Augusterlebnis 1914: Unterschied zwischen den Versionen
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Die nationale Aufbruchsstimmung erfasste also trotz gewisser Unterschiede Bürger und Arbeiter. Zudem hofften viele Soldaten, „dass man Weihnachten siegreich zurück sein werde“. So prägten sich laut „Anzeiger“ „jene herzerhebenden Tage des Truppenausmarsches“ ein, „wo unsere Musketiere, unsere Reiter, unsere Kanoniere blumengeschmückt auszogen, umringt vom patriotischen Jubel Tausender“. Aber weder Front noch Heimat waren auf den neuen blutigen Massenkrieg wirklich vorbereitet. Er überstieg alle Erwartungen an Dauer und Opfern. Die Erfurter Regimenter kämpften auf den großen Kriegsschauplätzen in Ost und West, die offizielle Statistik zählte am Ende 3579 Gefallene. Nach vier Jahren härtester Entbehrungen mit Hunger und Krankheit auch an der „Heimatfront“ brach das Kaiserreich in der Novemberrevolution 1918 zusammen. | Die nationale Aufbruchsstimmung erfasste also trotz gewisser Unterschiede Bürger und Arbeiter. Zudem hofften viele Soldaten, „dass man Weihnachten siegreich zurück sein werde“. So prägten sich laut „Anzeiger“ „jene herzerhebenden Tage des Truppenausmarsches“ ein, „wo unsere Musketiere, unsere Reiter, unsere Kanoniere blumengeschmückt auszogen, umringt vom patriotischen Jubel Tausender“. Aber weder Front noch Heimat waren auf den neuen blutigen Massenkrieg wirklich vorbereitet. Er überstieg alle Erwartungen an Dauer und Opfern. Die Erfurter Regimenter kämpften auf den großen Kriegsschauplätzen in Ost und West, die offizielle Statistik zählte am Ende 3579 Gefallene. Nach vier Jahren härtester Entbehrungen mit Hunger und Krankheit auch an der „Heimatfront“ brach das Kaiserreich in der Novemberrevolution 1918 zusammen. | ||
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Version vom 3. August 2014, 06:56 Uhr
Das "Augusterlebnis" 1914 in Erfurt
Die nationale Aufbruchsstimmung des Ersten Weltkriegs erfasste in Erfurt alle Bevölkerungsteile – wenn auch in unterschiedlichem Maße.
Anfang August 1914 schwappte eine Welle der nationalen Begeisterung über Europa. Sie galt dem Beginn eines Konfliktes, den man später den Ersten Weltkrieg nennen sollte. Ausgehend vom Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo am 28. Juni 1914 kam ein verhängnisvoller Prozess in Gang, der in die Kriegserklärungen der Großmächte mündete. Die Verantwortung hierfür wird von Historikern noch immer diskutiert. Einig ist man sich, dass der Erste Weltkrieg als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ den Auftakt für ein Zeitalter politischer Gewalt mit einem noch verheerenden Weltkrieg bildete.
Hiervon ahnte im Sommer 1914 noch kaum jemand etwas. Auch in Erfurt brach sich die Euphorie des Kriegsbeginns Bahn. Die Presse, besonders der „Erfurter Allgemeine Anzeiger“, überschlug sich in Treuebekenntnissen zu Kaiser und Vaterland. Auf den Straßen gab es Aufläufe, in Gaststätten steigerte sich die Siegeszuversicht mit jedem Glas Bier. Zahlreiche Freiwillige meldeten sich beim Infanterieregiment Nr. 71, Feldartillerie-Regiment Nr. 19 und Jägerregiment Nr. 6. Typisch war die Meldung der Oberprimaner des Gymnasiums in der Schillerstraße. Der Nachwuchs der bürgerlichen Elite war im nationalen Geiste erzogen worden. Frei nach dem römischen Dichter Horaz hatte man ihnen eingeimpft, dass es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben. (Foto: Stadtarchiv Erfurt)
Neben die patriotische Haltung des Bürgertums trat die Bereitschaft zur Landesverteidigung durch die linke Arbeiterschaft. Dies war keineswegs selbstverständlich, hatte man doch stets die internationale Solidarität beschworen. Von entscheidender Bedeutung war die Volksversammlung am Abend des 30. Juli im Volkshaus „Tivoli“ in der Magdeburger Allee, bei der über 3000 Personen den Rednern gebannt lauschten. Der Erfurter SPD-Reichstagabgeordnete Heinrich Schulz beteuerte zwar noch einmal sein Bekenntnis zum Frieden, doch er stellte auch klar: „Jeder Sozialdemokrat wird im bevorstehenden Kriege seine Pflicht tun müssen.“ Dies erklärt sich nicht zuletzt durch die Mobilmachung des zaristischen Russlands, das als Hort autoritärer Rückschrittlichkeit galt.
Dennoch muss man das vielzitierte „Augusterlebnis“ deutlich differenzieren. Ein Artikel der Erfurter SPD-Zeitung „Tribüne“ vom 28. Juli schildert die Stimmung durchaus kritisch: „Ganz schlimm ging es in den bürgerlichen Lokalen und Cafés der inneren Stadt zu. Hier herrschte eine Fülle, dass kaum ein Apfel zur Erde fallen konnte. Der Blutrausch gewisser ‚patriotischer‘ Elemente wurde durch den Alkoholrausch bis zur Siedehitze aufgestachelt; patriotische Jünglinge sangen – nein, brüllten die Nationalhymne ‚Deutschland, Deutschland über alles‘. Sicherlich die Mehrzahl dieser Radaupatrioten wusste nicht, weshalb sie sich so ‚begeisterten‘, es war der Reflex der Kriegshetzereien der bürgerlichen Presse.“
Die nationale Aufbruchsstimmung erfasste also trotz gewisser Unterschiede Bürger und Arbeiter. Zudem hofften viele Soldaten, „dass man Weihnachten siegreich zurück sein werde“. So prägten sich laut „Anzeiger“ „jene herzerhebenden Tage des Truppenausmarsches“ ein, „wo unsere Musketiere, unsere Reiter, unsere Kanoniere blumengeschmückt auszogen, umringt vom patriotischen Jubel Tausender“. Aber weder Front noch Heimat waren auf den neuen blutigen Massenkrieg wirklich vorbereitet. Er überstieg alle Erwartungen an Dauer und Opfern. Die Erfurter Regimenter kämpften auf den großen Kriegsschauplätzen in Ost und West, die offizielle Statistik zählte am Ende 3579 Gefallene. Nach vier Jahren härtester Entbehrungen mit Hunger und Krankheit auch an der „Heimatfront“ brach das Kaiserreich in der Novemberrevolution 1918 zusammen.
(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 02.08.2014)
Siehe auch: Erfurt im Ersten Weltkrieg, Geschichte der Stadt Erfurt