Creuzburg Kossenhaschen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 5. Juli 2013, 11:25 Uhr

Creuzburg und Georg Kossenhaschen

Der Name Georg Kossenhaschen ist untrennbar mit einem Mythos der deutschen Hotelgeschichte verbunden, dem Erfurter Hof. Jenes Hotel ist heute in erster Linie als Veranstaltungsstätte des Erfurter Gipfeltreffens von 1970 bekannt. Erstmals trafen sich dort am 19. März 1970 mit Willy Brandt und Willi Stoph die Spitzenvertreter von Bundesrepublik und DDR. Der „Erfurter Hof“ hat aber auch jenseits dieses historischen Schlüsselereignisses Geschichte geschrieben. Er konnte sich vor 1945 mit den großen Hotels Deutschlands messen und zählte auch als DDR-Interhotel zu den besten Adressen. Seit 2007 fungiert das Gebäude als Geschäftshaus.

Begründet wurde der Ruf des 1905 eingeweihten Hauses durch den Spitzen-Hotelier Georg Kossenhaschen (1868-1931). Er übernahm den Erfurter Hof kurz nach seiner Eröffnung und verschaffte ihm rasch internationale Reputation. 1914 bis 1916 ließ er sein Hotel durch den Anbau des „Hauses Kossenhaschen“ erweitern, den der befreundete Architekt Arthur Hügel leitete. Kossenhaschen verband unternehmerischen Erfolg mit bürgerlicher Gemeinnützigkeit. Besonders anlässlich seines 60. Geburtstages 1928, zu dem Honoratioren weit über Erfurt hinaus als Gäste erscheinen, erwies sich der Kommerzienrat als generöser Stifter.

Literarischen Nachruhm verdankt der umtriebige Hotellier allerdings in erster Linie seinem „falschen Prinzen“. Dieser sorgte für eine der spektakulärsten Hochstapeleien der jüngeren deutschen Geschichte, nur zu vergleichen mit dem legendären „Hauptmann von Köpenick“. 1926 beehrte seine Königliche Hoheit Prinz Wilhelm von Preußen den „Erfurter Hof“ mit seiner Anwesenheit. Allerdings stellte sich bald heraus, dass es sich tatsächlich um den “falschen Prinzen” Harry Domela handelte, einen arbeitslosen Baltikumdeutschen. Die Berichterstattung machte Domela schlagartig zum Medienstar, seine Erinnerungen „Der falsche Prinz“ (1927) wurden zum Bestseller. Die Reaktionen waren allerdings gespalten. Kurt Tucholsky galt die Geschichte von „Harry dem Ersten“ als „Kulturdokument ersten Ranges“. Für andere ist Domela ein übler Verbrecher. Mitte der 1920er Jahre hofft noch so mancher Bürger, dass die Hohenzollern Deutschland aus den Wirren der ungeliebten Weimarer Republik führen mögen.

Die Verbindung zwischen dem renommierten Hotelier Kossenhaschen, dem „falschen Prinzen“ Domela und der Creuzburg wird 1921 hergestellt. Als er seine zweite Frau Marie-Luise Bieringer heiratet, erwirbt Kossenhaschen das Schloss Creuzburg als Familiensitz. Es wird ihm in der Rolle des großzügigen Gastgebers und Mäzens zum liebsten Aufenthalt und bleibt bis Kriegsende 1945 im Familienbesitz. Georg Kossenhaschen macht Burg und Stadt aber auch zum Ziel seiner gemeinnützigen Bestrebungen. Er richtet auf der Creuzburg ein Ferienhaus für seine Angestellten mit kostenloser Aufnahme und Verpflegung sowie ein kleines Heim für hilfsbedürftige Schriftsteller ein. Zugleich stiftet Kossenhaschen eine Volksbibliothek für die Stadt, veranstaltet großzügige Kinderfeste und Seniorenabende. Der erwähnte Geldsegen anlässlich seines 60. Geburtstages 1928 war natürlich auch an Creuzburg nicht vorbei gegangen, 2.000 Mark gingen an die Georg Kossenhaschen-Stiftung der Stadt Creuzburg.

Nicht zuletzt sein unermüdliches Engagement für die von seinem Architekten Arthur Hügel wiederhergestellte Burganlage samt persönlicher Parkgestaltung verschaffte ihm schließlich die Ehrenbürgerschaft der Stadt. Hügel war es auch, der für Kossenhaschen nach dessen Tode 1931 ein freilich nie fertiggestelltes Mausoleum nahe Creuzburg begann. Georg Kossenhaschen kann also mit Fug und Recht als eine wichtige Persönlichkeit der Creuzburger Stadt- und Burggeschichte eingestuft werden, auch wenn er sicher nicht die historische Bedeutung wie Bonifatius, Elisabeth von Thüringen, Landgraf Herrmann oder Michael Praetorius besitzt.

Kossenhaschen, oder genauer gesagt sein „falscher Prinz“, war es auch, der der Creuzburg zu zumindest vorübergehender weltweiter Bekanntheit verholfen hat. Denn Harry Domela beschreibt in seinen Erinnerungen einen Besuch auf der Creuzburg, der interessante Einblicke in das damalige Burgleben bietet. Man kann den selbsternannten Prinzen so mit einem Augenzwinkern durchaus in die Ahnengalerie prominenter Gäste der Creuzburg von Luther und Melanchthon über Napoleon bis hin zu Goethe stellen.


Steffen Raßloff: Die Creuzburg und die Ära Georg Kossenhaschen - Der Burgherr und sein falscher Prinz. In: Breustedt, Susanne-Maria (Hg.): 800 Jahre Creuzburg. Eine Festschrift. Creuzburg 2013. S. 68 f.


Literaturtipps:

Harry Domela: Der falsche Prinz. Berlin 1927. (mit einem Kapitel zur Creuzburg)

Steffen Raßloff (Hg): [[Willy Brandt ans Fenster|"Willy Brandt ans Fenster!" Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des "Erfurter Hofes" (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Bd. 6). Jena 2007. (mit Kapiteln zu Kossenhaschen und dem "falschen Prinzen")