Engelsburg Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Die Humanistenstätte'''
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Engelsburg (1): Die Holzstube der Engelsburg wird mit Hilfe der Universitätsgesellschaft saniert
[[Datei:Eburggasse2.jpg|350px|right]]'''Die bedeutende Humanisten- und Lutherstätte, eng verbunden mit "Poetenkönig" Helius Eobanus Hessus und den "Dunkelmännerbriefen", fungierte später als Studentenclub und Studentenzentrum.'''


Die Engelsburg hat als Humanistenstätte Geschichte geschrieben. Hier tagte einst der trinkfreudige Kreis um Eobanus Hessus und wurde Martin Luther von einem Blasenleiden kuriert. Anlässlich der bevorstehenden Sanierung des legendären „Humanistenerkers“ wirft eine Serie Schlaglichter auf die wechselvolle Geschichte des Häuserkomplexes.


Von Dr. Steffen Raßloff
Die Humanistenstätte Engelsburg gehört zu den ältesten Gebäudekomplexen in '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]'''. Sie datiert zurück bis ins 12. Jahrhundert. Ihren Höhepunkt erlebte sie als Sitz des bedeutenden Erfurter Humanistenkreises um '''[[Helius Eobanus Hessus]]'''. Der Humanismus steht als große geistige Erneuerungsbewegung an der Schwelle zur Neuzeit um 1500. In Erfurt, Sitz der ältesten '''[[Universität Erfurt|Universität]]''' im heutigen Deutschland (1379), fasste der Humanismus seit dem späten 15. Jahrhundert Fuß. Von 1514 bis 1526 versammelte sich in der „Engelsburg“ der Humanistenkreis um „Poetenkönig“ Hessus, aus demn auch die berühmten '''[[Dunkelmännerbriefe Erfurter Humanistenkreis|Dunkelmännerbriefe]]''' mit hervorgingen. Förderer des Kreises und seit 1515 Besitzer der Engelsburg war der wohlhabende Arzt und Universitäts-Rektor Georg Sturtz. Der Hessus-Kreis begrüßte auch enthusiastisch die Reformation '''[[Martin Luther|Martin Luthers]]''', der als Freund von Sturtz und Hessus mehrfach in der Engelsburg zu Gast war.
Nach diversen Nutzungen konnte 1968 der Studentenclub Engelsburg eröffnet werden. Träger war bis 1993 die '''[[Medizinische Akademie Erfurt]]''', danach übernahm der Verein Studentenzentrum Engelsburg e.V. die Betreibung. Die "Eburg" war nach umfassender Sanierung 1997-2000 mit Gewölbekeller, Café „DuckDich“, Gaststätte „Steinhaus“ und malerischem Biergarten eine der beliebtesten Adressen in der Altstadt. Sie bot, oft in Kooperation mit '''[[Universität Erfurt|Universität]]''' und '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]''', ein breites Veranstaltungsangebot. 2016 wandelte sich das Studentenzentrum nach der Neuverpachtung durch die Stadt zum Kulturzentrum Engelsburg.


Die Universitätsgesellschaft Erfurt hat sich entschlossen, die Sanierung der Holzstube in der Engelsburg, den legendären „Humanistenerker“, maßgeblich zu unterstützen. Hierfür werden Gelder eingesetzt, die eigentlich für den Wiederaufbau des Collegium maius, des alten Universitätshauptgebäudes, gedacht waren. Mit dem Verkauf des Kollegiums durch die Stadt an die Evangelische Kirche hatte sich jedoch dieses mit viel Engagement verfolgte Ziel im vergangenen Jahr erledigt, zum Bedauern nicht nur von Gesellschafts-Präsident Dr. Anselm Räder.
[[Datei:Bohlenstube.jpg|350px|right]]Eine besondere Attraktion der Engelsburg ist die in die Kirchhofgasse auskragende Bohlenstube des Hauses "Zum schwarzen Ross" aus der Zeit um 1462. Diese Holzstuben waren beheizbare Aufenthaltsräume und galten als Zeichen von Wohlstand. 1592 wurden unter anderem Vorhangmalereien an den Wänden und eine bemalte Kassettendecke eingefügt. 2011 initiierte die '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]''' eine gründliche Restaurierung. Die Bohlenstube galt lange Zeit als Treffpunkt des Erfurter Humanistenkreises. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, dass die Treffen wahrscheinlich in dem 1952 abgerissenen Haus in der Allerheiligenstraße stattfanden, wo heute der moderne Eingangsbereich steht. Dieses Gebäude trug ursprünglich den Namen „Zur Engelsburg“, der später auf den gesamten Komplex überging - und damit auch die Legende vom „Humanistenerker“.


Mit der Engelsburg fand die Universitätsgesellschaft jedoch ein wahrhaft würdiges Nachfolgeobjekt und engagierte Partner. Das dortige Studentenzentrum, der Förderverein Humanistenstätte und der Förderverein „Die Alten“ freuen sich über die gut begründete Entscheidung. Der historische Gebäudekomplex in der Allerheiligenstraße 20 war und ist eng mit der Universität Erfurt verknüpft. Dabei verhalfen nur wenige Jahrzehnte in ihrer langen und wechselvollen Geschichte der Engelsburg zu dauerhaftem Ruhm. Hier versammelte sich ein Kreis führender Humanisten, darunter viele Gelehrte der renommierten Alma mater Erfordensis.
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


Bauuntersuchungen haben ergeben, dass die Gebäude des heute unter dem Namen Engelsburg bekannten Komplexes zu den ältesten in Erfurt gehören. Sie datieren zurück bis ins 12. Jahrhundert. Ihre kulturgeschichtlich bedeutsamste Zeit erlebte die Engelsburg als Sitz des Humanisten und „Poeten-Königs“ Eobanus Hessus in den Jahren um 1520. Sie gehörte damals zunächst dem Schwiegervater Hessus`, dann seinem Gönner Georg Sturz. Der wohlhabende Arzt und Universitätsrektor Sturz ermöglichte die unbeschwerte Geselligkeit der trinkfreudigen Gelehrten. Diesem Kreis entsprangen auch die berühmten „Dunkelmännerbriefe“, die treffendste Satire auf mittelalterliche Scholastik und ungebildete Geistlichkeit. Allerdings fanden die Humanistentreffen wohl nicht in der heutigen Holzstube mit ihrem Erker zur Kirchhofsgasse statt, sondern in dem 1952 abgerissenen Hauptgebäude „Zur Engelsburg“ an der Allerheiligenstraße.


Nicht nur wegen der Kontakte zwischen den Erfurter Humanisten und Martin Luther, wegen nachweislicher Aufenthalte und der Parteinahme des Hessus-Kreises für den Reformator kann man die Engelsburg auch zu den Lutherstätten in Erfurt zählen. Eine dramatische Episode in Luthers Leben fand hier ihren Ausklang. 1537 plagte ihn ein heftiges Blasensteinleiden, an dessen Folgen er fast verstorben wäre. Auf dem Rückweg von Schmalkalden nach Wittenberg wurde Luther von seinem Freund Sturz deshalb in der Engelsburg gepflegt.
'''Lesetipps:'''
 
Steffen Raßloff: '''[[Dunkelmännerbriefe_Erfurter_Humanistenkreis|Dunkelmänner. Der Erfurter Humanistenkreis]]'''. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 38 f.
 
Erich Kleineidam: '''Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt''' (Bd. 2). Leipzig 1968.
 
Almut Märker: '''Geschichte der Universität Erfurt 1392-1816.''' Weimar 1993.  
 
 
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Engelsburg Serie|Presseserie zur Engelsburg]]''', '''[[Gedenktafel_Engelsburg|Gedenktafel Humanistenstätte]]''', '''[[Universitätsgesellschaft_Eburger|Engelsburg und Universitätsgesellschaft]]''', '''[[Medizinische Akademie Erfurt|Denkmal Medizinische Akademie]]''', '''[[Infotafeln_und_Film_Engelsburg|Schautafeln und Film zur Engelsburg]]'''

Aktuelle Version vom 7. Mai 2024, 10:43 Uhr

Die Engelsburg

Eburggasse2.jpg

Die bedeutende Humanisten- und Lutherstätte, eng verbunden mit "Poetenkönig" Helius Eobanus Hessus und den "Dunkelmännerbriefen", fungierte später als Studentenclub und Studentenzentrum.


Die Humanistenstätte Engelsburg gehört zu den ältesten Gebäudekomplexen in Erfurt. Sie datiert zurück bis ins 12. Jahrhundert. Ihren Höhepunkt erlebte sie als Sitz des bedeutenden Erfurter Humanistenkreises um Helius Eobanus Hessus. Der Humanismus steht als große geistige Erneuerungsbewegung an der Schwelle zur Neuzeit um 1500. In Erfurt, Sitz der ältesten Universität im heutigen Deutschland (1379), fasste der Humanismus seit dem späten 15. Jahrhundert Fuß. Von 1514 bis 1526 versammelte sich in der „Engelsburg“ der Humanistenkreis um „Poetenkönig“ Hessus, aus demn auch die berühmten Dunkelmännerbriefe mit hervorgingen. Förderer des Kreises und seit 1515 Besitzer der Engelsburg war der wohlhabende Arzt und Universitäts-Rektor Georg Sturtz. Der Hessus-Kreis begrüßte auch enthusiastisch die Reformation Martin Luthers, der als Freund von Sturtz und Hessus mehrfach in der Engelsburg zu Gast war.

Nach diversen Nutzungen konnte 1968 der Studentenclub Engelsburg eröffnet werden. Träger war bis 1993 die Medizinische Akademie Erfurt, danach übernahm der Verein Studentenzentrum Engelsburg e.V. die Betreibung. Die "Eburg" war nach umfassender Sanierung 1997-2000 mit Gewölbekeller, Café „DuckDich“, Gaststätte „Steinhaus“ und malerischem Biergarten eine der beliebtesten Adressen in der Altstadt. Sie bot, oft in Kooperation mit Universität und Universitätsgesellschaft, ein breites Veranstaltungsangebot. 2016 wandelte sich das Studentenzentrum nach der Neuverpachtung durch die Stadt zum Kulturzentrum Engelsburg.

Bohlenstube.jpg

Eine besondere Attraktion der Engelsburg ist die in die Kirchhofgasse auskragende Bohlenstube des Hauses "Zum schwarzen Ross" aus der Zeit um 1462. Diese Holzstuben waren beheizbare Aufenthaltsräume und galten als Zeichen von Wohlstand. 1592 wurden unter anderem Vorhangmalereien an den Wänden und eine bemalte Kassettendecke eingefügt. 2011 initiierte die Universitätsgesellschaft eine gründliche Restaurierung. Die Bohlenstube galt lange Zeit als Treffpunkt des Erfurter Humanistenkreises. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, dass die Treffen wahrscheinlich in dem 1952 abgerissenen Haus in der Allerheiligenstraße stattfanden, wo heute der moderne Eingangsbereich steht. Dieses Gebäude trug ursprünglich den Namen „Zur Engelsburg“, der später auf den gesamten Komplex überging - und damit auch die Legende vom „Humanistenerker“.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Dunkelmänner. Der Erfurter Humanistenkreis. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 38 f.

Erich Kleineidam: Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt (Bd. 2). Leipzig 1968.

Almut Märker: Geschichte der Universität Erfurt 1392-1816. Weimar 1993.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Presseserie zur Engelsburg, Gedenktafel Humanistenstätte, Engelsburg und Universitätsgesellschaft, Denkmal Medizinische Akademie, Schautafeln und Film zur Engelsburg