Lutherstadt Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Heimatmaler Jürgen Valdeig und Historiker Dr. Steffen Raßloff weisen mit einem Leporello auf die große Bedeutung der Lutherstadt Erfurt und ihre wichtigsten Erinnerungsorte hin.'''


'''Ausgewählte [[Serien zur Erfurter Stadt- und Kulturgeschichte|Beiträge]] aus der Thüringer Allgemeine von [[SteffenRassloff|Dr. Steffen Raßloff]] (veröffentl. 2010)'''


[[Datei:LutherstadtLeporello.jpg|400px|right]]Das Handels- und Kulturzentrum Erfurt war zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine der größten Städte des Reiches. Auch der junge Martin Luther (1483-1546) zeigte sich von der Erfordia turrita, dem türmereichen Erfurt, tief beeindruckt. Er wurde hier 1501 als Student im Collegium maius, dem Hauptgebäude der Universität, immatrikuliert. Die Alma mater Erfordensis gilt mit ihrem Gründungsprivileg von 1379 als älteste Universität im heutigen Deutschland. Gleichzeitig bezog er als „Studentenwohnheim“ die nahe Georgenburse. Das philosophische Grundstudium beendete Luther 1505 als Magister.


'''Lutherstadt Erfurt'''
Während eines Gewitters bei Stotternheim nahe Erfurt will er in Todesangst gelobt haben, ein Mönch zu werden. Tatsächlich brach Luther nach jenem legendären „Gewittererlebnis“ gegen den Willen der Eltern das begonnene Jurastudium ab trat am 17. Juli 1505 durch die „Lutherpforte“ ins Augustinerkloster ein. 1507 erfolgte die Priesterweihe im Dom, zugleich nahm Luther das Theologiestudium auf. Auch nach seinem Wegzug nach Wittenberg 1511 kam es zu bedeutsamen Aufenthalten, wie dem triumphalen Empfang auf dem Weg zum Wormser Reichstag 1521. Zugleich hielt Luther engen Kontakt zu seinen Erfurter Mitstreitern, allen voran zu Johannes Lang, dem „Reformator Erfurts“.


Zahlreiche Orte und Einrichtungen erinnern in Erfurt an den großen Reformator
Luther selbst charakterisierte sein Verhältnis zu Erfurt so: „Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke.“ Hier erfolgte mit dem Klostereintritt 1505 die entscheidende biographische Zäsur. Damit begann die leidenschaftliche Suche nach einem „gnädigen Gott“, die in die reformatorischen Grunderkenntnisse mündete. Zugleich stellt die von großen religiösen und gesellschaftlichen Spannungen erfasste Mittelaltermetropole einen wesentlichen Erfahrungshorizont für das Wirken Luthers dar. Ohne den Erfurter Studenten, Magister und jungen Mönch wäre der spätere Wittenberger Reformator nicht denkbar.


Der Ruf Erfurts als wichtiger Luther-Erinnerungsort will gepflegt sein. Die “Lutherdekade” bis zum 500. Reformationsjubiläum 2017 bietet hierfür die ideale Gelegenheit. In einer Serie möchte die TA unter die Lupe nehmen, wie sich Erfurt mit seinen authentischen Orten, Museen und Denkmalen auf dieses Großereignis vorbereitet.
Die Motive: Erfurt um 1500, Collegium maius, Georgenburse, Gedenkstein bei Stotternheim, Augustinerkloster, Lutherdenkmal auf dem Anger, Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“. (Abb.: Dr. Steffen Raßloff und Jürgen Valdeig bei der Präsentation am 19.06.2015, Foto: Martin Moll, TLZ)


Von Dr. Steffen Raßloff


Der Ruf Erfurts als Lutherstadt scheint manchem unerschütterlich wie der bronzene Luther vor der Kaufmannskirche. So geriet gar das Kulturjahr 2010/11 “Luther - Der Aufbruch” mit Bezug auf dessen Romreise 1510/11 durch die Haushaltsprobleme zeitweise auf die Streichliste. Die Reaktionen hierauf haben gezeigt, dass dies der falsche Weg ist. Erfurt muss sein größtes historisches Gut pflegen. Zudem putzen sich die Lutherorte von Eisenach bis Schmalkalden mit Blick auf 2017 heraus, von der Wartburg und den Lutherstätten in Sachsen-Anhalt mit ihrem UNESCO-Welterbestatus ganz zu schweigen.
'''[[Jürgen Valdeig]]/[[Steffen Rassloff|Steffen Raßloff]]: Lutherstadt Erfurt''' (Leporello mit sieben Motiven Erfurter Lutherstätten und einem Überblickstext). Erfurt 2015.


Umso mehr gilt es also, das große Potenzial abzurufen, Luther hohe kulturpolitische Beachtung zu schenken. Denn so vielfältig unser Erbe ist, besitzt doch kein anderes Thema diese internationale Zugkraft, nicht zuletzt für den Tourismus. Vielen Verantwortlichen ist das durchaus bewusst. Die unglücklichen Diskussionen um das mittlerweile gesicherte Kulturjahr 2010/11 sollten nämlich nicht darüber hinweg täuschen, dass wichtige Projekte auf den Weg gebracht wurden, um das Profil der Lutherstadt Erfurt weiter zu schärfen. Insbesondere rund um das lateinische Viertel ist viel in Bewegung.


Die Stadt des Studenten und Magisters wird bald wieder sehr viel greifbarere Gestalt annehmen. Mit dem Collegium maius in der Michaelisstraße, ehemaliges Hauptgebäude der Universität Luthers und künftiger Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche, erhält das lateinische Viertel bis 2011 sein Herzstück zurück. Nur einen Steinwurf entfernt wird die Georgenburse in der Augustinerstraße als “Studienort der Lutherzeit” und Pilgerherberge wiederbelebt. Sie diente Luther wahrscheinlich als “Studentenwohnheim”. Einblicke in das Universitätsleben zur Lutherzeit bietet übrigens auch der Erfurter Geschichtsverein auf seiner öffentlichen Fachtagung am Samstag, dem 24. April, was zugleich den Auftakt des Luther-Doppeljahres markiert. 
'''>''' '''[[Martin Luther|Luther und Erfurt]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''
 
Wiederum in Sichtweite der Georgenburse liegt mit dem Augustinerkloster der wohl wichtigste Erinnerungsort, wo aus dem Jurastudenten ein Mönch wurde. Luthers Kloster gewinnt als renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte weiter an baulicher Gestalt. Noch in diesem Jahr kann die komplexe Rekonstruktion mit der ehemaligen Bibliothek abgeschlossen werden. Die neue Dauerausstellung im Stadtmuseum soll ab 2011 Luther in den Kontext der Stadtgeschichte einbinden und als museale “Spinne im Netz” auf die authentischen Orte verweisen. Hier wird die Handels- und Kulturmetropole, in der Luther seine geistige Prägung erhielt, in beeindruckender Form anschaulich gemacht. Wenn auch unbefriedigende Situationen, wie etwa das Umfeld des Luthersteines bei Stotternheim, energisch angegangen werden, muss einem vor dem Reformationsjubiläum 2017 nicht bange werden.
 
 
'''Luthers geistige Mutter'''
 
Lutherstadt Erfurt (2): Das Collegium maius war der Hauptsitz von Luthers Universität
 
Im Collegium maius in der Michaelisstraße residierte einst die Universität Erfurt. In diesem geistigen Zentrum von europäischem Rang legte auch Martin Luther die Basis für sein späteres Wirken als Reformator. Das 1945 zerstörte Gebäude wird bis 2011 als Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche rekonstruiert.
 
Von Dr. Steffen Raßloff
 
Das Collegium maius war einst Hauptsitz der Universität Erfurt, an der Luther von 1501 bis 1505 studierte und lehrte. 1945 im Bombenkrieg zerstört, wird das Gebäude nun endlich rekonstruiert. Damit erhält das “lateinische Viertel” sein Herzstück zurück. 500 Jahre zuvor war der junge “Martinus Ludher ex Mansfeldt” beeindruckt vom geistigen Leben in der Metropole Erfurt, damals mit fast 20.000 Einwohnern eine der größten Städte des Reiches. Die 1379 privilegierte Alma mater Erfordensis, älteste Uni im heutigen Deutschland, galt als eine der renommiertesten Hochschulen Mitteleuropas. Alle übrigen nähmen sich dagegen wie “kleine (ABC-)Schützenschulen” aus, so der spätere Reformator.
 
Im Collegium maius, dessen äußere Form im Wesentlichen auf den Wiederaufbau nach dem „Tollen Jahr“ 1509/10 zurück geht, war auch die Philosophische Fakultät untergebracht. Mit ihr begann das Studium, ehe man eine der drei höheren Fakultäten (Recht, Medizin, Theologie) besuchen konnte. Luther schloss jenes Grundstudium der sieben Freien Künste 1505 erfolgreich als Magister ab. Für dieses solide geistige Fundament blieb der er zeitlebens dankbar: “Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke.” Das anschließende Jurastudium brach Luther jedoch nach dem Stotternheimer “Gewittererlebnis” im Juli 1505 ab und trat als Mönch in das Augustinerkloster ein.
 
Die 1987 als DDR-Bürgerbewegung gegründete Universitätsgesellschaft machte es sich zum Anliegen, das Collegium maius zu rekonstruieren. Bereits 1983 war während der Lutherehrungen anlässlich seines 500. Geburtstages das prächtige Portal von 1511 wiedererrichtet worden, weitergehende Pläne scheiterten jedoch an fehlenden Baukapazitäten. Während der friedlichen Revolution 1989 wurde das Collegium maius zum Symbol für den geistig-kulturellen Aufbruch in Erfurt. Mit der Wiedergründung der Universität 1994 schien das große Ziel erreichbar, 1999 erfolgte der Rohbau. Viel bürgerschaftliches Engagement floss in das geschichtsträchtige Gemäuer und seine historische Aufarbeitung.
 
Vor diesem Hintergrund mag es nicht erstaunen, dass sich in der Universitätsgesellschaft Enttäuschung breit machte, als die Stadt Erfurt das Collegium maius 2008 an die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) verkaufte. Diese wird das Gebäude bis 2011 zum Sitz ihrer Verwaltung ausbauen. Mittlerweile überwiegt jedoch beim Blick auf die Renaissance jenes Kulturdenkmals von internationalem Rang die Vorfreude auf seine Fertigstellung. Auch das Profil der Lutherstadt wird dadurch nachhaltig geschärft, ist doch neben Luthers Kloster dann auch Luthers Universität als authentischer Erinnerungsort wieder sinnlich erfahrbar.

Aktuelle Version vom 26. Dezember 2023, 16:49 Uhr

Lutherstadt Erfurt

Heimatmaler Jürgen Valdeig und Historiker Dr. Steffen Raßloff weisen mit einem Leporello auf die große Bedeutung der Lutherstadt Erfurt und ihre wichtigsten Erinnerungsorte hin.


LutherstadtLeporello.jpg

Das Handels- und Kulturzentrum Erfurt war zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine der größten Städte des Reiches. Auch der junge Martin Luther (1483-1546) zeigte sich von der Erfordia turrita, dem türmereichen Erfurt, tief beeindruckt. Er wurde hier 1501 als Student im Collegium maius, dem Hauptgebäude der Universität, immatrikuliert. Die Alma mater Erfordensis gilt mit ihrem Gründungsprivileg von 1379 als älteste Universität im heutigen Deutschland. Gleichzeitig bezog er als „Studentenwohnheim“ die nahe Georgenburse. Das philosophische Grundstudium beendete Luther 1505 als Magister.

Während eines Gewitters bei Stotternheim nahe Erfurt will er in Todesangst gelobt haben, ein Mönch zu werden. Tatsächlich brach Luther nach jenem legendären „Gewittererlebnis“ gegen den Willen der Eltern das begonnene Jurastudium ab trat am 17. Juli 1505 durch die „Lutherpforte“ ins Augustinerkloster ein. 1507 erfolgte die Priesterweihe im Dom, zugleich nahm Luther das Theologiestudium auf. Auch nach seinem Wegzug nach Wittenberg 1511 kam es zu bedeutsamen Aufenthalten, wie dem triumphalen Empfang auf dem Weg zum Wormser Reichstag 1521. Zugleich hielt Luther engen Kontakt zu seinen Erfurter Mitstreitern, allen voran zu Johannes Lang, dem „Reformator Erfurts“.

Luther selbst charakterisierte sein Verhältnis zu Erfurt so: „Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke.“ Hier erfolgte mit dem Klostereintritt 1505 die entscheidende biographische Zäsur. Damit begann die leidenschaftliche Suche nach einem „gnädigen Gott“, die in die reformatorischen Grunderkenntnisse mündete. Zugleich stellt die von großen religiösen und gesellschaftlichen Spannungen erfasste Mittelaltermetropole einen wesentlichen Erfahrungshorizont für das Wirken Luthers dar. Ohne den Erfurter Studenten, Magister und jungen Mönch wäre der spätere Wittenberger Reformator nicht denkbar.

Die Motive: Erfurt um 1500, Collegium maius, Georgenburse, Gedenkstein bei Stotternheim, Augustinerkloster, Lutherdenkmal auf dem Anger, Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“. (Abb.: Dr. Steffen Raßloff und Jürgen Valdeig bei der Präsentation am 19.06.2015, Foto: Martin Moll, TLZ)


Jürgen Valdeig/Steffen Raßloff: Lutherstadt Erfurt (Leporello mit sieben Motiven Erfurter Lutherstätten und einem Überblickstext). Erfurt 2015.


> Luther und Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt