Bismarck: Unterschied zwischen den Versionen

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= Otto Fürst von Bismarck =
= Bismarck und Erfurt =


'''Politiker und Staatsmann'''


geb. am 01.04.1815 in Schönhausen/Altmark, gest. am 30.07.1898 in Friedrichsruh im Sachsenwald
'''Bismarck nahm 1850 am Erfurter Unionsparlament teil, wo er sich im Augustinerkloster die "diplomatischen Sporen" verdiente.'''


seit 1871 Fürst von Bismarck, seit 1890 Herzog von Lauenburg, preußisch-deutscher Staatsmann und erster Kanzler des Deutschen Reiches (1871-1890)


Siehe auch die Seite zum '''[[Bismarckturm Erfurt|Erfurter Bismarckturm]]''' und den historischen Verbindungen Bisamrcks zu Erfurt
[[Datei:BismarckturmErfurt.jpg|310px|right]]Der legendäre "eiserne Kanzler" und "Reichsgründer" Otto von Bismarck (1815-1898) ist biographisch auch mit '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]''' verknüpft. Eine der Stationen auf dem Weg des jungen preußischen Landadeligen ins Zentrum der Macht liegt hier in der damals '''[[Preussen Erfurt|preußischen Stadt]]'''. Der konservative Nachwuchspolitiker hatte in der Revolution 1848/49 erstmals von sich reden gemacht. Im März 1850 schickte man ihn daraufhin als Abgeordneten zum '''[[Erfurter Unionsparlament 1850|Erfurter Unionsparlament]]'''. Dieses in der Augustinerkirche tagende Parlament sollte nach der gescheiterten Revolution die Verfassung für einen preußisch-kleindeutschen Nationalstaat ausarbeiten. Gemäßigte Liberale und der preußische König Friedrich Wilhelm IV. hatten sich auf diesen Kompromiss geeinigt.


Das Vorhaben scheiterte schnell, wobei Bismarck von vornherein sein Desinteresse an der Parlamentsarbeit deutlich zu erkennen gab. Lieber spazierte er durch den '''[[Ausflugsziele Steiger|Steiger]]''' oder genoss deftige Erfurter Speisen und Felsenkellerbier, wovon er noch in seinen Erinnerungen Jahrzehnte später schwärmte. Immerhin sprach er auch davon, sich in Erfurt seine "diplomatischen Sporen verdient" zu haben.


Der Sohn eines ostelbischen Adligen studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und Berlin, war anschließend, ab 1836, Gerichtsreferendar in Aachen und übernahm 1839 die Verwaltung der väterlichen Güter in Pommern. 1847 wurde der konservative Bismarck Mitglied des Vereinigten Preußischen Landtages. Die Revolution von 1848, die er mit Gewalt unterdrückt sehen wollte, bestärkte ihn in seiner monarchistischen und konservativen, die dominierende Stellung des Land besitzenden preußischen Adels verteidigenden Haltung.
Später erinnerte man in Erfurt neben dem '''[[Bismarckturm Erfurt|Bismarckturm]]''' (1901) mit dem '''[[Bismarckdenkmal Anger Erfurt|Bismarckdenkmal]]''' (1904) am Anger, wo Bismarck 1850 gewohnt hatte, an diese historische Verbindung. Es gab eine Bismarckstraße und der Kanzler wurde zum Ehrenbürger berufen. 1907 errichtete man am Ausflugsziel Riechheimer Berg ein weiteres '''[[Bismarckdenkmal_Riechheimer|Bismarckdenkmal]]'''. Nach nationalistischer Instrumentalisierung besonders im Dritten Reich und weitgehender Verdrängung nach 1945 wird heute wieder an die Verbindungen Erfurts zu Bismarck erinnert. In diesem Sinne wurde 2004 auf Initiative des Bismarckturmvereins eine neue Bismarckstatue von Christian Paschold am "Bismarckhaus" aufgestellt, nachdem die ursprüngliche Figur nach 1945 entfernt worden war.


Nach der Revolution von 1848 wurde er Abgeordneter im Erfurter Parlament 1850, führendes Mitglied der Konservativen Partei und Mitbegründer und Mitarbeiter der konservativen Kreuzzeitung. Am 20. März 1850 begann die Tagung des Unionsparlaments der nord- und mitteldeutschen Staaten in Erfurt, um über den preußischen Verfassungsentwurf zu beraten. Tagungsstätte war die Kirche des Augustinerklosters. Unter den Abgeordneten sind Joseph Maria von Radowitz, Bismarck]], Graf Brandenburg, Manteuffel, v. Gagern, Simson, Dahlmann und Häusser. Bismarck wohnte in dieser Zeit (das Parlament tagte bis zum 29. April) im Haus zum Tannenberg und Grünen Löwen am Erfurter Anger 33.
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


Im Frankfurter Bundestag, dem Bismarck seit 1851 als preußischer Gesandter angehörte, trat er für die Gleichberechtigung Preußens mit Österreich, der Präsidialmacht im Deutschen Bund, ein. 1859 ging Bismarck als preußischer Botschafter nach Russland und im Frühjahr 1862 nach Frankreich.


1862 war in Preußen die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Parlament über eine Heeresreform zu einem scheinbar unlösbaren Konflikt geworden. Das von liberalen Kräften dominierte Abgeordnetenhaus hatte die Heeresvorlage der Regierung u.a. wegen der dreijährigen Dienstpflicht abgelehnt; weder König noch Abgeordnetenhaus waren zu einem Kompromiss bereit. In dieser Pattsituation berief König Wilhelm I. am 23. September 1862 Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten (am 8. Oktober 1862 außerdem zum Außenminister).
'''Lesetipps:'''


Bismarck beendete den Heereskonflikt im Sinn der Krone, beschwor damit allerdings gleichzeitig einen Verfassungskonflikt herauf. Er löste das Abgeordnetenhaus auf, das den Militärhaushalt abgelehnt hatte, und regierte, gestützt auf das Herrenhaus und die "Lückentheorie", ohne vom Abgeordnetenhaus gebilligten Etat weiter. Seine nicht verfassungskonforme Politik hatte Bismarck nach seinem Amtsantritt mit seiner "Blut- und-Eisen-Rede" gerechtfertigt, der zufolge sich die großen Probleme der Zeit (d.h. die deutsche Einigung) nicht durch Reden und Mehrheitsentscheidungen lösen ließen, sondern nur durch "Blut und Eisen". Folgerichtig baute er das preußische Heer aus, ebenfalls ohne die Zustimmung des Parlaments.
Steffen Raßloff: '''Bismarck und Erfurt. Vom konservativen Unionsparlamentarier zur nationalen Symbolfigur.''' In: Werner Greiling/Hans-Werner Hahn (Hg.): Bismarck in Thüringen. Politik und Erinnerungskultur in kleinstaatlicher Perspektive. Weimar/Jena 2003. S. 115-133.


Mit seinem außenpolitischen Engagement gelang es Bismarck vorübergehend, von der Krise im Inneren abzulenken: Im Februar 1863 schloss er mit Russland die Alvenslebensche Konvention zur gegenseitigen militärischen Unterstützung (Anlass war der Januaraufstand in Polen). 1864 führte Preußen gemeinsam mit Österreich Krieg gegen Dänemark, das schließlich Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten musste.
Steffen Raßloff: '''Bismarcks diplomatische Sporen. Das Erfurter Unionsparlament 1850.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 72 f.


1866 eskalierte der preußisch-österreichische Dualismus, die Frage nach der Vorherrschaft im Deutschen Bund, die sich seit dem Deutsch-Dänischen Krieg deutlich zugespitzt hatte, im Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich. Nach seinem Sieg über Österreich erhielt Preußen Schleswig-Holstein, Lauenburg, Hannover und einige andere Gebiete; der Deutsche Bund wurde aufgelöst, Österreich war ausgeschaltet worden, und Preußen hatte die Vorherrschaft in Deutschland erlangt. 1867 konstituierte sich unter preußischer Führung der Norddeutsche Bund, Bismarck wurde Bundeskanzler. Nach dem preußischen Sieg hatte Bismarck im September 1866 dem preußischen Abgeordnetenhaus die Indemnitätsvorlage unterbreitet, um nachträglich die formelle Bewilligung der Kosten für die Heeresreform und die beiden Kriege zu erhalten. Sie wurde vom Abgeordnetenhaus mit den Stimmen einiger Liberaler angenommen.
Steffen Raßloff: '''Dem Gewaltigen zum Gedächtnis. Der Erfurter Bismarckturm.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 84f.


1870 provozierte Bismarck mit der Emser Depesche die Kriegserklärung Frankreichs an Preußen und damit den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, der zur Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 in Versailles und zur Gründung des Deutschen Reiches führte. Bismarck hatte sein Ziel der Einigung Deutschlands unter preußischer Führung erreicht. Bismarck wurde erster Kanzler des Deutschen Reiches, als der er Innen- und Außenpolitik bestimmte, blieb außerdem weiterhin preußischer Ministerpräsident und wurde 1880 zudem preußischer Minister für Handel und Gewerbe.


Seine Hauptaufgabe als Reichskanzler sah Bismarck, der nach der Reichsverfassung der einzige allein dem Kaiser verantwortliche Minister war, in der inneren Konsolidierung des Reiches und in seiner Einbindung in ein internationales Bündnissystem. Innenpolitisch suchte er durch eine "Revolution von oben", den durch Liberalisierung, Industrialisierung und Bevölkerungsexplosion veränderten politischen Anforderungen zu entsprechen. Das antiliberale katholische Zentrum wollte er durch den Kulturkampf ausschalten, provozierte damit jedoch neue innenpolitische Konfrontationen sowie die Entfremdung der Katholiken vom neuen deutschen Staat, so dass er sich 1878 schließlich zum allmählichen Einlenken gegenüber der katholischen Kirche gezwungen sah.
Siehe auch: '''[[Bismarck und Thueringen|Bismarck und Thüringen]]'''
 
Mit dem Sozialistengesetz von 1878, das alle sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Vereinigungen verbot, sollten die "gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" unterbunden werden. Es beschwor jedoch eine neue innenpolitische Krise herauf und verfehlte zudem sein Ziel, die Sozialdemokratie zu zerschlagen: Nach dem Auslaufen des Gesetzes 1890 wurden die Sozialdemokraten stärkste Fraktion im Reichstag. Parallel zum Sozialistengesetz initiierte Bismarck weit reichende, vergleichsweise fortschrittliche Sozialgesetze, u. a. zur Kranken-, Unfall-, Renten- und Invaliditätsversicherung. Hintergedanke bei seinem Sozialgesetzgebungswerk war, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, sie von der Sozialdemokratie zu entfremden und diese somit weiter zu schwächen. Mit dem Schutzzoll von 1879 suchte Bismarck die deutsche Industrie besonders gegen die britische Konkurrenz zu schützen sowie die Großagrarier, nicht zuletzt die ostelbischen, gegen russische Einfuhren, womit er sich den liberalen Kräften weiter entfremdete und die Zusammenarbeit mit den Konservativen verfestigte.
 
Bismarcks Außenpolitik nach 1871 war defensiv und auf Frieden ausgerichtet. Er bezeichnete Deutschland als "saturiert", trotzdem engagierte er sich, zunächst allerdings zögernd, 1884/85 kurzzeitig für den Erwerb deutscher Kolonien in Afrika und im pazifischen Raum. Sein europäisches Bündnissystem zielte auf die Isolierung Frankreichs und die Verhinderung einer Koalition gegen Deutschland: 1873 schloss er das Dreikaiserabkommen mit Österreich und Russland; 1878 vermittelte Bismarck als ?ehrlicher Makler" auf dem Berliner Kongress, dessen Präsident er war, im Balkankonflikt zwischen Österreich-Ungarn, Großbritannien und Russland; 1879 schloss er den Zweibund mit Österreich, der 1882 durch den Beitritt Italiens zum Dreibund wurde, und 1887 vereinbarte er den Rückversicherungsvertrag mit Russland.
 
Kaiser Wilhelm II. entließ Bismarck am 20. März 1890 wegen unüberbrückbarer persönlicher und politischer Gegensätze aus seinem Amt; neuer Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident wurde Georg Leo von Caprivi, dessen Politik Bismarck scharf kritisierte. Nach seiner Entlassung zog sich Bismarck auf sein Landgut Friedrichsruh im Sachsenwald zurück, wo er im Juli 1898 starb.
 
== weiterführende Literatur ==
 
'''[[SteffenRassloff|Steffen Raßloff]]: [[Bismarckturm Erfurt|Denkmale in Erfurt. Der Bismarckturm im Steiger.]]''' In: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt 23 (2004). S. 17.
 
'''[[SteffenRassloff|Steffen Raßloff]]: Bismarck und Erfurt. Vom konservativen Unionsparlamentarier zur nationalen Symbolfigur.]]''' In: Greiling, Werner/Hahn, Hans-Werner (Hg.): Bismarck in Thüringen. Politik und Erinnerungskultur in kleinstaatlicher Perspektive. Weimar/Jena 2003. S. 115-133.

Aktuelle Version vom 6. Februar 2023, 16:14 Uhr

Bismarck und Erfurt

Bismarck nahm 1850 am Erfurter Unionsparlament teil, wo er sich im Augustinerkloster die "diplomatischen Sporen" verdiente.


BismarckturmErfurt.jpg

Der legendäre "eiserne Kanzler" und "Reichsgründer" Otto von Bismarck (1815-1898) ist biographisch auch mit Erfurt verknüpft. Eine der Stationen auf dem Weg des jungen preußischen Landadeligen ins Zentrum der Macht liegt hier in der damals preußischen Stadt. Der konservative Nachwuchspolitiker hatte in der Revolution 1848/49 erstmals von sich reden gemacht. Im März 1850 schickte man ihn daraufhin als Abgeordneten zum Erfurter Unionsparlament. Dieses in der Augustinerkirche tagende Parlament sollte nach der gescheiterten Revolution die Verfassung für einen preußisch-kleindeutschen Nationalstaat ausarbeiten. Gemäßigte Liberale und der preußische König Friedrich Wilhelm IV. hatten sich auf diesen Kompromiss geeinigt.

Das Vorhaben scheiterte schnell, wobei Bismarck von vornherein sein Desinteresse an der Parlamentsarbeit deutlich zu erkennen gab. Lieber spazierte er durch den Steiger oder genoss deftige Erfurter Speisen und Felsenkellerbier, wovon er noch in seinen Erinnerungen Jahrzehnte später schwärmte. Immerhin sprach er auch davon, sich in Erfurt seine "diplomatischen Sporen verdient" zu haben.

Später erinnerte man in Erfurt neben dem Bismarckturm (1901) mit dem Bismarckdenkmal (1904) am Anger, wo Bismarck 1850 gewohnt hatte, an diese historische Verbindung. Es gab eine Bismarckstraße und der Kanzler wurde zum Ehrenbürger berufen. 1907 errichtete man am Ausflugsziel Riechheimer Berg ein weiteres Bismarckdenkmal. Nach nationalistischer Instrumentalisierung besonders im Dritten Reich und weitgehender Verdrängung nach 1945 wird heute wieder an die Verbindungen Erfurts zu Bismarck erinnert. In diesem Sinne wurde 2004 auf Initiative des Bismarckturmvereins eine neue Bismarckstatue von Christian Paschold am "Bismarckhaus" aufgestellt, nachdem die ursprüngliche Figur nach 1945 entfernt worden war.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Bismarck und Erfurt. Vom konservativen Unionsparlamentarier zur nationalen Symbolfigur. In: Werner Greiling/Hans-Werner Hahn (Hg.): Bismarck in Thüringen. Politik und Erinnerungskultur in kleinstaatlicher Perspektive. Weimar/Jena 2003. S. 115-133.

Steffen Raßloff: Bismarcks diplomatische Sporen. Das Erfurter Unionsparlament 1850. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 72 f.

Steffen Raßloff: Dem Gewaltigen zum Gedächtnis. Der Erfurter Bismarckturm. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 84f.


Siehe auch: Bismarck und Thüringen