Aufsflugsziele Bismarckturm: Unterschied zwischen den Versionen
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Später entsann man sich in der Stadt gern des historischen Aufenthaltes. Denn das Bürgertum hing dem zeittypischen Nationalismus des Kaiserreiches an, in dem der „Bismarck-Mythos“ im Mittelpunkt stand. Nach seinem Tode am 30. Juli 1898 brach sich eine beispiellose Verehrung des Altkanzlers Bahn. Es gab regelmäßige Festlichkeiten, eine Bismarckstraße (heute Löberwallgraben), eine Bismarck-Gemeinde und die Verleihung der Ehrenbürgerwürde 1895. Der Neubau des einstigen Wohnhauses am Anger 33 wurde 1904 mit einer Statue und dem Bismarck-Zitat verziert: Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt! | Später entsann man sich in der Stadt gern des historischen Aufenthaltes. Denn das Bürgertum hing dem zeittypischen Nationalismus des Kaiserreiches an, in dem der „Bismarck-Mythos“ im Mittelpunkt stand. Nach seinem Tode am 30. Juli 1898 brach sich eine beispiellose Verehrung des Altkanzlers Bahn. Es gab regelmäßige Festlichkeiten, eine Bismarckstraße (heute Löberwallgraben), eine Bismarck-Gemeinde und die Verleihung der Ehrenbürgerwürde 1895. Der Neubau des einstigen Wohnhauses am Anger 33 wurde 1904 mit einer Statue und dem Bismarck-Zitat verziert: Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt! |
Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 11:48 Uhr
Der Bismarckturm
Beitrag der Serie Historische Ausflugsziele der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (15.06.2007)
Historische Ausflugsziele um Erfurt (3): Der Bismarckturm
Der Steiger zog seit dem 19. Jahrhundert Bürger und Gäste der Stadt zur Entspannung im Grünen an. Zu jenen Gästen gehörte 1850 auch Otto von Bismarck. An den “Eisernen Kanzler” und seine Steigerausflüge erinnert der Bismarckturm, der seit 1901 samt Gastwirtschaft zu den beliebtesten Ausflugszielen gehört.
Viele Steiger-Spaziergänger von heute wandeln, oft unbewusst, auf den Spuren des “Eisernen Kanzlers” Otto von Bismarck. Der 35-jährige Abgeordnete des Erfurter Unionsparlamentes von 1850 schwärmte in den Briefen an seine Frau von jenem „kleinen Gebirge“, wo er Entspannung vom politischen Alltag fand. Dabei war es nicht nur die Bewegung an frischer Luft, die den späteren “Reichsgründer” von 1871 in den Steiger zog. Der für seinen gesunden Appetit bekannte preußische Junker schätzte auch die Ausflugsgastronomie. Ob Kaffee oder Brotzeit mit Felsenkellerbier - für Bismarck gehörte dies zu den besten Erinnerungen an Erfurt.
Später entsann man sich in der Stadt gern des historischen Aufenthaltes. Denn das Bürgertum hing dem zeittypischen Nationalismus des Kaiserreiches an, in dem der „Bismarck-Mythos“ im Mittelpunkt stand. Nach seinem Tode am 30. Juli 1898 brach sich eine beispiellose Verehrung des Altkanzlers Bahn. Es gab regelmäßige Festlichkeiten, eine Bismarckstraße (heute Löberwallgraben), eine Bismarck-Gemeinde und die Verleihung der Ehrenbürgerwürde 1895. Der Neubau des einstigen Wohnhauses am Anger 33 wurde 1904 mit einer Statue und dem Bismarck-Zitat verziert: Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt!
Monumentalster Ausdruck dieser Verehrung wurde der 1901 erbaute Bismarckturm im Steiger. Im März 1900 war die Gründung des „Bismarcksäulen-Vereins“ erfolgt. Ein Aufruf forderte zu Spenden auf: “Ein erhabener Gedanke hat in unserer Stadt die freudigste Aufnahme gefunden. In allen Gauen des Vaterlandes sollen auf ragender Höhe granitene Säulen zum Himmel streben, dem Gewaltigsten zum Gedächtnis, dem Größten aller Großen einer großen Zeit, Otto von Bismarck.” Der Aufruf hatte durchschlagenden Erfolg. Die 35.450 Mark Baukosten konnten rasch aufgebracht werden. Zu den Spendern gehörte Emil Büchel, der Betreiber des 1902 errichteten Ausflugslokals „Bismarckhöhe“. Das Geld war gut angelegt, entwickelte sich doch der begehbare Bismarckturm zum nationalen Wallfahrtsort und beliebten Ausflugsziel im Steiger. Die “Bismarckfeuer” am Geburtstag (1. April) und Todestag des Kanzlers (30. Juli) sowie am Vorabend des Sedantages (1. September) waren vielbesuchte Höhepunkte.
Der Bismarck-Kult erfuhr im Ersten Weltkrieg 1914/18 eine weitere Steigerung. Nach Niederlage und Versailler Friedensdiktat 1918/19 wurde Bismarck mehr denn je zum mythischen Hoffnungsträger, den sich auch die Nationalsozialisten zu Nutze machten. Nach 1945 verschwand der „Eiserne Kanzler“ dann weitgehend aus dem Stadtbild. Nur der Turm überlebte als „Friedensturm“ mit Glück und stark sanierungsbedürftig. Heute gehört das Gasthaus und Hotel “Am Bismarckturm” wieder zu den Fixpunkten für Steiger-Wanderer. Zugleich bemüht sich ein „Bismarckturm-Verein Erfurt 1900 e.V.“ um das benachbarte Monument. Seit 2001 ist der Turm wieder begehbar. Der Verein strebt auch danach, das Andenken an Bismarck ins Bewusstsein zurückzuholen. Mag dies bisweilen etwas zu euphorisch und unkritisch geschehen, spricht doch nichts gegen ein Erinnern an den großen Staatsmann und dessen Verbindungen zu Erfurt. Und wo könnte dies besser geschehen, als im Schatten des Eichenhaines am Bismarckturm?
Lesetipps:
Steffen Raßloff: Dem Gewaltigen zum Gedächtnis. Der Erfurter Bismarckturm. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 84 f.
Steffen Raßloff: Bismarck und Erfurt. Vom konservativen Unionsparlamentarier zur nationalen Symbolfigur. In: Greiling, Werner/Hans, Hans-Werner: Bismarck in Thüringen. Politik und Erinnerungskultur in kleinstaatlicher Perspektive. Weimar/Jena 2003. S. 115-133.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Bismarckturm, Bismarck und Erfurt, Hotel & Restaurant Bismarckturm