Oberbürgermeister Richard Breslau

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Oberbürgermeister Richard Breslau

Aus der Serie Erfurter Oberbürgermeister der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (04.03.2006)


Oberbürgermeister Richard Breslau (1872-1889)

Richard Breslau war der erste Oberbürgermeister der kreisfreien Stadt Erfurt. In seiner Amtszeit von 1872 bis 1889 wandelte sich die beschauliche Festungsstadt zur pulsierenden Industriemetropole. Die meisten für eine Großstadt heute charakteristischen Einrichtungen wurden unter seiner Leitung geschaffen oder vorbereitet. Breslau ist damit so etwas wie der „Vater des modernen Erfurt“.


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Richard Breslau wurde 1835 im schlesischen Königshütte, dem heutigen Chorzów, geboren. Er stammte damit wie die meisten höheren Beamten in Preußen aus einer weit entfernten Provinz des Landes. 1862 hatte ihn der Berufsweg als Regierungsassitenten bei der Bezirksregierung am Hirschgarten nach Erfurt geführt. Der laut Zeitgenossen für „seine Kraft und Energie“ bekannte Beamte wurde am 14. Juli 1871 zum 1. Bürgermeister gewählt und fungierte mit der Erhebung Erfurts zur kreisfreien Stadt 1872 als dessen Oberbürgermeister.

Nunmehr entfaltete der neue OB mit den Worten des Stadthistorikers Johannes Biereye „eine großartige Tätigkeit“ bei der Modernisierung der Stadt. Die hygienischen Bedingungen wurden durch den Bau einer Zentralwasserleitung, von Kanalisationsanlagen sowie effektivere Müllentsorgung entscheidend verbessert. 1876 öffnete der neue Städtische Friedhof, der heutige Südpark, 1882 folgte das Städtische Krankenhaus an der Nordhäuser Straße. Gerühmt wurden die Breslausche Reform der „Polizei-, Kassen- und Schulverhältnisse“, aber auch die Modernisierung des Stadtbildes durch Pflasterung von Straßen und Gehwegen. Ein weiterer Meilenstein war die Inbetriebnahme der Pferdestraßenbahn 1883, die 1894 durch die „Elektrische“ ersetzt wurde. Voraussetzung hierfür bildete der Beginn der Elektrifizierung 1887. In diesen Jahren begann auch die rapide Ausdehnung der Stadt über den mittelalterlichen Kern hinaus mit den Wohngebieten des „Gründerzeitgürtels“ und neuen Industrieanlagen.

Wohl größtes Verdienst von Oberbürgermeister Breslau stellte das Vorhaben Flutgraben/Ringstraße dar. 1878 war es dem OB gelungen, vom preußischen Staat günstig die seit der Entfestigung Erfurts 1873 nutzlosen Wallanlagen für die Stadt zu kaufen. Deren Beseitigung folgte 1890-99 der Ausbau des äußeren Befestigungsgrabens zum Umflutgraben. Damit wurde die ständige Hochwassergefahr gebannt. Seiner Zeit weit voraus, hatte Breslau auch den Bau einer parallelen Straßenmagistrale auf den Weg gebracht, da er „die eminenten Vorteile dieser Ringstraße für den öffentlichen Verkehr“ erkannte. Der in den 1970er Jahren vierspurig ausgebaute Juri-Gagarin-Ring ist heute, zusammen mit dem kontinuierlich erweiterten Straßenbahnnetz, das Rückgrat des innerstädtischen Verkehrs.

Angesichts dieser Leistungen ehrte die Stadt Erfurt Richard Breslau nach seinem Tode 1897 mit einem repräsentativen Denkmal. Am 19. Oktober 1912 konnte in der Grünanlage der Bismarckstraße, dem heutigen Löberwallgraben, das Werk von Bildhauer Carl Melville enthüllt werden, das die Verdienste des Stadtvaters symbolisch zum Ausdruck brachte. Zwei Relieffiguren verkörperten Handel und Verkehr sowie Industrie und Bauwesen. Auf Erfurts besondere Bedeutung im Gartenbau zielten entsprechende Schmuckelemente. Die Gestaltung als Brunnen schließlich verwies auf Wasserleitung und Kanalisation, der Standort auf das Entfestigungs- bzw. Flutgrabenprojekt. Leider wurde in den 1950er Jahren die monumentale Anlage auf das heutige Fragment beschnitten, sie soll aber bald wieder in alter Schönheit hergestellt werden. (Foto: Stadtarchiv Erfurt)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Moderne Zeiten. Die Industriegroßstadt Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 78 f.

Steffen Raßloff: Flucht in die nationale Volksgemeinschaft. Das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur. Köln/Weimar/Wien 2003.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Richard Breslau Denkmal, Flutgraben