Industriedenkmale Umformtechnik: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Schuler.jpg|400px|rechts]]Noch vor gut zwei Jahrzehnten strömten zu Beginn jeder Schicht hunderte von Mitarbeitern zum Hauptsitz des Kombinates Umformtechnik „Herbert Warnke“ nahe des Nordbahnhofs. Dort wurden für den Ostblock, aber auch weltweit die begehrten Großpressen Made in Erfurt hergestellt. Heute arbeiten noch 650 von einstmals 5000 Mitarbeitern in einem der letzten größeren Industriebetriebe der Stadt, der zur Schuler-Gruppe aus Baden-Württemberg gehört.  Begonnen hatte dieses wichtige Kapitel Erfurter Wirtschaftsgeschichte mit der Fusion der Berliner Handelsfirma Henry Pels & Co. mit der Maschinenbauabteilung der Erfurter J.A. John AG als Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels & Co. 1903. Rasch entwickelte sich „Pels“ an seinem Standort im 1911 eingemeindeten Industrievorort Ilversgehofen zum riesigen Umformmaschinen-Hersteller mit Filialen in aller Welt.
[[Datei:Schuler.jpg|400px|rechts]]Noch vor gut zwei Jahrzehnten strömten zu Beginn jeder Schicht hunderte von Mitarbeitern zum Hauptsitz des Kombinates Umformtechnik „Herbert Warnke“ nahe des Nordbahnhofs. Dort wurden für den Ostblock, aber auch weltweit die begehrten Großpressen Made in Erfurt hergestellt. Heute arbeiten noch 650 von einstmals 5000 Mitarbeitern in einem der letzten größeren Industriebetriebe der Stadt, der zur Schuler-Gruppe aus Baden-Württemberg gehört.  Begonnen hatte dieses wichtige Kapitel Erfurter Wirtschaftsgeschichte mit der Fusion der Berliner Handelsfirma Henry Pels & Co. mit der Maschinenbauabteilung der Erfurter J.A. John AG als Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels & Co. 1903. Rasch entwickelte sich „Pels“ an seinem Standort im 1911 eingemeindeten Industrievorort Ilversgehofen zum riesigen Umformmaschinen-Hersteller mit Filialen in aller Welt.


Der Firmenkomplex wird bis heute geprägt vom Verwaltungsgebäude in der Schwerborner Straße 1 (Abb.). Man sieht ihm den modernen Stil der 1920er-Jahre in Klinkerbauweise deutlich an. Es geht aber nicht in die mittleren „Goldenen Zwanziger“ zurück, sondern entstand bereits in der Krisenzeit nach dem Ersten Weltkrieg. Das Gebäude nach Plänen des Berliner Architekten Karl Stodieck wurde 1923 seiner Bestimmung übergeben. Die nördlich gelegene giebelständige Versandhalle folgte zwei Jahre später. Architekturhistoriker Mark Escherich weist dem Komplex als Baudenkmal hohe Bedeutung zu. Die lange Straßenfront wird von einer Pilasterkolonnade geprägt. Der fünfachsige Eingangsbereich ist asymmetrisch angeordnet. Er erinnert besonders durch die kantig hervortretender Pfeilervorlagen an den norddeutschen Backstein-Expressionismus (Abb.).
Der Firmenkomplex wird bis heute geprägt vom Verwaltungsgebäude in der Schwerborner Straße 1 (Foto: Alexander Raßloff). Man sieht ihm den modernen Stil der 1920er-Jahre in Klinkerbauweise deutlich an. Es geht aber nicht in die mittleren „Goldenen Zwanziger“ zurück, sondern entstand bereits in der Krisenzeit nach dem Ersten Weltkrieg. Das Gebäude nach Plänen des Berliner Architekten Karl Stodieck wurde 1923 seiner Bestimmung übergeben. Die nördlich gelegene giebelständige Versandhalle folgte zwei Jahre später. Architekturhistoriker Mark Escherich weist dem Komplex als Baudenkmal hohe Bedeutung zu. Die lange Straßenfront wird von einer Pilasterkolonnade geprägt. Der fünfachsige Eingangsbereich ist asymmetrisch angeordnet. Er erinnert besonders durch die kantig hervortretender Pfeilervorlagen an den norddeutschen Backstein-Expressionismus (Abb.).


Escherich zählt im „Architekturführer Thüringen“ noch weitere bedeutende Industriedenkmale in Erfurt auf. Die meisten von ihnen haben freilich nach 1989 ihre Nutzung verloren und suchen meist vergeblich nach einer neuen Bestimmung oder sind bereits abgerissen worden. Typisch hierfür mögen die beiden innerstädtischen Werke des einstigen „Malz-Wolff“-Unternehmens stehen. Während das ältere Malzwerk in der nördlichen Johannesstraße, etwa an der Stelle des heutigen Thüringenhauses, schon in den frühen 1990er-Jahren verschwand, steht der wuchtige Klinker-Komplex in der Thälmannstraße perspektivlos leer. Dem von Escherich ebenfalls als Architekturdenkmal eingeschätzten Kraftwerk am Kilianipark in Gispersleben droht im Zuge der Buga-Vorbereitung der Abriss. Mit dem ehemaligen Heizwerk im Brühl könnte immerhin einem klassischen Industriebau eine Zukunft mit kultureller Nutzung winken. (Foto: Alexander Raßloff)
Escherich zählt im „Architekturführer Thüringen“ noch weitere bedeutende Industriedenkmale in Erfurt auf. Die meisten von ihnen haben freilich nach 1989 ihre Nutzung verloren und suchen meist vergeblich nach einer neuen Bestimmung oder sind bereits abgerissen worden. Typisch hierfür mögen die beiden innerstädtischen Werke des einstigen „Malz-Wolff“-Unternehmens stehen. Während das ältere Malzwerk in der nördlichen Johannesstraße, etwa an der Stelle des heutigen Thüringenhauses, schon in den frühen 1990er-Jahren verschwand, steht der wuchtige Klinker-Komplex in der Thälmannstraße perspektivlos leer. Dem von Escherich ebenfalls als Architekturdenkmal eingeschätzten Kraftwerk am Kilianipark in Gispersleben droht im Zuge der Buga-Vorbereitung der Abriss. Mit dem ehemaligen Heizwerk im Brühl könnte immerhin einem klassischen Industriebau eine Zukunft mit kultureller Nutzung winken.  





Version vom 18. März 2021, 08:21 Uhr

Industriedenkmale in Erfurt

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (31.10.2014)


Monumentale Klinkerbauten

DENKMALE IN ERFURT (170): Nur wenige Industriedenkmale wie der Umformtechnik-Komplex im Erfurter Norden werden heute noch genutzt.


Schuler.jpg

Noch vor gut zwei Jahrzehnten strömten zu Beginn jeder Schicht hunderte von Mitarbeitern zum Hauptsitz des Kombinates Umformtechnik „Herbert Warnke“ nahe des Nordbahnhofs. Dort wurden für den Ostblock, aber auch weltweit die begehrten Großpressen Made in Erfurt hergestellt. Heute arbeiten noch 650 von einstmals 5000 Mitarbeitern in einem der letzten größeren Industriebetriebe der Stadt, der zur Schuler-Gruppe aus Baden-Württemberg gehört. Begonnen hatte dieses wichtige Kapitel Erfurter Wirtschaftsgeschichte mit der Fusion der Berliner Handelsfirma Henry Pels & Co. mit der Maschinenbauabteilung der Erfurter J.A. John AG als Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels & Co. 1903. Rasch entwickelte sich „Pels“ an seinem Standort im 1911 eingemeindeten Industrievorort Ilversgehofen zum riesigen Umformmaschinen-Hersteller mit Filialen in aller Welt.

Der Firmenkomplex wird bis heute geprägt vom Verwaltungsgebäude in der Schwerborner Straße 1 (Foto: Alexander Raßloff). Man sieht ihm den modernen Stil der 1920er-Jahre in Klinkerbauweise deutlich an. Es geht aber nicht in die mittleren „Goldenen Zwanziger“ zurück, sondern entstand bereits in der Krisenzeit nach dem Ersten Weltkrieg. Das Gebäude nach Plänen des Berliner Architekten Karl Stodieck wurde 1923 seiner Bestimmung übergeben. Die nördlich gelegene giebelständige Versandhalle folgte zwei Jahre später. Architekturhistoriker Mark Escherich weist dem Komplex als Baudenkmal hohe Bedeutung zu. Die lange Straßenfront wird von einer Pilasterkolonnade geprägt. Der fünfachsige Eingangsbereich ist asymmetrisch angeordnet. Er erinnert besonders durch die kantig hervortretender Pfeilervorlagen an den norddeutschen Backstein-Expressionismus (Abb.).

Escherich zählt im „Architekturführer Thüringen“ noch weitere bedeutende Industriedenkmale in Erfurt auf. Die meisten von ihnen haben freilich nach 1989 ihre Nutzung verloren und suchen meist vergeblich nach einer neuen Bestimmung oder sind bereits abgerissen worden. Typisch hierfür mögen die beiden innerstädtischen Werke des einstigen „Malz-Wolff“-Unternehmens stehen. Während das ältere Malzwerk in der nördlichen Johannesstraße, etwa an der Stelle des heutigen Thüringenhauses, schon in den frühen 1990er-Jahren verschwand, steht der wuchtige Klinker-Komplex in der Thälmannstraße perspektivlos leer. Dem von Escherich ebenfalls als Architekturdenkmal eingeschätzten Kraftwerk am Kilianipark in Gispersleben droht im Zuge der Buga-Vorbereitung der Abriss. Mit dem ehemaligen Heizwerk im Brühl könnte immerhin einem klassischen Industriebau eine Zukunft mit kultureller Nutzung winken.


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Moderne Zeiten. Die Industriegroßstadt Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 78 f.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Industriegroßstadt Erfurt, Schuler/Umformtechnik Erfurt, Heizwerk Brühl