Hauptbahnhof Erfurt

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Hauptbahnhof Erfurt

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (31.05.2014)


Start in die Moderne

DENKMALE IN ERFURT (151): Der Erfurter Hauptbahnhof wandelte als wichtige Verkehrsdrehscheibe mehrfach sein Gesicht.


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Die Eisenbahn ist das Symbol der Industrialisierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie steht auch in Erfurt am Beginn der Moderne. Aus der 30.000 Einwohner zählenden preußischen Festung wurde nach Anschluss an das Bahnnetz 1847 binnen sechs Jahrzehnten eine pulsierende Industriegroßstadt von 100.000 Einwohnern. Dabei war es von weitreichender Bedeutung, dass der preußische Staat die geplante Verbindung von Halle Richtung Rheinprovinz entlang der Städteachse Naumburg-Weimar-Erfurt-Gotha-Eisenach verlegte. Ein Kreis engagierter Erfurter Bürger um Stadtrat Karl Herrmann hatte sich dafür eingesetzt, eine Streckenführung über Nordhausen oder Mühlhausen zu verhindern. Ihnen ist es mit zu verdanken, dass Preußen mit den thüringischen Staaten 1841 den Vertrag über die „Thüringische Eisenbahn“ abschloss. Herrmann stand wie keineswegs allen seiner Zeitgenossen klar vor Augen, dass die Eisenbahnfrage „von unberechenbarer Wichtigkeit für Erfurts Zukunft ist“.

Am 22. März 1847 erfolgte die erste Probefahrt von Weimar nach Erfurt. „Nach Verlauf von nicht 1 Stunde kam der imposante Zug, begrüßt von zwei Musikchören und dem Jubel der Volksmenge auf dem hiesigen Bahnhof an“, so die Lokalpresse. Die zunächst vier Züge täglich mussten noch die Festungsanlagen passieren. Die Gleise befanden sich im Schatten des südlich angrenzenden hohen Walles am Ende der Auguststraße, die nun in Bahnhofstraße umbenannt wurde. (Abb. Gemälde von Walter Corsep, Stadtmuseum Erfurt) Als Bahnhofsgebäude fungierte die spätere Reichsbahndirektion mit dem markanten Uhrenturm am Westende des heutigen Willy-Brandt-Platzes. Der Bau eines modernen Hauptbahnhofes wurde erst mit der Entfestigung Erfurts ab 1873 möglich. Von 1889 bis 1893 entstand südöstlich vom alten Bahnhof ein Neubau im Stil der Kaiserzeit. Als Besonderheit wies er das Inselgebäude auf halber Höhe des ehemaligen Festungswalles auf, auf dem die Gleise jetzt verlegt wurden. Das flache Empfangsgebäude öffnete den Bahnhof zur Stadt.

Letzte Zäsur in der Erfurter Bahnhofsgeschichte bildet die Weichenstellung Richtung europäischer ICE-Knotenpunkt nach der deutschen Wiedervereinigung 1990. Diese Entscheidung weist in ihrer Tragweite durchaus Parallelen zu den 1840er Jahren auf. Von der ICE-Strecke München-Berlin erhofft man sich ab 2017 für den Standort Erfurt große Impulse. Wichtiges Element ist dabei die Entwicklung einer modernen ICE-City. Der Hauptbahnhof selbst ist bereits fit für die Zukunft. Von 2001 bis 2008 wurde an Stelle des abgerissenen Inselgebäudes eine riesige Glashalle errichtet, die die Hochgeschwindigkeitszüge künftig ungehindert passieren können. In Verbindung mit dem historischen Empfangsgebäude spiegelt der Erfurter Hauptbahnhof damit Geschichte und zukunftsträchtige Gegenwart. (Foto: Alexander Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Aufbruch ins Industriezeitalter. Erfurt und die Eisenbahn. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 76 f.

Steffen Raßloff: Das "Tor zur Stadt" im Wandel der Zeit. In: Beate Hövelmans: Freie Bahn. Abriss und Neubau des Erfurter Hauptbahnhofes. Erfurt 2009. S. 9-11.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Verkehrsgeschichte und ICE-Drehkreuz 2017, Bilder Umbau 2003-2006, Karl Herrmann