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Version vom 10. Januar 2013, 16:09 Uhr
Rebellion - Reformation - Revolution
Am 31. Oktober 2012 wurde das neue "Geschichtslabor" im Stadtmuseum Erfurt eröffnet
Raum schaffen für eigene kreative Aneignung! Das ist Programm im neuen "Geschichtslabor": Hier werden dem Besucher die konkreten stadthistorischen Bedingungen und Ereignisse der Reformation in Erfurt und die Bedeutung der Stadt als geistige Wiege Martin Luthers vor Augen geführt. Gleichzeitig ist es auch eine installative Konfrontation von Geschichte und Gegenwart, die den Besucher zur Auseinandersetzung mit Fakten und Überlieferungen auffordert, deren Fortwirken im eigenen Leben hinterfragt wird.
Betritt man den ersten Raum „Tolle Jahre?“ erlebt man die Reformation in Erfurt und ihre Protagonisten unmittelbar, gerahmt von raumgreifenden Installationen der Vergegenwärtigung des Themas (siehe Abb.). Anhand der Auseinandersetzungen, die in Erfurt zunächst auf der Kanzel stattgefunden haben, kann man in die Sprache der Zeit eintauchen, sich als Sprecher an einer modernen „Flüstertüte“ versuchen und zur Rebellion aufrufen. Zu den interessanten Exponaten gehört der mutmaßliche Schreibkasten Luthers.
Unmittelbar anschließend eröffnen die prachtvollen Insignien der Universität Erfurt (siehe Abb.) das Thema „Freie Künste?“. Der von Reformation und Humanismus begleitete Aufbruch in die Neuzeit wird von großen Entdeckungen und technischen Neuerungen charakterisiert. Das wirft die Frage nach der moralischen Verantwortung von Wissenschaft auf.
Der Bereich „Am Anfang war das Wort?“ thematisiert die Entwicklung der modernen Medien. Heute ist ein Leben ohne elektronische Medien kaum mehr vorstellbar. Sie bieten unzählige Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, der Kommunikation bis hin zum Eintauchen in spielerische Fantasiewelten, die oft Suchtpotential entfalten und gewaltverherrlichend sind. Können sie trotzdem noch gesellschaftliche Wandlungsprozesse beschleunigen?
Der Abschnitt „Macht und Liebe?“ stellt die Bedeutung der Konfessionen nach der verfassungsrechtlichen Trennung von Staat und Kirche in scheinbar säkularisierten Bereichen der Gesellschaft zur Diskussion. Wie hat die Reformation dieses Verhältnis gewandelt? Welche heutigen Grundhaltungen hat die Luthersche Obrigkeitslehre befördert? Wie geht die sogenannte Mehrheitsgesellschaft damit um?
Zum Abschluss widmet sich ein Raum der Fragestellung „Ich und das Andere?“. Luther beschimpfte ganz als Zeitgenosse Pfaffen, Türken, Sektierer, Hexen und Juden. Die Ablehnung von Fremden und Zuwanderern hatte schon immer viele Gesichter, von Vorurteilen bis fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten.
Zudem begegnet der Besucher Till Eulenspiegel. Als Sinnbild des Spotts spricht er mit historischen Persönlichkeiten: dem Obervierherrn Heinrich Kellner, dem Gelehrten, Büchersammler und Rektor Amplonius Rating de Berka, dem Reformator und Freund Luthers, Johannes Lang und einem Wucherer. Mit Scharfsinn und Witz entsteht so eine unterhaltsame Kommentarebene zur Ausstellung.
Realisiert wurde das Ausstellungsprojekt von einem Team aus den Kuratoren Gudrun Noll und Dr. Steffen Raßloff, Gestalter Carl Ulrich Spannaus und Museumsdirektor Hardy Eidam (letzte Abb., Foto: Thüringer Allgemeine), unterstützt von einem Kuratorium unter Universitäts-Präsident Prof. Dr. Kai Brodersen.
(Hardy Eidam, Gudrun Noll, Dr. Steffen Raßloff)