UNESCO Welterbe Augustinerkloster juedisches Erbe: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Die Lutherstätte [[Augustinerkloster Erfurt|Augustinerkloster]] und das [[Jüdisches Leben Erfurt|jüdische Erbe]] mit der [[Alte Synagoge Erfurt|Alten Synagoge]] in Erfurt können 2017 bzw. 2020 auf die Welterbeliste gelangen.'''
'''Das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe Erfurts rund um die Alte Synagoge steht auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Die Lutherstätte Augustinerkloster gilt auch ohne formalen UNESCO-Status als Weltkulturerbe.'''




[[Datei:Lutherpforte.jpg|270px|right]][[Datei:AlteSynagogeRassloff.jpg|270px|right]]Herausragende Zeugnisse der Menschheits- und Naturgeschichte dürfen den Titel UNESCO-Welterbe tragen. Baudenkmäler, Stadtensembles, bedeutende Industrieanlagen und außergewöhnliche Naturlandschaften machen so noch deutlicher auf sich aufmerksam. Ab 2017 kann die Lutherstätte '''[[Augustinerkloster Erfurt|Augustinerkloster]]''' in Erfurt und ab 2020 das '''[[Jüdisches Leben Erfurt|jüdische Erbe]]''' mit der '''[[Alte Synagoge Erfurt|Alten Synagoge]]''' auf Vorschlag der Bundesrepublik Deutschland auf die Welterbeliste aufgenommen werden. Dies hat 2014 die Kultusministerkonferenz der Länder beschlossen.
[[Datei:UNESCO-Welterbe.jpg|500px|right]]Herausragende Zeugnisse der Menschheits- und Naturgeschichte dürfen den Titel UNESCO-Welterbe tragen. Baudenkmäler, Stadtensembles, Industrieanlagen und außergewöhnliche Naturlandschaften machen so noch deutlicher auf sich aufmerksam. Welterbe-Status besitzt seit 2023 auch das '''[[Juedisches_Erbe_Erfurt|Jüdisch-Mittelalterliche Erbe]]''' in Erfurt. Hier gab es vermutlich bereits seit dem 11. Jahrhundert eine Gemeinde. Diese entwickelte sich in der '''[[Mittelaltermetropole Erfurt|Mittelaltermetropole]]''' am Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen zu einer der bedeutendsten im Reich. Hiervor zeugt die '''[[Alte Synagoge Erfurt|Alte Synagoge]]''', die älteste bis unters Dach erhaltene Synagoge Mitteleuropas mit baulichen Spuren zurück bis ins 11. Jahrhundert (siehe Abb.). Noch heute sind alle für eine jüdische Gemeinde nötigen Einrichtungen nachvollziehbar: Neben der großen und schmuckvollen Synagoge besonders eine '''[[Mikwe]]''' (Ritualbad) und ein Friedhof am heutigen Großen Ackerhof. Die Außenseiterstellung der Juden gipfelte jedoch im blutigen Pogrom von 1349, der vermutlich die gesamte Gemeinde auslöschte.  


Das Augustinerkloster ist ein bedeutendes Baudenkmal mittelalterlicher Ordensbaukunst. Als Lutherstätte genießt es weltweite Aufmerksamkeit und gilt seit 2004 als „nationales Kulturdenkmal von besonderer kultureller Bedeutung“. '''[[Martin Luther]]''' lebte hier als Augustinermönch von 1505 bis 1511. Die legendäre Lutherpforte, durch die er am 17. Juli 1505 ins Kloster eintrat (siehe Abb.), verkörpert den entscheidenden biographischen Bruch vom Jurastudenten hin zum Mönch und späteren Reformator. Das Kloster fungiert seit dem großen Lutherjubiläum 1983 als international anerkannte Tagungs- und Begegnungsstätte. Hier befindet sich eine sehenswerte Dauerausstellung "Bibel – Kloster – Luther", Luthers rekonstruierte Zelle und eine einzigartige historische Bibliothek.  
Erst um 1800 kamen wieder Juden nach Erfurt. Erneut wurde das jüdische Leben im Dritten Reich 1933-1945 nahezu völlig vernichtet. Nach 1945 fasste wieder eine jüdische Gemeinde Fuß in der Stadt Erfurt, die sich heute zu ihrer großen jüdischen Geschichte bekennt. Sie verfügt mit der seit 2009 museal genutzten Alten Synagoge mit dem "Erfurter Schatz", der 2011 rekonstruierten Mikwe und dem "Steinernen Haus", einem Wohngebäude des 13. Jahrhunderts am Benediktsplatz, über international viel beachtete Kulturdenkmale. Darüber hinaus stellt die umfassend erhaltene Struktur der mittelalterlichen Gemeinde ein absolutes Alleinstellungsmerkmal dar. 2014 hat die Kultusministerkonferenz der Länder deshalb die Aufnahme Erfurts auf die deutsche Vorschlagsliste zum UNESCO-Welterbe beschlossen, 2020 wurde der finale Antrag eingereicht. Nach einem anderthalb Jahrzehnte dauernden Bewerbungsprozess gelangte das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe mit Alter Synagoge, Mikwe und Steinernem Haus am 17. September 2023 bei der Sitzung des Welterbekomitees in Riad auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes.  


Welterbe-Status kann auch die das jüdische Erbe in Erfurt beanspruchen. Hier gab es vermutlich bereits seit dem 11. Jahrhundert eine Gemeinde. Diese entwickelte sich zu einer der bedeutendsten im Reich. Hiervor zeugt allein schon die '''[[Alte Synagoge Erfurt|Alte Synagoge]]''', deren bauliche Reste bis ins 11. Jahrhundert zurück reichen; sie ist damit die älteste bis unters Dach erhaltene Synagoge Mitteleuropas (siehe Abb.). Noch heute sind alle für eine Gemeinde nötigen Einrichtungen nachvollziehbar: Neben der großen und schmuckvollen Synagoge besonders eine '''[[Mikwe]]''' (Ritualbad) und ein Friedhof. Die Außenseiterstellung der Juden gipfelte jedoch im blutigen Pogrom von 1349, der vermutlich die gesamte Gemeinde auslöschte. Erst um 1800 kamen wieder Juden nach Erfurt. Erneut wurde das jüdische Leben im Dritten Reich 1933-1945 nahezu völlig vernichtet.  
Im Rahmen des 500. Reformationsjubiläums 2017 sollte auch die Lutherstätte '''[[Augustinerkloster Erfurt|Augustinerkloster]]''' in Erfurt auf Vorschlag der Bundesrepublik Deutschland auf die Welterbeliste aufgenommen werden. Der Erweiterungsvorschlag zu den Lutherstätten in Eisleben und Wittenberg mit fünf weiteren Städten wurde jedoch kurz vor der Tagung des UNESCO-Welterbekomitees im Juli 2017 in Krakau zurückgezogen, da wohl v.a. einige der Mitbewerber die Anforderungen nicht erfüllten. Das Augustinerkloster ist ein bedeutendes Baudenkmal mittelalterlicher Ordensbaukunst. Als Lutherstätte genießt es weltweite Aufmerksamkeit und gilt seit 2004 als „nationales Kulturdenkmal von besonderer kultureller Bedeutung“. '''[[Martin Luther]]''' lebte hier als Augustinermönch von 1505 bis 1511. Die legendäre Lutherpforte, durch die er am 17. Juli 1505 ins Kloster eintrat, verkörpert den entscheidenden biographischen Bruch vom Jurastudenten hin zum Mönch und späteren Reformator. Das Kloster fungiert seit dem großen Lutherjubiläum 1983 als renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte. Auch ohne formalen UNESCO-Status gilt die Lutherstadt Erfurt mit ihren weiteren bedeutenden '''[[Martin Luther|Erinnerungsorten]]''' damit als Weltkulturerbe. Museal gebündelt wird das große Kulturerbe im '''[[Stadtmuseum Erfurt]]'''.  


Nach 1945 fasste wieder eine jüdische Gemeinde Fuß in der Stadt Erfurt, die sich heute zu ihrer großen jüdischen Geschichte stolz bekennt. Das mittelalterlich-jüdische Erbe verfügt mit der seit 2009 museal genutzten Alten Synagoge mit dem "Erfurter Schatz" sowie der 2011 rekonstruierten Mikwe über international viel beachtete Kulturdenkmale. Darüber hinaus stellt die umfassend erhaltene Struktur der mittelalterlichen Gemeinde eine Besonderheit dar. Der '''[[Erfurter Synagogenabend]]''', veranstaltet vom Erfurter Geschichtsverein und der Alten Synagoge, gehört heute zu den beliebten Veranstaltungreihen in Erfurt.
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


'''Lesetipps:'''


Veröffentlichungen des Verbundes '''[https://juedisches-leben.erfurt.de/jl/de/service/mediathek/veroeffentlichungen/index.itl Jüdisches Leben Erfurt]'''


Presseberichte: '''[http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Juedisches-Erfurt-kann-2020-Welterbe-werden-1122045398 Thüringer Allgemeine]''' vom 13.06.2014 zur Aufnahme auf die deutsche UNESCO-Vorschlagsliste
Steffen Raßloff: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt Rassloff|Geschichte der Stadt Erfurt]].''' Tübingen 2012 (6. Auflage 2024).
 
Steffen Raßloff: '''Jüdisches Erbe von Weltrang. Synagoge, Schatz und Mikwe.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 32 f.
 
 
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[https://juedisches-leben.erfurt.de/jl/de/index.html Jüdisches Leben Erfurt]'''

Aktuelle Version vom 6. Februar 2024, 15:04 Uhr

UNESCO-Weltkulturerbe in Erfurt

Das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe Erfurts rund um die Alte Synagoge steht auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Die Lutherstätte Augustinerkloster gilt auch ohne formalen UNESCO-Status als Weltkulturerbe.


UNESCO-Welterbe.jpg

Herausragende Zeugnisse der Menschheits- und Naturgeschichte dürfen den Titel UNESCO-Welterbe tragen. Baudenkmäler, Stadtensembles, Industrieanlagen und außergewöhnliche Naturlandschaften machen so noch deutlicher auf sich aufmerksam. Welterbe-Status besitzt seit 2023 auch das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe in Erfurt. Hier gab es vermutlich bereits seit dem 11. Jahrhundert eine Gemeinde. Diese entwickelte sich in der Mittelaltermetropole am Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen zu einer der bedeutendsten im Reich. Hiervor zeugt die Alte Synagoge, die älteste bis unters Dach erhaltene Synagoge Mitteleuropas mit baulichen Spuren zurück bis ins 11. Jahrhundert (siehe Abb.). Noch heute sind alle für eine jüdische Gemeinde nötigen Einrichtungen nachvollziehbar: Neben der großen und schmuckvollen Synagoge besonders eine Mikwe (Ritualbad) und ein Friedhof am heutigen Großen Ackerhof. Die Außenseiterstellung der Juden gipfelte jedoch im blutigen Pogrom von 1349, der vermutlich die gesamte Gemeinde auslöschte.

Erst um 1800 kamen wieder Juden nach Erfurt. Erneut wurde das jüdische Leben im Dritten Reich 1933-1945 nahezu völlig vernichtet. Nach 1945 fasste wieder eine jüdische Gemeinde Fuß in der Stadt Erfurt, die sich heute zu ihrer großen jüdischen Geschichte bekennt. Sie verfügt mit der seit 2009 museal genutzten Alten Synagoge mit dem "Erfurter Schatz", der 2011 rekonstruierten Mikwe und dem "Steinernen Haus", einem Wohngebäude des 13. Jahrhunderts am Benediktsplatz, über international viel beachtete Kulturdenkmale. Darüber hinaus stellt die umfassend erhaltene Struktur der mittelalterlichen Gemeinde ein absolutes Alleinstellungsmerkmal dar. 2014 hat die Kultusministerkonferenz der Länder deshalb die Aufnahme Erfurts auf die deutsche Vorschlagsliste zum UNESCO-Welterbe beschlossen, 2020 wurde der finale Antrag eingereicht. Nach einem anderthalb Jahrzehnte dauernden Bewerbungsprozess gelangte das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe mit Alter Synagoge, Mikwe und Steinernem Haus am 17. September 2023 bei der Sitzung des Welterbekomitees in Riad auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes.

Im Rahmen des 500. Reformationsjubiläums 2017 sollte auch die Lutherstätte Augustinerkloster in Erfurt auf Vorschlag der Bundesrepublik Deutschland auf die Welterbeliste aufgenommen werden. Der Erweiterungsvorschlag zu den Lutherstätten in Eisleben und Wittenberg mit fünf weiteren Städten wurde jedoch kurz vor der Tagung des UNESCO-Welterbekomitees im Juli 2017 in Krakau zurückgezogen, da wohl v.a. einige der Mitbewerber die Anforderungen nicht erfüllten. Das Augustinerkloster ist ein bedeutendes Baudenkmal mittelalterlicher Ordensbaukunst. Als Lutherstätte genießt es weltweite Aufmerksamkeit und gilt seit 2004 als „nationales Kulturdenkmal von besonderer kultureller Bedeutung“. Martin Luther lebte hier als Augustinermönch von 1505 bis 1511. Die legendäre Lutherpforte, durch die er am 17. Juli 1505 ins Kloster eintrat, verkörpert den entscheidenden biographischen Bruch vom Jurastudenten hin zum Mönch und späteren Reformator. Das Kloster fungiert seit dem großen Lutherjubiläum 1983 als renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte. Auch ohne formalen UNESCO-Status gilt die Lutherstadt Erfurt mit ihren weiteren bedeutenden Erinnerungsorten damit als Weltkulturerbe. Museal gebündelt wird das große Kulturerbe im Stadtmuseum Erfurt.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Veröffentlichungen des Verbundes Jüdisches Leben Erfurt

Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Erfurt. Tübingen 2012 (6. Auflage 2024).

Steffen Raßloff: Jüdisches Erbe von Weltrang. Synagoge, Schatz und Mikwe. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 32 f.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Jüdisches Leben Erfurt