Foerderverein Stadtmuseum Erfurt MJB

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Förderverein Stadtmuseum Erfurt

Der 1992 gegründete Förderverein des Stadtmuseums Erfurt "Haus zum Stockfisch" unterstützt in der Tradition bürgerschaftlichen Engagements seit dem 19. Jahrhunderts das Geschichtsmuseum der Landeshauptstadt Thüringens.


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Friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung 1989/90 haben auch der kommunalen Kulturlandschaft in den neuen Bundesländern wichtige Impulse verliehen. Das betrifft nicht zuletzt die stadtgeschichtlich ausgerichteten Museen, die bis dahin institutionell und inhaltlich stark auf den SED-Staat und dessen politisch-ideologische Vorgaben verpflichtet waren. Mit dem Systemwechsel nach 1945 war in der SBZ bzw. DDR eine lange Tradition bürgerschaftlichen Engagements abgebrochen, die in der Bundesrepublik meist überdauerte und bis heute viele Museen maßgeblich mitträgt. Das heißt nicht, dass sich die Bürger in der DDR nicht mehr für ihre Museen interessiert und engagiert hätten, doch war dies nur in einem staatlich klar definierten und überwachten Rahmen möglich. Ein frei organisiertes Vereinswesen existierte hier wie in allen anderen Bereichen nicht, lebte dafür aber mit der „Wende“ umso freudiger wieder auf.

So verhält es sich auch in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Kommunale Museen gibt es dort seit 1886 mit den Anfängen des heutigen renommierten Kunstmuseums Angermuseum. Von Beginn an waren es neben der Stadtverwaltung engagierte Bürger, die anregten und unterstützten. Für großbürgerliche Honoratioren gehörte das Engagement für das Museum wie auch in anderen Kulturbereichen geradezu zum „guten Ton“. Diese Form der Unterstützung brach nach 1945 im Zuge der politisch-gesellschaftlichen Transformation ab. Gleichwohl kam es zur weiteren Ausdifferenzierung von Spezialmuseen, die alle klassischen Bereiche von Kunst, Geschichte, Volkskunde und Naturkunde abdecken. Erfurt besitzt so eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende, breite Museumslandschaft.

Auch die Anstöße für die Einrichtung eines speziellen Stadtgeschichtsmuseums gehen weit zurück. Lange waren die Exponate mit historischem Charakter auf verschiedene Museen, insbesondere das Angermuseum und das Volkskundemuseum verteilt. Schon 1919 aber hatte der Erfurter Geschichtsverein seine reichhaltige Sammlung mit dem Wunsch eines genuinen Geschichtsmuseums an die Stadt geschenkt. Unter gewandelten Rahmenbedingungen kam es dann in den 1960er-Jahren endlich zur Konzipierung eines Museums für Stadtgeschichte, das anlässlich der 25. Arbeiterfestspiele in Erfurt 1974 feierlich eröffnet wurde. Wie alle historischen Museen war es durch das marxistische Geschichtsbild der DDR geprägt. So legte es einen starken Fokus auf die Geschichte der Arbeiterbewegung und sparte die mittelalterliche Blütezeit der Stadt nahezu aus.

Hier wurde in der Aufbruchsstimmung nach 1989/90 rasch Abhilfe geschaffen. Das Museum für Stadtgeschichte in einem Renaissancebau in der Johannesstraße 169 wandelte sich bis zur Wiedereröffnung 1994 zum völlig neu konzipierten Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“. Es präsentiert seither die Erfurter Geschichte in all ihren Epochen von der Archäologie bis zur Zeitgeschichte. Das prächtige „Haus zum Stockfisch“ inmitten der Altstadt, 1607 für den Waidjunker und Biereigen Paul Ziegler errichtet, bietet hierfür den idealen Rahmen. Die Mittelaltermetropole Erfurt, eine der größten und wohlhabendsten Städte des Reiches, besitzt die älteste Universität Deutschlands und gilt als geistige Prägestätte Martin Luthers. Viele Zeugnisse dieser Blütezeit werden präsentiert, etwa die Universitätszepter, Luthers Schreibkasten, die nachempfundene Ratshalle des Alten Rathauses und Schätze aus den vielen Kirchen des „Roms des Nordens“. Die Ausstellung zeichnet aber auch den Aufstieg zur Industriegroßstadt und Landeshauptstadt Thüringens nach. Als „Spinne im Netz“ der vielen authentischen Erinnerungsorte, insbesondere der Lutherstätten, wie Augustinerkloster und Georgenburse, und der Orte des 2023 zum UNESCO-Welterbe erhobenen Jüdisch-Mittelalterlichen Erbes, wie Alte Synagoge und Mikwe, bündelt es eine Geschichtslandschaft von Weltgeltung.

Eine beachtliche Rolle spielte bei Aufbau und Etablierung des neuen Museums der 1992 gegründete Förderverein Stadtmuseum Erfurt e.V. Er unterstützt seither als ehrenamtlicher bürgerschaftlicher Förderer das Museum tatkräftig, gestaltet Veranstaltungen aus, nimmt Schenkungen vor, ermöglicht Ankäufe, Publikationen und Projekte. Mit der zunehmend prekären finanziellen und personellen Lage seit den 2010er-Jahren kommt dem Verein sogar noch eine wachsende Bedeutung zu. So war die Erweiterung des Sammlungsbestandes zeitweise nur noch durch Ankäufe bzw. Mitteleinwerbungen des Fördervereins möglich. Bei allen großen Ausstellungsprojekten beteiligt sich der Verein an der Finanzierung. Aber auch viele einzelne Museumsfreunde unterstützen über ihren Mitgliedsbeitrag hinaus durch regelmäßige Spenden und Schenkungen das Haus. Hierin darf man ein Anknüpfen an die bürgerschaftlichen Traditionen vor 1945 sehen. Seit nunmehr gut drei Jahrzehnten ziehen das Museum mit Gründungsdirektor Hardy Eidam und seine bürgerschaftlichen Förderer an einem Strang. Der Verein konnte dem Museum aus eigenen Kräften und mit Unterstützung treuer Partner, wie der Sparkasse Mittelthüringen, finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe zukommen lassen.

Hiervon zeugen etwa die überregional wahrgenommenen Sonderausstellungen: Rechenmeister Adam Ries, Mystiker Meister Eckhart, Missionar Bonifatius, Prinzessin Radegunde, Pharmazie-Pionier Johann Bartholomäus Trommsdorff, das Gastgewerbe mit dem „Erfurter Hof“, das Brauwesen der Bierstadt und der Expressionismus der „Goldenen Zwanziger“. In der Regie des Museums entstand auch die erste Thüringer Landesausstellung „Der junge Bach“ im Jahre 2000 in der Erfurter Predigerkirche. Unter zahlreichen Exponat-Ankäufen des Vereins ragen die wertvollen Barockgemälde des Universitätsrektors Hieronymus Friedrich Schorch und dessen Gattin von Jacob Samuel Beck 2008 und eine einzigartige Sammlung von Konversionsobjekten der Weltkriege 2014 heraus. Letztere wurde nach einer Sonderausstellung im Stadtmuseum auch im nationalen Museum für Sepulkralkultur in Kassel mit großem Erfolg gezeigt.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Unterstützung bei Veranstaltungen, von der jährlichen Langen Nacht der Museen über Ausstellungseröffnungen bis hin zu Vorträgen und Buchvorstellungen. Ein Höhepunkt war das vom Verein ausgerichtete Jubiläumsfest zu 50 Jahren Eröffnung und 30 Jahren Wiedereröffnung des Museums am 7. Juni 2024. Hierfür wurden in einer Publikation, großzügig unterstützt von der Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat, die Geschichte von Stadt, Haus und Museum ebenso aufarbeitet wie das Wirken des Fördervereins. Auch mit Vorträgen und Ex-kursionen bereichert der Verein das Museumsleben. Darüber hinaus finanziert er so manche Aktivität der Mitarbeiter, die Beschäftigung von Praktikanten und die „tausend kleinen Dinge des Alltags“, die sonst nicht möglich wären.

Erster Vorsitzender war der am Museumsumbau beteiligte Architekt Olaf Lange. Wenig später folgte ihm Otto Ronneberger, unter dessen Leitung u. a. im Außenobjekt Museum Neue Mühle eine Stromerzeugungsanlage eingebaut wurde. Seit 2006 steht Dr. Steffen Raßloff an der Spitze des Vereins. Als Historiker wirkte er neben der Vereinsarbeit auch an zahlreichen Ausstellungen kuratierend mit; so etwa an der Dauerausstellung „Tolle Jahre“ zur Mittelaltermetropole und Lutherstadt 2012 und an der Sonderausstellung „Außen Quadrat – Innen Biedermeier“ zum 90. Bauhausjubilä-um 2009. Hierbei gehen bürgerschaftliche Unterstützung und inhaltliche Zusammenarbeit Hand in Hand. In den letzten Jahren versuchte der Verein nicht zuletzt die immer engeren Spielräume des Museums und seiner Nebeneinrichtungen (Bartholomäusturm mit Carillon, Luftschutzkeller im Wigbertikloster, Museum Neue Mühle, Wasserburg Kapellendorf) abzufedern und die Öffentlichkeit für diese Probleme zu sensibilisieren. So setzte er sich 2015 energisch und letztlich erfolgreich gegen die Pläne der Stadt ein, das Museum in der Wasserburg Kapellendorf bei Weimar, einem ehemaligen Reichslehen der Mittelaltermetropole, aufzugeben. Dass dem Verein dabei nicht immer nur Wohlwollen entgegengebracht wird, nimmt der langjährige Vorstand mit Steffen Raßloff, Christel Perlik, Marion Herbert, Jürgen Valdeig und Harald Baum gerne in Kauf. Wichtig ist dabei auch die über lange Zeit gewachsene offene und freundschaftliche Atmosphäre zwischen Museumsmitarbeitern und Vereinsmitgliedern.

Zudem erschöpft sich die Arbeit des Vereins auch heute keineswegs in Kritik an der kommunalen Kulturpolitik. So hat der Förderverein dem Museum gewissermaßen zur Silbernen Hochzeit ein passendes Geschenk gemacht: Das große Stadtmodell von Robert Huth konnte nach gründlicher Restaurierung 2017 in einer neuen modernen multimedialen Vitrine, finanziert vom Verein und weiteren großzügigen Spendern, der Öffentlichkeit feierlich übergeben werden. Die Neupräsentation des Modells ist mit moderner Lichtsteuerung versehen und kommt in einem eigens hierfür eingerichteten Raum des ersten Obergeschosses mit repräsentativer Stuckdecke sehr gut zur Geltung. Das um 1900 angefertigte und 3x3 Meter große Modell zeigt Erfurt kurz vor der Beseitigung fast aller Stadtbefestigungen nach 1873. Sein Reiz liegt besonders in seiner Detailvielfalt und Anschau-lichkeit. Man kann sich das „alte Erfurt“ vor rund 150 Jahren mit seinen mittelalterlichen Raum-strukturen so sehr viel plastischer vorstellen, was von vielen Besuchern freudig aufgenommen wird.

Eine der jüngeren Anschaffungen wirft ein Schlaglicht auf die schöne und bisweilen spektakuläre Arbeit des Fördervereins. Sie fällt in den Themenbereich der Revolution 1848/49. Seinerzeit erreichte die liberal-demokratische Nationalbewegung in Deutschland ihren Höhepunkt. In der seit Mai 1848 tagenden Frankfurter Nationalversammlung sollte die Verfassung für einen deutschen Nationalstaat ausgearbeitet werden. Die Demokraten zielten dabei auf eine Republik. Zu deren Wortführern zählte der Erfurter Buchhändler und Journalist Hermann Alexander Berlepsch (1814–1883). Berlepsch organisierte im Sommer 1848 fünf große „Thüringer Volkstage“ in Bad Berka, Ohrdruf, Arnstadt, Erfurt und Großbreitenbach, mit denen im Land der Kleinstaaten die „Erschaffung der Einheit im Thüringer Volke“ als Teil des vereinten deutschen Vaterlandes befördert werden sollte. Hier liegen wichtige demokratische Wurzeln des Freistaates Thüringen, wie er im 20. Jahrhundert schrittweise entstand. Nach dem Scheitern der Revolution flüchtete Berlepsch in die Schweiz und verstarb 1883 in Zürich. Dort tauchte im September 2021 eine prächtige Schärpe in den schwarz-rot-goldenen Farben der Nationalbewegung in einem Auktionskatalog auf. Diese war Berlepsch auf dem 2. Thüringer Volkstag am 2. Juli 1848 in Ohrdruf als „Präsidenten des Thüringer National-Comités“ der Demokraten überreicht worden. Gestiftet hatten sie die „Frauen und Jungfrauen des Schutzbürgervereins in Erfurt“, so die Inschrift einer vergoldeten Schnalle mit Eichenlaub. Der Fördervereinsvorsitzende Raßloff konnte die im Katalog nicht näher erläuterte Schärpe identifizieren und als ein herausragendes Symbol der thüringisch-mitteldeutschen Demokratiegeschichte einordnen. Oberkurator Eidam, der auf die Auktion aufmerksam geworden war, ersteigerte hierauf dank der finanziellen Unterstützung des Vereins das sehr gut erhaltene Exponat. Die am 2. Dezember 2021 der Öffentlichkeit präsentierte Schärpe soll 2025 im Rahmen einer Sonderausstellung zum 175. Jubiläum des Erfurter Unionsparlamentes 1850 erstmals dem Publikum gezeigt werden.

Steffen Raßloff: 30 Jahre bürgerschaftliches Engagement. Der Förderverein Stadtmuseum Erfurt. In: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte 32 (2025). S. 314-317.


Siehe: Förderverein Stadtmuseum Erfurt, Stadtmuseum Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt