Gedenktafel Georgenburse: Unterschied zwischen den Versionen
K (Schützte „Gedenktafel Georgenburse“ ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt))) |
|||
(8 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
= Gedenktafel Georgenburse = | = Gedenktafel Georgenburse = | ||
'''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen | [[Datei:Georgenbursenetz.jpg|350px|right]][[Datei:Georgenbursetafel.jpg|350px|right]]'''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]] (10.03.2012)''' | ||
Zeile 9: | Zeile 9: | ||
Romantisch mit Efeu überwuchert steht eine Mauer im Hinterhof des Hauses Augustinerstraße 28. An ihr findet sich eine schon etwas verwitterte Gedenktafel, die auf die Georgenburse hinweist. Dort steht zu lesen, dass jene Burse 1465 vom Stadtrat gekauft und fortan als Studentenwohnheim der Universität genutzt worden sei. Hier habe, so erfährt man weiter, Martin Luther als Student gelebt. Warum, so mag sich mancher fragen, hängt diese Tafel aber nicht an dem erst 2010 sanierten Gebäude der Georgenburse selbst, das direkt daneben steht? Nun, dies hat insofern seine Richtigkeit, als die einstige Burse bis hin an die Augustinerstraße reichte. Das, was heute als Georgenburse firmiert, ist also nur Teil eines einst viel größeren Gebäudekomplexes. | |||
Dies war im Mittelalter nicht ungewöhnlich, da sich das Studium überwiegend in Kollegien und Bursen abspielte. Die bis zu 1000 Studenten der Universität mussten in den klosterähnlichen Studien- und Wohnstätten Quartier nehmen. Der Alltag war hier vom Aufstehen in aller Herrgottsfrühe bis hin zum zeitigen Zubettgehen strikt geregelt. Man finanzierte sich gemeinsam aus den Gebühren der Bewohner, woher auch der Name Burse stammt, der an die Geldbörse erinnert. Die Kollegien waren große, angesehene Bursen, in denen zahlreiche Lehrende und Lernende gemeinsam lebten. Das Collegium maius etwa diente als Hauptsitz der Universität. Die privaten Bursen waren dagegen kleiner. | Dies war im Mittelalter nicht ungewöhnlich, da sich das Studium überwiegend in Kollegien und Bursen abspielte. Die bis zu 1000 Studenten der Universität mussten in den klosterähnlichen Studien- und Wohnstätten Quartier nehmen. Der Alltag war hier vom Aufstehen in aller Herrgottsfrühe bis hin zum zeitigen Zubettgehen strikt geregelt. Man finanzierte sich gemeinsam aus den Gebühren der Bewohner, woher auch der Name Burse stammt, der an die Geldbörse erinnert. Die Kollegien waren große, angesehene Bursen, in denen zahlreiche Lehrende und Lernende gemeinsam lebten. Das Collegium maius etwa diente als Hauptsitz der Universität. Die privaten Bursen waren dagegen kleiner. | ||
Die bekannteste ist zweifellos die Georgenburse. Ein Brief des Luther-Verwandten Dietrich Lindemann von 1526 belegt, dass der spätere Reformator hier vermutlich zwischen 1501 und 1505 als Bursale lebte: „Grüßt mir unseren Verwandten M. Luther, der als Baccalaureus mich einst zu Erfurt in der Georgenburse einige Tage freundlich aufnahm.“ Die Georgenburse existierte bis Mitte des 16. Jahrhunderts und wurde dann aufgrund zurückgehender Studentenzahlen geschlossen. Fortan sah der mehrfach umgebaute Komplex verschiedenste Nutzungen. Neuere Bauforschungen von Christian Misch gehen sogar davon aus, dass das heutige Gebäude erst im späten 16. Jahrhundert entstanden ist. Im Zweiten Weltkrieg fielen die Vorderhäuser Bomben zum Opfer. Das erhaltene Gebäude erhielt im Lutherjahr 1983 sein heutiges Aussehen. Die davor angelegte Grünanlage musste nach der Wende einem wuchtigen Neubau weichen, so dass heute nur ein schmaler Fußweg von der Lehmannsbrücke zur Burse führt. 2010 öffnete dort die Bildungsstätte „Georgenburse Erfurt – Studienort der Lutherzeit“ mit einer ökumenischen Pilgerherberge. Eine von Dr. Steffen Raßloff und Carl Ulrich Spannaus gestaltete Dauerausstellung beleuchtet das mittelalterliche Universitätsleben sowie die Bedeutung als Lutherstätte. | Die bekannteste ist zweifellos die Georgenburse. Ein Brief des Luther-Verwandten Dietrich Lindemann von 1526 belegt, dass der spätere Reformator hier vermutlich zwischen 1501 und 1505 als Bursale lebte: „Grüßt mir unseren Verwandten M. Luther, der als Baccalaureus mich einst zu Erfurt in der Georgenburse einige Tage freundlich aufnahm.“ Die Georgenburse existierte bis Mitte des 16. Jahrhunderts und wurde dann aufgrund zurückgehender Studentenzahlen geschlossen. Fortan sah der mehrfach umgebaute Komplex verschiedenste Nutzungen. Neuere Bauforschungen von Christian Misch gehen sogar davon aus, dass das heutige Gebäude erst im späten 16. Jahrhundert entstanden ist. Im Zweiten Weltkrieg fielen die Vorderhäuser Bomben zum Opfer. Das erhaltene Gebäude erhielt im Lutherjahr 1983 sein heutiges Aussehen. Die davor angelegte Grünanlage musste nach der Wende einem wuchtigen Neubau weichen, so dass heute nur ein schmaler Fußweg von der Lehmannsbrücke zur Burse führt. 2010 öffnete dort die Bildungsstätte „Georgenburse Erfurt – Studienort der Lutherzeit“ mit einer ökumenischen Pilgerherberge. Eine von Dr. Steffen Raßloff und Carl Ulrich Spannaus gestaltete Dauerausstellung beleuchtet das mittelalterliche Universitätsleben sowie die Bedeutung als Lutherstätte. (Fotos: Dr. Steffen Raßloff) | ||
Siehe auch: '''[[ | Siehe auch: '''[[Georgenburse Erfurt|Georgenburse]]''', '''[[Martin Luther|Luther und Erfurt]]''', '''[[Universität Erfurt]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''' |
Aktuelle Version vom 8. November 2024, 11:59 Uhr
Gedenktafel Georgenburse
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (10.03.2012)
Luthers Burse
DENKMALE IN ERFURT (37): Die Georgenburse gehört als Luthers Studentenwohnheim zu den wichtigsten Lutherstätten in Erfurt. Hieran erinnert eine etwas versteckte Gedenktafel.
Romantisch mit Efeu überwuchert steht eine Mauer im Hinterhof des Hauses Augustinerstraße 28. An ihr findet sich eine schon etwas verwitterte Gedenktafel, die auf die Georgenburse hinweist. Dort steht zu lesen, dass jene Burse 1465 vom Stadtrat gekauft und fortan als Studentenwohnheim der Universität genutzt worden sei. Hier habe, so erfährt man weiter, Martin Luther als Student gelebt. Warum, so mag sich mancher fragen, hängt diese Tafel aber nicht an dem erst 2010 sanierten Gebäude der Georgenburse selbst, das direkt daneben steht? Nun, dies hat insofern seine Richtigkeit, als die einstige Burse bis hin an die Augustinerstraße reichte. Das, was heute als Georgenburse firmiert, ist also nur Teil eines einst viel größeren Gebäudekomplexes.
Dies war im Mittelalter nicht ungewöhnlich, da sich das Studium überwiegend in Kollegien und Bursen abspielte. Die bis zu 1000 Studenten der Universität mussten in den klosterähnlichen Studien- und Wohnstätten Quartier nehmen. Der Alltag war hier vom Aufstehen in aller Herrgottsfrühe bis hin zum zeitigen Zubettgehen strikt geregelt. Man finanzierte sich gemeinsam aus den Gebühren der Bewohner, woher auch der Name Burse stammt, der an die Geldbörse erinnert. Die Kollegien waren große, angesehene Bursen, in denen zahlreiche Lehrende und Lernende gemeinsam lebten. Das Collegium maius etwa diente als Hauptsitz der Universität. Die privaten Bursen waren dagegen kleiner.
Die bekannteste ist zweifellos die Georgenburse. Ein Brief des Luther-Verwandten Dietrich Lindemann von 1526 belegt, dass der spätere Reformator hier vermutlich zwischen 1501 und 1505 als Bursale lebte: „Grüßt mir unseren Verwandten M. Luther, der als Baccalaureus mich einst zu Erfurt in der Georgenburse einige Tage freundlich aufnahm.“ Die Georgenburse existierte bis Mitte des 16. Jahrhunderts und wurde dann aufgrund zurückgehender Studentenzahlen geschlossen. Fortan sah der mehrfach umgebaute Komplex verschiedenste Nutzungen. Neuere Bauforschungen von Christian Misch gehen sogar davon aus, dass das heutige Gebäude erst im späten 16. Jahrhundert entstanden ist. Im Zweiten Weltkrieg fielen die Vorderhäuser Bomben zum Opfer. Das erhaltene Gebäude erhielt im Lutherjahr 1983 sein heutiges Aussehen. Die davor angelegte Grünanlage musste nach der Wende einem wuchtigen Neubau weichen, so dass heute nur ein schmaler Fußweg von der Lehmannsbrücke zur Burse führt. 2010 öffnete dort die Bildungsstätte „Georgenburse Erfurt – Studienort der Lutherzeit“ mit einer ökumenischen Pilgerherberge. Eine von Dr. Steffen Raßloff und Carl Ulrich Spannaus gestaltete Dauerausstellung beleuchtet das mittelalterliche Universitätsleben sowie die Bedeutung als Lutherstätte. (Fotos: Dr. Steffen Raßloff)
Siehe auch: Georgenburse, Luther und Erfurt, Universität Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt