Heiliger Martin Heilige Elisabeth Erfurt

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Heiliger Martin und Heilige Elisabeth

Beitrag der Serie Wandbilder im Rathausfestsaal von Dr. Steffen Raßloff (2007)


Geteilter Mantel und Rosenwunder

Die Wandbilder im Rathausfestsaal (3): Heiliger Martin und Heilige Elisabeth


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Das zweite Gemälde des 1882 fertig gestellten Wandbildzyklus im Rathausfestsaal zeigt zwei der wichtigsten Heiligenfiguren der Christenheit. Zwischen Martin von Tours und Elisabeth von Thüringen wird auf den Kinderkreuzzug 1212 angespielt. Dieses aus heutiger Sicht völlig unsinnige Unternehmen endete laut unsicherer Überlieferung mit dem Tod und der Sklaverei von tausenden Kindern, angeblich auch aus Erfurt. Davon ist freilich auf dem romantisierenden Bild nichts zu sehen, so wie auch die Kinder nie bis zum im Hintergrund dargestellten Jerusalem gelangten.

Der Heilige Martin war über Jahrhunderte Erfurts Stadtpatron, dargestellt sogar im Stadtsiegel. Der Sage nach soll der römische Krieger seinen Mantel mit einem Bettler geteilt haben, hinter dem sich Jesus verbarg. Aus dem Militärdienst ausscheidend stieg er bis zum Bischof von Tours auf. Die legendäre Gestalt aus dem 4. Jahrhundert wurde zu einem der wichtigsten Heiligen des Frankenreiches und Sinnbild christlicher Opferbereitschaft. Im Martinstag lebt sein Andenken auch in Erfurt bis heute fort. Freilich verschmolz im traditionellen “Martine” am 10. November mit dem beeindruckenden Lampionzug zum Domplatz sein Namenstag mit dem Geburtstag Martin Luthers. Seit 1972 wird dieser Festtag ökumenisch von beiden Konfessionen begangen.

Im Jahre ihres 800. Geburtstages versucht man auch die thüringische Landgräfin und einst populäre Heilige Elisabeth mit Landesausstellung auf der Wartburg und großem Medienrummel wieder ins öffentliche Bewusstsein zu tragen. Die Stadt Erfurt hatte sich ebenfalls für ein kulturelles Jahresthema “Rosenwunder - Wege zu Elisabeth von Thüringen” entschieden, obwohl die biographischen Bezüge eher spärlich sind. So kommt denn auch das Wandbild im Rathaus nicht ohne Rückgriff auf das berühmte Rosenwunder aus, das bekanntlich auf der Wartburg statt fand. Elisabeth hatte zum Unwillen des Landgrafenhofes Brot an Arme verteilt, das sich unter den strengen Blicken ihres Gemahls in Rosen verwandelte.

Das Bild im Rathaus steht im späten 19. Jahrhundert freilich nicht nur für christliche Nächstenliebe und Opferbereitschaft. Hier schwingen bürgerliche Vorstellungen über die Bewältigung aktueller sozialer Probleme mit, sicher auch als Antwort auf die Herausforderung durch die Sozialdemokratie. Diese wollte in der rasant wachsenden, 55.000 Einwohner zählenden Industriestadt Erfurt - in den nächsten zweieinhalb Jahrzehnten verdoppelte sich diese Zahl - das schwere Los der Arbeiterschaft auf ganz anderem Wege verbessern.

Seit 1878, als die Ausgestaltung des Rathausfestsaales begann, wurde die Arbeiterpartei durch Bismarcks Sozialistengesetz als linke “Umsturzpartei” verfolgt. 1890 musste das Gesetz jedoch aufgehoben werden, worauf die SPD 1891 im “Kaisersaal” ihr wegweisendes Erfurter Programm beschloss. In diesem nahmen soziale Forderungen wie Achtstundentag, Verbot von Kinderarbeit, Sicherheit und Hygiene in den Fabriken und bessere Lebensbedingungen breiten Raum ein. Mit christlicher Nächstenliebe im Geiste von Martin und Elisabeth allein waren diese Probleme nicht zu lösen.


Siehe auch: Rathaus, Heilige Elisabeth, Geschichte der Stadt Erfurt, Geschichte Thüringens