Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt
Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt
Die 1754 gegründete Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt ist die drittälteste deutsche Akademie. In ihr sind naturwissenschaftliche, medizinische, mathematische, geisteswissenschaftliche und technische Disziplinen vertreten.
Die Stadt Erfurt gehört zu den traditionsreichsten Stätten wissenschaftlich-akademischer Bildung in Deutschland. Nicht von ungefähr darf sie sich die älteste Universitätsstadt der Bundesrepublik nennen, in der schon lange vor der Gründung der Alma mater Erfordiensis im Jahre 1379 ein reger hochschulähnlicher Bildungsbetrieb herrschte. Im 15. Jahrhundert galt Erfurt als eine der renommiertesten Universitäten Mitteleuropas. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, zumal nach der Schließung der Alten Universität 1816, wurde das Profil des Wissenschaftsstandortes jedoch von einer akademischen Gesellschaft wesentlich geprägt, der 1754 ins Leben gerufenen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Als eine kurmainzische Gründung im Geiste des aufklärerischen Bildungsgedankens hat die Erfurter Akademie im Verlaufe der nunmehr 250 Jahre ihres Bestehens einige tiefgreifende Wandlungen bis hin zum zeitweisen Erlöschen durchgemacht, ehe sie heute als anerkannte Institution ein beachtliches Jubiläum feiern kann. Denn sie gehört mit Berlin (1700), Göttingen (1751) und München (1758) zu den ältesten noch bestehenden Akademien in Deutschland.
Am 19. Juli 1754 stellte Erfurts Landesherr, der Mainzer Erzbischof und Kurfürst Johann Karl von Ostein, auf Initiative einiger Erfurter Universitätsprofessoren den Stiftungsbrief für die Churfürstlich-Mayntzische Gesellschaft oder Academie nützlicher Wissenschaften aus. Diese entwickelte rasch wissenschaftliche Aktivitäten von internationaler Tragweite. Einen heute im Mittelpunkt der Erinnerung stehenden Höhepunkt erreichte die Akademie unter Statthalter Karl Theodor von Dalberg (1772-1802). Dank seiner Förderung lebte die Gesellschaft nochmals spürbar auf und konnte etwa mit Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller führende Persönlichkeiten des Geisteslebens in ihre Reihen aufnehmen. Der Anschluss Erfurts an Preußen (1802/14) brachte 1814 die Umwandlung zur Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften unter dem Protektorat der Hohenzollern.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert verlagerte sich der Schwerpunkt des Akademiebetriebes - trotz einer Reihe prominenter auswärtiger Mitglieder - immer stärker auf das ortsansässige Bildungsbürgertum. Langjährige Führungspersönlichkeit war der Historiker und Gymnasialdirektor Johannes Biereye. Damit einher ging seit der Jahrhundertwende die Konzentration auf den populären Heimatgedanken, nicht zuletzt als Antwort auf die Anfechtungen der industriell-urbanen Moderne in der Großstadt (1906) Erfurt. Auch wenn dabei, etwa durch den Volkskundler Martin Wähler, völkisch-nationalistisches Gedankengut bis zu einem gewissen Grade Einzug hielt, ließ sich die Akademie doch nach 1933 keineswegs willfährig von der braunen Elite des Dritten Reiches vereinnahmen. Vielmehr bestand insbesondere gegenüber dem thüringischen NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel, der zeitweise allen Landesbediensteten die Mitgliedschaft in der Akademie verboten hatte, ein ausgesprochenes Spannungsverhältnis. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 gelang es aufgrund der zeitbedingten äußeren Umstände, aber auch durch die veränderten politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der SBZ/DDR nicht, die Akademie wiederzubeleben. Von der Abteilung für Geschichte der Medizin an der 1954 gegründeten Medizinischen Akademie Erfurt jedoch vor dem Vergessen bewahrt, kam es 1990 zur Wiedergründung der altehrwürdigen Gelehrtengesellschaft.
Steffen Raßloff: 250 Jahre Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. In: Stadt und Geschichte 22 (2004). S. 3 (leicht aktualisiert)
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