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[[Datei:Tivoli1.jpg|300px|right]][[Datei:Tivoli2.jpg|300px|right]]Erfurt stieg seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer prosperierenden Industriestadt auf. 1847 an das Eisenbahnnetz angebunden, wuchs die einstige Mittelaltermetropole nun rasant zur Großstadt. Von der Reichsgründung 1871 bis zum Jahre 1906 erhöhte sich die Einwohnerzahl von 43.000 auf 100.000. Großen Anteil hieran hatten die Arbeiter der aus dem Boden schießenden Industriebetriebe, die überwiegend im Norden und Osten der Stadt wohnten. Mit der Entfestigung Erfurts 1873 hatte sich die Stadt auch rasch über ihren mittelalterlichen Stadtkern hinaus ausgedehnt. Die Arbeitervorstädte erreichten schließlich entlang der damaligen Magdeburger Straße und Poststraße den 1911 eingemeindeten Industrievorort Ilversgehofen mit dem Nordbahnhof.  
[[Datei:Tivoli1.jpg|310px|right]][[Datei:Tivoli2.jpg|310px|right]]Erfurt stieg seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer prosperierenden Industriestadt auf. 1847 an das Eisenbahnnetz angebunden, wuchs die einstige Mittelaltermetropole nun rasant zur Großstadt. Von der Reichsgründung 1871 bis zum Jahre 1906 erhöhte sich die Einwohnerzahl von 43.000 auf 100.000. Großen Anteil hieran hatten die Arbeiter der aus dem Boden schießenden Industriebetriebe, die überwiegend im Norden und Osten der Stadt wohnten. Mit der Entfestigung Erfurts 1873 hatte sich die Stadt auch rasch über ihren mittelalterlichen Stadtkern hinaus ausgedehnt. Die Arbeitervorstädte erreichten schließlich entlang der damaligen Magdeburger Straße und Poststraße den 1911 eingemeindeten Industrievorort Ilversgehofen mit dem Nordbahnhof.  


Zur politischen Vertretung der Arbeiterschaft wurde die SPD, von der bürgerlichen Führungsschicht als „rote Umsturzpartei“ verfemt. Besonders im Norden und Osten entstand ein fest verankertes Arbeitermilieu, das von Sozialdemokratie und Gewerkschaften geführt wurde. Es gab diverse Vereine, Feste und Traditionen, wie den seit 1890 begangenen 1. Mai. Mit der “Thüringer Tribüne” konnte man seit 1889 eine SPD-Zeitung lesen und in der parteinahen Konsumgenossenschaft einkaufen. Herausgeber der Tribüne war der 1880 während des Bismarck’schen Sozialistengesetzes aus Berlin ausgewiesene Schneidermeister Paul Reißhaus, die große Vaterfigur der Erfurter SPD.
Zur politischen Vertretung der Arbeiterschaft wurde die SPD, von der bürgerlichen Führungsschicht als „rote Umsturzpartei“ verfemt. Besonders im Norden und Osten entstand ein fest verankertes Arbeitermilieu, das von Sozialdemokratie und Gewerkschaften geführt wurde. Es gab diverse Vereine, Feste und Traditionen, wie den seit 1890 begangenen 1. Mai. Mit der “Thüringer Tribüne” konnte man seit 1889 eine SPD-Zeitung lesen und in der parteinahen Konsumgenossenschaft einkaufen. Herausgeber der Tribüne war der 1880 während des Bismarck’schen Sozialistengesetzes aus Berlin ausgewiesene Schneidermeister Paul Reißhaus, die große Vaterfigur der Erfurter SPD.

Version vom 31. Mai 2021, 08:20 Uhr

Volkshaus Tivoli

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (02.11.2013)


Herzstück des Arbeitermilieus

DENKMALE IN ERFURT (122): Das Tivoli in der Magdeburger Allee bot einst SPD, Gewerkschaften und Arbeitervereinen eine Heimstatt.


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Erfurt stieg seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer prosperierenden Industriestadt auf. 1847 an das Eisenbahnnetz angebunden, wuchs die einstige Mittelaltermetropole nun rasant zur Großstadt. Von der Reichsgründung 1871 bis zum Jahre 1906 erhöhte sich die Einwohnerzahl von 43.000 auf 100.000. Großen Anteil hieran hatten die Arbeiter der aus dem Boden schießenden Industriebetriebe, die überwiegend im Norden und Osten der Stadt wohnten. Mit der Entfestigung Erfurts 1873 hatte sich die Stadt auch rasch über ihren mittelalterlichen Stadtkern hinaus ausgedehnt. Die Arbeitervorstädte erreichten schließlich entlang der damaligen Magdeburger Straße und Poststraße den 1911 eingemeindeten Industrievorort Ilversgehofen mit dem Nordbahnhof.

Zur politischen Vertretung der Arbeiterschaft wurde die SPD, von der bürgerlichen Führungsschicht als „rote Umsturzpartei“ verfemt. Besonders im Norden und Osten entstand ein fest verankertes Arbeitermilieu, das von Sozialdemokratie und Gewerkschaften geführt wurde. Es gab diverse Vereine, Feste und Traditionen, wie den seit 1890 begangenen 1. Mai. Mit der “Thüringer Tribüne” konnte man seit 1889 eine SPD-Zeitung lesen und in der parteinahen Konsumgenossenschaft einkaufen. Herausgeber der Tribüne war der 1880 während des Bismarck’schen Sozialistengesetzes aus Berlin ausgewiesene Schneidermeister Paul Reißhaus, die große Vaterfigur der Erfurter SPD.

Das Herzstück dieses Arbeitermilieus war das „Tivoli“. Es befand sich ideal am Schnittpunkt zwischen Ost- und Nordvorstadt am Beginn der heutigen Magdeburger Allee. Nach langer unsteter Wanderschaft hatte die SPD hier 1902 ein dauerhaftes Vereinslokal gefunden. Die Gaststätte mit großem Saal bot den Rahmen für Veranstaltungen, im Haus wurden SPD-nahe Vereine und die Volksbibliothek untergebracht. Schon seit 1897 hatten die Freien Gewerkschaften einen Teil des Hauses gepachtet. Schließlich war hier auch eine der drei Verkaufsstellen des „Konsum“ ansässig.

Zu DDR-Zeiten diente das „Tivoli“ dann u.a. als Klubhaus des Schuhkombinates „Paul Schäfer“. Am heutigen Bürogebäude, seiner einstigen schmuckvollen Stuckverzierungen entkleidet, erinnert allerdings nur noch der Schriftzug TIVOLI an die Geschichte des Hauses. Andererseits haben sich auch die Straßennamen rund um das Grundstück nach 1945 verändert. Statt preußischer Generäle sind sie nunmehr Vertretern der Arbeiterbewegung gewidmet. Das Tivoli grenzt im Norden an die Bebelstraße, benannt nach dem SPD-Vorsitzenden und hoch verehrten „Arbeiterkaiser“ August Bebel. (Fotos: Stadtarchiv Erfurt, Alexander Raßloff)


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt und die SPD, Paul Reißhaus