Erfurt Verkehrsgeschichte ICE Berlin München 2017: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Zwischen Via regia und ICE-Drehkreuz: Erfurts Geschichte war immer eng mit der Anbindung an die großen Verkehrswege verbunden.'''
 
 
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Nach der mittelalterlichen Blüte ging es im 19. Jahrhundert wieder bergauf. Erneut gab der Verkehr den Anstoß. Die Eisenbahn ist auch für Erfurt das Symbol des modernen Industriezeitalters. Aus der 30.000 Einwohner zählenden preußischen Festung wurde mit dem '''[[Hauptbahnhof Erfurt|Eisenbahn-Anschluss]]''' 1847 binnen sechs Jahrzehnten eine pulsierende Großstadt von 100.000 Einwohnern. Dabei war es im wahrsten Wortsinne wegweisend, dass Preußen die Verbindung von Halle Richtung Rheinprovinz entlang der Städteachse Naumburg-Erfurt-Eisenach verlegte. Engagierte Bürger um Stadtrat Karl Herrmann hatte sich hierfür eingesetzt. Ihnen war bewusst, dass die Eisenbahn „von unberechenbarer Wichtigkeit für Erfurts Zukunft ist“. Vor gut 70 Jahren, am 22. März 1847 erfolgte die Jungfernfahrt von Weimar nach Erfurt. „Nach Verlauf von nicht 1 Stunde kam der imposante Zug, begrüßt von zwei Musikchören und dem Jubel der Volksmenge auf dem hiesigen Bahnhof an“, so die begeisterte Presse. Die Züge mussten noch die Festungsanlagen passieren. Die Gleise befanden sich im Schatten des südlich angrenzenden hohen Walles am Ende der Auguststraße, die nun in Bahnhofstraße umbenannt wurde. Als Bahnhof fungierte die spätere Reichsbahndirektion mit dem markanten Uhrenturm (siehe Foto: Alexander Raßloff). Mit der Entfestigung der Stadt nach 1871 wurde der Bau eines neuen Hauptbahnhofes 1889 bis 1893 möglich. Als Besonderheit wies er das Inselgebäude auf halber Höhe des ehemaligen Festungswalles auf, wo die Gleise verlegt wurden.
 
Letzte Zäsur in der Erfurter Verkehrsgeschichte bildet die Weichenstellung Richtung europäisches ICE-Drehkreuz nach 1990. Diese Entscheidung könnte in ihrer Tragweite durchaus Parallelen zu den 1840er-Jahren aufweisen. Am 8. Dezember 2017 wurde die ICE-Neubaustrecke von Erfurt durch den Thüringer Wald nach Nürnberg feierlich eingeweiht. Die Fahrzeit mit dem neuen ICE-Sprinter von Berlin nach München beträgt nun nur noch 4 Stunden. Vom neuen ICE-Knoten Erfurt ist man in 1.45 h in Berlin und 2.15 h in München. Die Thüringer Landeshauptstadt erhofft sich hiervon nachhaltige Impulse für die Stadtentwicklung. Im Mittelpunkt steht eine moderne ICE-City mit Hotels, Tagungszentren und Geschäftshäusern. Der '''[[Hauptbahnhof Erfurt|Hauptbahnhof]]''' selbst wurde bereits 2001 bis 2008 für die Schnelltrasse fit gemacht. An Stelle des historischen Inselgebäudes entstand eine riesige Glashalle (siehe Abb.).
 
Auch das automobile Zeitalter ist nicht an Erfurt vorübergegangen. In den 1930er-Jahren entstanden als Prestigeprojekt des Dritten Reiches die ersten Autobahnen. Erfurt erhielt 1940 Anschluss an die wichtige Ost-West-Verbindung, die heutige A 4. Nach 1990 begannen mit den „Verkehrsprojekten deutsche Einheit“ weitere beispiellose Bauvorhaben. Erfurt konnte hiervon doppelt profitieren. Zum einen fiel die Entscheidung für die ICE-Trasse, zum anderen für die neue Nord-Süd-Autobahn A 71/73 durch den Thüringer Wald. Die A 71 trifft heute am Erfurter Kreuz auf die A 4 und macht die alte Handelsstadt zu einem Autobahnknoten. Von der Luftfahrt konnte Erfurt nicht derart nachhaltig profitieren. Der '''[[Flughafen Erfurt|Flughafen Erfurt-Weimar]]''' gehört zu den kleinsten in Deutschland. Das war nicht immer so. Im Flugplan von 1927 präsentierte sich Erfurt als ein „Mittelpunkt im deutschen Luftverkehr“. Die Flugzeuge starteten damals noch am Roten Berg. Am 10. Mai 1925, und damit immerhin zwei Jahre vor Leipzig-Schkeuditz, war hier Einweihung. Man konnte Ziele von Amsterdam bis Berlin, von Hannover bis Genf anfliegen. Nach 1945 verlagerte sich die Luftfahrt nach Bindersleben, wo jüngst ein moderner Airport entstand. Trotz relativ geringer Auslastung bleibt er ein Standortvorteil und rückt die Landeshauptstadt immer wieder ins Rampenlicht, wenn Prominenz wie US-Präsident Barak Obama oder Papst Benedikt XVI. in den Freistaat einfliegt.
 
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' in: Thüringer Allgemeine vom 09.12.2017)
 
 
'''Lesetipp:'''
 
Steffen Raßloff: '''Aufbruch ins Industriezeitalter. Erfurt und die Eisenbahn.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 76 f.
 
 
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''
 
 
'''Vortrag an der Volkshochschule Erfurt ([https://www.erfurt.de/ef/de/leben/bildung/vhs/index.html VHS])'''
 
[[Datei:Flughafen(VHS)-25.png|450px|left]]

Aktuelle Version vom 21. Dezember 2024, 11:01 Uhr

Verkehrsknoten Erfurt

Zwischen Via regia und ICE-Drehkreuz: Erfurts Geschichte war immer eng mit der Anbindung an die großen Verkehrswege verbunden.


Hauptbahnhof8.jpg

Verkehrswege sind die Lebensadern der Städte. Sie bringen diese zum Aufblühen oder Verdorren. Erfurt hat in seiner Geschichte immer wieder von solchen Trassen profitiert. Einst kreuzten sich hier europäische Fernhandelsstraßen und brachten der Mittelaltermetropole Reichtum und Macht. Im 19. Jahrhundert begann mit der Eisenbahn der Aufstieg zur modernen Industriegroßstadt. Nun verbindet man mit dem neuen ICE-Drehkreuz große Hoffnungen. Erfurt könnte damit seiner nächsten Blütezeit entgegensehen. Im Mittelalter entwickelte sich Erfurt zur mauerumwehrten Stadt an der Kreuzung wichtiger Handelsstraßen. Als Impulsgeber einer der größten Städte des Reiches galt vor allem die Via regia (Königsstraße) von Paris nach Kiew. Für den Verlauf dieser „Europastraße“ waren die Furten durch die Gera von großer Bedeutung. Vor der Errichtung stabiler Brücken galten diese seichten Flussübergänge als unerlässlich. Sie verliehen auch dem vor 1275 Jahren vom Missionar Bonifatius erstmals erwähnten „erphesfurt“ seinen Namen. Die Via regia führte vom Brühler Tor durch Marktstraße, Furt an der Krämerbrücke und Meienbergstraße zum Krämpfertor.

Nach der mittelalterlichen Blüte ging es im 19. Jahrhundert wieder bergauf. Erneut gab der Verkehr den Anstoß. Die Eisenbahn ist auch für Erfurt das Symbol des modernen Industriezeitalters. Aus der 30.000 Einwohner zählenden preußischen Festung wurde mit dem Eisenbahn-Anschluss 1847 binnen sechs Jahrzehnten eine pulsierende Großstadt von 100.000 Einwohnern. Dabei war es im wahrsten Wortsinne wegweisend, dass Preußen die Verbindung von Halle Richtung Rheinprovinz entlang der Städteachse Naumburg-Erfurt-Eisenach verlegte. Engagierte Bürger um Stadtrat Karl Herrmann hatte sich hierfür eingesetzt. Ihnen war bewusst, dass die Eisenbahn „von unberechenbarer Wichtigkeit für Erfurts Zukunft ist“. Vor gut 70 Jahren, am 22. März 1847 erfolgte die Jungfernfahrt von Weimar nach Erfurt. „Nach Verlauf von nicht 1 Stunde kam der imposante Zug, begrüßt von zwei Musikchören und dem Jubel der Volksmenge auf dem hiesigen Bahnhof an“, so die begeisterte Presse. Die Züge mussten noch die Festungsanlagen passieren. Die Gleise befanden sich im Schatten des südlich angrenzenden hohen Walles am Ende der Auguststraße, die nun in Bahnhofstraße umbenannt wurde. Als Bahnhof fungierte die spätere Reichsbahndirektion mit dem markanten Uhrenturm (siehe Foto: Alexander Raßloff). Mit der Entfestigung der Stadt nach 1871 wurde der Bau eines neuen Hauptbahnhofes 1889 bis 1893 möglich. Als Besonderheit wies er das Inselgebäude auf halber Höhe des ehemaligen Festungswalles auf, wo die Gleise verlegt wurden.

Letzte Zäsur in der Erfurter Verkehrsgeschichte bildet die Weichenstellung Richtung europäisches ICE-Drehkreuz nach 1990. Diese Entscheidung könnte in ihrer Tragweite durchaus Parallelen zu den 1840er-Jahren aufweisen. Am 8. Dezember 2017 wurde die ICE-Neubaustrecke von Erfurt durch den Thüringer Wald nach Nürnberg feierlich eingeweiht. Die Fahrzeit mit dem neuen ICE-Sprinter von Berlin nach München beträgt nun nur noch 4 Stunden. Vom neuen ICE-Knoten Erfurt ist man in 1.45 h in Berlin und 2.15 h in München. Die Thüringer Landeshauptstadt erhofft sich hiervon nachhaltige Impulse für die Stadtentwicklung. Im Mittelpunkt steht eine moderne ICE-City mit Hotels, Tagungszentren und Geschäftshäusern. Der Hauptbahnhof selbst wurde bereits 2001 bis 2008 für die Schnelltrasse fit gemacht. An Stelle des historischen Inselgebäudes entstand eine riesige Glashalle (siehe Abb.).

Auch das automobile Zeitalter ist nicht an Erfurt vorübergegangen. In den 1930er-Jahren entstanden als Prestigeprojekt des Dritten Reiches die ersten Autobahnen. Erfurt erhielt 1940 Anschluss an die wichtige Ost-West-Verbindung, die heutige A 4. Nach 1990 begannen mit den „Verkehrsprojekten deutsche Einheit“ weitere beispiellose Bauvorhaben. Erfurt konnte hiervon doppelt profitieren. Zum einen fiel die Entscheidung für die ICE-Trasse, zum anderen für die neue Nord-Süd-Autobahn A 71/73 durch den Thüringer Wald. Die A 71 trifft heute am Erfurter Kreuz auf die A 4 und macht die alte Handelsstadt zu einem Autobahnknoten. Von der Luftfahrt konnte Erfurt nicht derart nachhaltig profitieren. Der Flughafen Erfurt-Weimar gehört zu den kleinsten in Deutschland. Das war nicht immer so. Im Flugplan von 1927 präsentierte sich Erfurt als ein „Mittelpunkt im deutschen Luftverkehr“. Die Flugzeuge starteten damals noch am Roten Berg. Am 10. Mai 1925, und damit immerhin zwei Jahre vor Leipzig-Schkeuditz, war hier Einweihung. Man konnte Ziele von Amsterdam bis Berlin, von Hannover bis Genf anfliegen. Nach 1945 verlagerte sich die Luftfahrt nach Bindersleben, wo jüngst ein moderner Airport entstand. Trotz relativ geringer Auslastung bleibt er ein Standortvorteil und rückt die Landeshauptstadt immer wieder ins Rampenlicht, wenn Prominenz wie US-Präsident Barak Obama oder Papst Benedikt XVI. in den Freistaat einfliegt.

(Dr. Steffen Raßloff in: Thüringer Allgemeine vom 09.12.2017)


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Aufbruch ins Industriezeitalter. Erfurt und die Eisenbahn. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 76 f.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt


Vortrag an der Volkshochschule Erfurt (VHS)

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