte Erfurt gar als „Gärtner des Reiches“.
Als frühes Globalisierungsopfer erlag der Waidhandel im 17. Jahrhundert dem Indigo. Erfurt konnte hierauf jedoch mit einer Umprofilierung antworten, wie sie mehrfach in der Geschichte der Stadt gefragt war. Im 18. Jahrhundert wurde durch Christian Reichart der moderne Erwerbsgartenbau begründet und Erfurt zu einem Zentrum des Gartenbaus in Deutschland. Nicht ohne Grund hat die dankbare Gemeinde Reichart 1867 das erste Denkmal für einen Bürger gesetzt. Der rasante Aufstieg des Gartenbaus fand um 1900 seinen Höhepunkt. Die großen Erfurter Gartenbaudynastien - Haage, Benary, Schmidt, Heinemann, Chrestensen - erlangten Weltgeltung. Mit beeindruckenden Gartenbauausstellungen seit 1865 untermauerte man den Ruf. Der Beiname Blumenstadt wurde dabei zunehmend auch zum Imagefaktor im Fremdenverkehr.
Die beiden Weltkriege und die Entwicklung in der DDR haben die einstige Weltgeltung des Erfurter Gartenbaus jedoch untergraben. Dennoch blieb er ein wichtiger Faktor des Wirtschaftslebens. Mit der 1961 eröffneten Internationalen Gartenbauausstellung konnte zudem an die großen Traditionen angeknüpft werden. Das 50. Jubiläum der iga ist deshalb Anlass für eine Publikation des Erfurter Geschichtsvereins, die weit in die Geschichte der Blumenstadt zurückgreift. Einen Schwerpunkt bildet natürlich die iga bzw. der heutige egapark. Entworfen vom renommierten Gartenarchitekten Reinhold Lingner, ist er heute das bedeutendste Gartendenkmal der 1960er Jahre in Deutschland und die meistbesuchte Tourismusattraktion Thüringens. Der Park steht nunmehr vor einer umfassenden Sanierung, an der die Erfurter lebhaften Anteil nehmen.
Das blaue Gold
Blumenstadt Erfurt (2): Erfurt war einst eine Waidhandelsstadt von europäischem Format
Lange bevor der Gartenbau Erfurts Ruf als Blumenstadt begründete bestimmte das Blaufärbemittel Waid das wirtschaftliche Profil der Stadt. Dem „blauen Gold“ verdankte die thüringische Metropole wesentlich mit ihren Reichtum und ihre politische Macht. Vom 13. bis 17. Jahrhundert war Erfurt eine ausgesprochene Waidstadt mit europaweiten Handelsbeziehungen.
Von Dr. Steffen Raßloff
Auf dem Gelände der Internationalen Gartenbauausstellung iga, des heutigen egaparks, spiegelte sich seit ihrer Eröffnung 1961 auch die große Geschichte Erfurts als Waid- und Gartenbaustadt. Hierfür diente insbesondere das in der Cyriaksburg untergebrachte Gartenbaumuseum Erfurt, das heutige Deutsche Gartenbaumuseum. Das Waidmühlrad vor dem Museumsgebäude verweist bereits auf die Geschichte Erfurts als Waidstadt. Der einst international verbreitete Beiname Blumenstadt stammt zwar aus dem 19. Jahrhundert, aber die Erfurter Geschichte ist offenkundig seit langem eng mit Pflanzen und deren Verarbeitung verbunden. Im Mittelalter bildete das Blaufärbemittel Waid eine wichtige Grundlage für Wohlstand und Macht der autonomen thüringischen Metropole. Waren später Gemüse, Brunnenkresse und Blumensamen ihre Markenzeichen, so stand zuvor Waid im Bekanntheitsgrad ganz vorn.
Erstmals wird Erfurt in dem am 5. Mai erscheinenden Buch des Geschichtsvereins zur „Blumenstadt Erfurt“ als Waidstadt von europäischer Dimension historisch-vergleichend beschrieben. Der Hamburger Historiker und Spezialist für den mittelalterlichen Handel mit Färbemitteln Prof. Dr. Stephan Selzer kann die alte These vom „blauen Gold“, das eine zentrale Rolle für die mittelalterliche Stadt gespielt habe, bei aller Differenzierung doch weitgehend bestätigen. Vom 13. bis 16. Jahrhundert gehörte Erfurt wie das zum Vergleich herangezogene südfranzösische Toulouse zu den wichtigsten Waidstädten Europas. Das Netz der Handelskontakte reichte über große Teile des Kontinents. „Waid war ein Produkt für den europäischen Markt“, so Selzer, der die Vertriebswege rekonstruiert und die Bedeutung des Waidhandels für Erfurt beschreibt.
Sogar über den allgemeinen Niedergang des Waidhandels als frühes „Globalisierungsopfer“ durch die Einfuhr des indischen Indigostrauches hinaus erlebte Erfurt eine Spätblüte bis ins frühe 17. Jahrhundert. Davon zeugen prächtige Waidjunkerhäuser wie das Haus zum Stockfisch, das heutige Stadtmuseum in der Johannesstraße. Dieses hatte ab 1607 der reiche Waidhändler Paul Ziegler errichten lassen. Die großzügigen Räume und aufwändige Innenausstattung geben noch heute einen Eindruck vom Reichtum der Waidhändler, die auch politisch das Schicksal der Stadt wesentlich mit bestimmten. Mit dem voranschreitenden 17. Jahrhundert war allerdings die Zeit des Waidhandels endgültig vorbei. Im 18. Jahrhundert trat an seine Stelle der moderne Gartenbau, der ebenfalls eine große Bedeutung für Erfurt erlangen sollte.