Sidonia Hedwig Zäunemann: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
(3 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 2: | Zeile 2: | ||
'''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen | '''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]] (08.06.2013)''' | ||
Zeile 10: | Zeile 10: | ||
[[Datei:Zäunemannhaus.jpg| | [[Datei:Zäunemannhaus.jpg|380px|right]]Auf den ersten Blick scheint es symptomatisch zu sein, wenn in Erfurts Altstadt zwei bedeutenden Frauen des 18. Jahrhunderts sehr unterschiedlich gedacht wird. Während am Wohnhaus der Erfinderin des ersten Stickmusterbuches Amalie Pachelbel am Junkersand 1 eine Gedenktafel prangt, erfährt die emanzipierte Dichterin Sidonia Hedwig Zäunemann (1711-1740) in der nur einen Steinwurf entfernten Pilse 22 keine entsprechende Würdigung. Allerdings würde man mit einer solchen Gegenüberstellung der Tochter des bekannten Komponisten Johann Pachelbel nicht gerecht, die sich als Malerin und Kupferstecherin die Anerkennung der Nachwelt durchaus verdient hat. Auffallend bleibt aber, dass mit der „Zäunemännin“ eine der interessantesten weiblichen Persönlichkeiten der Erfurter Stadtgeschichte weitgehend in Vergessenheit geraten ist. | ||
Sidonia Hedwig Zäunemann hat ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Leben geführt. Allein schon ihr tragischer Tod am 11. Dezember 1740 mit 29 Jahren entspricht überhaupt nicht den Vorstellungen von einer jungen Dame aus gutem Hause. So streifte Sidonia gern allein zu Pferde durch das ländliche Thüringen, wobei sie sich notgedrungen als Mann verkleidete. Besonders hatte es ihr die Region um Ilmenau angetan, wo ihre Schwester wohnte. Beim Überqueren einer vom Hochwasser beschädigten Brücke über die Gera bei Plaue stürzte sie in den reißenden Fluss und ertrank. Damit endete auch die Karriere einer Poetin, die noch lange zu den wenigen herausragenden weiblichen Vertretern der Literaturgeschichte gehören sollte. 1738 hatte sie von der Universität Göttingen den Ehrentitel einer „Poeta laureata“, einer „lorbeergekrönten Dichterin“ erhalten. Jene begehrte kaiserliche Dichterkrone geht auf Traditionen seit der Antike zurück und wurde nur Schriftstellern von höchstem Rang verliehen. | Sidonia Hedwig Zäunemann hat ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Leben geführt. Allein schon ihr tragischer Tod am 11. Dezember 1740 mit 29 Jahren entspricht überhaupt nicht den Vorstellungen von einer jungen Dame aus gutem Hause. So streifte Sidonia gern allein zu Pferde durch das ländliche Thüringen, wobei sie sich notgedrungen als Mann verkleidete. Besonders hatte es ihr die Region um Ilmenau angetan, wo ihre Schwester wohnte. Beim Überqueren einer vom Hochwasser beschädigten Brücke über die Gera bei Plaue stürzte sie in den reißenden Fluss und ertrank. Damit endete auch die Karriere einer Poetin, die noch lange zu den wenigen herausragenden weiblichen Vertretern der Literaturgeschichte gehören sollte. 1738 hatte sie von der Universität Göttingen den Ehrentitel einer „Poeta laureata“, einer „lorbeergekrönten Dichterin“ erhalten. Jene begehrte kaiserliche Dichterkrone geht auf Traditionen seit der Antike zurück und wurde nur Schriftstellern von höchstem Rang verliehen. |
Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 13:06 Uhr
Sidonia Hedwig Zäunemann
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (08.06.2013)
Die gekrönte Dichterin
DENKMALE IN ERFURT (101): Als emanzipierte Poetin war Sidonia Hedwig Zäunemann in ihrer Zeit Außenseiterin und ist heute weitgehend vergessen.
Auf den ersten Blick scheint es symptomatisch zu sein, wenn in Erfurts Altstadt zwei bedeutenden Frauen des 18. Jahrhunderts sehr unterschiedlich gedacht wird. Während am Wohnhaus der Erfinderin des ersten Stickmusterbuches Amalie Pachelbel am Junkersand 1 eine Gedenktafel prangt, erfährt die emanzipierte Dichterin Sidonia Hedwig Zäunemann (1711-1740) in der nur einen Steinwurf entfernten Pilse 22 keine entsprechende Würdigung. Allerdings würde man mit einer solchen Gegenüberstellung der Tochter des bekannten Komponisten Johann Pachelbel nicht gerecht, die sich als Malerin und Kupferstecherin die Anerkennung der Nachwelt durchaus verdient hat. Auffallend bleibt aber, dass mit der „Zäunemännin“ eine der interessantesten weiblichen Persönlichkeiten der Erfurter Stadtgeschichte weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Sidonia Hedwig Zäunemann hat ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Leben geführt. Allein schon ihr tragischer Tod am 11. Dezember 1740 mit 29 Jahren entspricht überhaupt nicht den Vorstellungen von einer jungen Dame aus gutem Hause. So streifte Sidonia gern allein zu Pferde durch das ländliche Thüringen, wobei sie sich notgedrungen als Mann verkleidete. Besonders hatte es ihr die Region um Ilmenau angetan, wo ihre Schwester wohnte. Beim Überqueren einer vom Hochwasser beschädigten Brücke über die Gera bei Plaue stürzte sie in den reißenden Fluss und ertrank. Damit endete auch die Karriere einer Poetin, die noch lange zu den wenigen herausragenden weiblichen Vertretern der Literaturgeschichte gehören sollte. 1738 hatte sie von der Universität Göttingen den Ehrentitel einer „Poeta laureata“, einer „lorbeergekrönten Dichterin“ erhalten. Jene begehrte kaiserliche Dichterkrone geht auf Traditionen seit der Antike zurück und wurde nur Schriftstellern von höchstem Rang verliehen.
Dennoch erzielte Sidonia Hedwig Zäunemann schon bei den Zeitgenossen weniger Breitenwirkung als andere Dichterinnen und fiel ihr Werk bald dem Vergessen anheim. Das lag wohl auch an ihrer, modern gesprochen, sehr emanzipierten Haltung, die in manches Gedicht einfloss. Eine noch lange von Männern dominierte Gesellschaft konnte mit solchen Reimen wenig anfangen: „Ihr Männer bildet euch nicht ein, / Als ob Vernunft, Verstand, Gelehrsamkeit und aufgeklärter Sinn / Solt euer Eigenthum und Erbrecht seyn.“ Die Tochter des Erfurter Advokaten Paul Nikolas Zäunemann, die bis zu ihrem Tode im Hause des Vaters wohnen blieb, hatte von frühester Jugend an gegen das Vorrecht der Männer auf höhere Bildung opponiert. Eine Gedenktafel am modernen Neubau in der Pils 22 stünde der Vaterstadt jener außergewöhnlichen Dichterin sicher gut zu Gesichte. (Foto: Dr. Steffen Raßloff)
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt