Augustinerkloster Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Augustinerkloster darf also für sich beanspruchen, am Beginn der Entwicklung des großen Reformators zu stehen, dessen entscheidende biographische Zäsur hier stattfand. Symbolisch hierfür mag die bis heute erhaltene '''[[Lutherpforte Augustinerkloster Erfurt|Lutherpforte]]''' stehen. Bis 1511 lebte Luther in Erfurt, dem er zeitlebens eng verbunden blieb. Im 500. Jubeljahr des Reformationsbeginns 2017 könnte das dem Kloster sogar den Titel '''[[UNESCO_Welterbe_Augustinerkloster_juedisches_Erbe|UNESCO-Weltkulturerbe]]''' als Ergänzung zu den Lutherstätten in Eisleben und Wittenberg einbringen. Seine Anfänge gehen ins 13. Jahrhundert zurück. Der Orden der Augustinereremiten war nach schwierigen Anfängen endgültig seit 1277 in Erfurt präsent und baute schrittweise den noch immer erlebbaren Klosterkomplex auf. Herzstück ist die Augustinerkirche, die natürlich auch besonders eng mit Luther verbunden ist. 1507 hielt er hier seine erste Messe und wählte aus den herrlichen Kirchenfenstern ein Motiv für sein persönliches Kennzeichen aus, die berühmte Lutherrose. | Das Augustinerkloster darf also für sich beanspruchen, am Beginn der Entwicklung des großen Reformators zu stehen, dessen entscheidende biographische Zäsur hier stattfand. Symbolisch hierfür mag die bis heute erhaltene '''[[Lutherpforte Augustinerkloster Erfurt|Lutherpforte]]''' stehen. Bis 1511 lebte Luther in Erfurt, dem er zeitlebens eng verbunden blieb. Im 500. Jubeljahr des Reformationsbeginns 2017 könnte das dem Kloster sogar den Titel '''[[UNESCO_Welterbe_Augustinerkloster_juedisches_Erbe|UNESCO-Weltkulturerbe]]''' als Ergänzung zu den Lutherstätten in Eisleben und Wittenberg einbringen. Seine Anfänge gehen ins 13. Jahrhundert zurück. Der Orden der Augustinereremiten war nach schwierigen Anfängen endgültig seit 1277 in Erfurt präsent und baute schrittweise den noch immer erlebbaren Klosterkomplex auf. Herzstück ist die Augustinerkirche, die natürlich auch besonders eng mit Luther verbunden ist. 1507 hielt er hier seine erste Messe und wählte aus den herrlichen Kirchenfenstern ein Motiv für sein persönliches Kennzeichen aus, die berühmte Lutherrose. | ||
Freilich war es auch die von Luther eingeleitete Reformation, die zur endgültigen Aufhebung des Klosters 1559 führte. Wesentlichen Anteil daran hatte der letzte Prior des Klosters. Johannes Lang gilt nicht nur als „Reformator Erfurts“, sondern als wichtiger Mitstreiter Luthers, den er schon in der gemeinsamen Klosterzeit kennengelernt hatte. Angesiedelt waren hier fortan verschiedene Einrichtungen wie das Ratsgymnasium und ein Waisenhaus. Im Zweiten Weltkrieg ereignete sich im Augustinerkloster eine große Tragödie. Der '''[[Ort_der_Stille_Augustinerkloster|Ort der Stille]]''' unter der ehemaligen Klosterbibliothek erinnert an die 267 Opfer des verheerenden britischen Luftangriffs vom 25. Februar 1945. Sie waren in dem Luftschutzkeller unter dem getroffenen Gebäude verschüttet worden. | Freilich war es auch die von Luther eingeleitete Reformation, die zur endgültigen Aufhebung des Klosters 1559 führte. Wesentlichen Anteil daran hatte der letzte Prior des Klosters. Johannes Lang gilt nicht nur als „Reformator Erfurts“, sondern als wichtiger Mitstreiter Luthers, den er schon in der gemeinsamen Klosterzeit kennengelernt hatte. Angesiedelt waren hier fortan verschiedene Einrichtungen wie das Ratsgymnasium und ein Waisenhaus. Im Zweiten Weltkrieg ereignete sich im Augustinerkloster eine große Tragödie. Der '''[[Ort_der_Stille_Augustinerkloster|Ort der Stille]]''' unter der ehemaligen Klosterbibliothek erinnert an die 267 Opfer des verheerenden britischen Luftangriffs vom 25. Februar 1945 (Abb. 2). Sie waren in dem Luftschutzkeller unter dem getroffenen Gebäude verschüttet worden. | ||
Der Wiederaufbau des Klosters zog sich über Jahrzehnte hin, zumal sich Teile im Besitz der Stadt befanden. Die SED-Oberen waren aber keineswegs an einem lebendigen Lutherort in Kirchenhand interessiert. Erst die Vorbereitungen auf das mit großen Aufwand vorbereitete '''[[Luther Ehrung Erfurt 1983|Lutherjahr 1983]]''' zu Ehren des 500. Geburtstages des Reformators brachten einen Sinneswandel. Die DDR wollte sich international als weltoffenes Lutherland darstellen und den Reformator für ihr Geschichtsbild nutzen. Unter persönlicher Einflussnahme von SED-Generalsekretär Erich Honecker konnten so die Grundstücksfragen gelöst und das Kloster dank Unterstützung aus aller Welt von der Kirche saniert werden. | Der Wiederaufbau des Klosters zog sich über Jahrzehnte hin, zumal sich Teile im Besitz der Stadt befanden. Die SED-Oberen waren aber keineswegs an einem lebendigen Lutherort in Kirchenhand interessiert. Erst die Vorbereitungen auf das mit großen Aufwand vorbereitete '''[[Luther Ehrung Erfurt 1983|Lutherjahr 1983]]''' zu Ehren des 500. Geburtstages des Reformators brachten einen Sinneswandel. Die DDR wollte sich international als weltoffenes Lutherland darstellen und den Reformator für ihr Geschichtsbild nutzen. Unter persönlicher Einflussnahme von SED-Generalsekretär Erich Honecker konnten so die Grundstücksfragen gelöst und das Kloster dank Unterstützung aus aller Welt von der Kirche saniert werden. |
Version vom 7. Juni 2015, 06:52 Uhr
Augustinerkloster Erfurt
Evangelische Tagungs- und Begegnungsstätte in Erfurt, 1505-1511 Kloster Martin Luthers
Vorgeschlagen zur Aufnahme auf die UNESCO-Welterbeliste 2017
Am 17. Juli 1505 wurde im Kloster der Augustinereremiten zu Erfurt Weltgeschichte geschrieben. Allerdings war das den damals Beteiligten noch nicht bewusst. Ein paar Kommilitonen verabschiedeten den Jura-Studenten der Erfurter Universität Martinus Ludher an der Pforte in der heutigen Comthurgasse. Dieser hatte sich entschlossen, der Welt zu entsagen und sich ganz einem gottgefälligen Leben als Mönch zu widmen. Bis zuletzt hatten ihm seine Freunde dies auszureden versucht, lag doch vor dem angehenden Juristen eine glänzende Karriere im Dienste eines Fürsten oder einer mächtigen Stadt. Am meisten entsetzt war der Vater, der sich vom Studium seines Sohnes einen weiteren sozialen Aufstieg der Familie aus kleinen Verhältnissen erhofft hatte.
Aber wie war es hierzu gekommen? Am 2. Juli 1505 befand sich der Studiosus zu Fuß auf dem Rückweg von seinen Eltern in Mansfeld. Schon in Sichtweite der Stadt, nahe dem heutigen Vorort Stotternheim, überraschte ihn ein schweres Gewitter. Beim Einschlag eines Blitzes tat er in Todesangst den spontanen Schwur „Hilf du, heilige Anna, ich will ein Mönch werden!“ Diesen Entschluss setzte Martin Luther als göttliche Fügung konsequent um und trat knapp zwei Wochen später in das Augustinerkloster ein. So jedenfalls will es die ältere Geschichtsschreibung. Heute vermuten Historiker und Theologen eher einen längeren Prozess, der zur Hinwendung ins Religiöse führte. Sicher ist aber, dass mit dem Eintritt in das Augustinerkloster die intensive Auseinandersetzung Luthers mit der Frage begann, wie er einen gnädigen Gott bekommen könne. Hier liegen wesentliche Wurzeln seiner Theologie.
Das Augustinerkloster darf also für sich beanspruchen, am Beginn der Entwicklung des großen Reformators zu stehen, dessen entscheidende biographische Zäsur hier stattfand. Symbolisch hierfür mag die bis heute erhaltene Lutherpforte stehen. Bis 1511 lebte Luther in Erfurt, dem er zeitlebens eng verbunden blieb. Im 500. Jubeljahr des Reformationsbeginns 2017 könnte das dem Kloster sogar den Titel UNESCO-Weltkulturerbe als Ergänzung zu den Lutherstätten in Eisleben und Wittenberg einbringen. Seine Anfänge gehen ins 13. Jahrhundert zurück. Der Orden der Augustinereremiten war nach schwierigen Anfängen endgültig seit 1277 in Erfurt präsent und baute schrittweise den noch immer erlebbaren Klosterkomplex auf. Herzstück ist die Augustinerkirche, die natürlich auch besonders eng mit Luther verbunden ist. 1507 hielt er hier seine erste Messe und wählte aus den herrlichen Kirchenfenstern ein Motiv für sein persönliches Kennzeichen aus, die berühmte Lutherrose.
Freilich war es auch die von Luther eingeleitete Reformation, die zur endgültigen Aufhebung des Klosters 1559 führte. Wesentlichen Anteil daran hatte der letzte Prior des Klosters. Johannes Lang gilt nicht nur als „Reformator Erfurts“, sondern als wichtiger Mitstreiter Luthers, den er schon in der gemeinsamen Klosterzeit kennengelernt hatte. Angesiedelt waren hier fortan verschiedene Einrichtungen wie das Ratsgymnasium und ein Waisenhaus. Im Zweiten Weltkrieg ereignete sich im Augustinerkloster eine große Tragödie. Der Ort der Stille unter der ehemaligen Klosterbibliothek erinnert an die 267 Opfer des verheerenden britischen Luftangriffs vom 25. Februar 1945 (Abb. 2). Sie waren in dem Luftschutzkeller unter dem getroffenen Gebäude verschüttet worden.
Der Wiederaufbau des Klosters zog sich über Jahrzehnte hin, zumal sich Teile im Besitz der Stadt befanden. Die SED-Oberen waren aber keineswegs an einem lebendigen Lutherort in Kirchenhand interessiert. Erst die Vorbereitungen auf das mit großen Aufwand vorbereitete Lutherjahr 1983 zu Ehren des 500. Geburtstages des Reformators brachten einen Sinneswandel. Die DDR wollte sich international als weltoffenes Lutherland darstellen und den Reformator für ihr Geschichtsbild nutzen. Unter persönlicher Einflussnahme von SED-Generalsekretär Erich Honecker konnten so die Grundstücksfragen gelöst und das Kloster dank Unterstützung aus aller Welt von der Kirche saniert werden. Seither fungiert es als renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte. Die internationalen Gäste bekommen eine Dauerausstellung „Bibel – Kloster – Luther“, Luthers rekonstruierte Zelle und eine einzigartige historische Bibliothek zu sehen. Vollendet wurde der beeindruckende Wiederaufbauprozess vor wenigen Jahren mit den modernen Neubauten der ehemaligen Bibliothek und der Waidhäuser, die sich in ihrer Form harmonisch in den gewachsenen Klosterkomplex einpassen.
Trotz aller Bemühungen Luthers und der protestantischen Bevölkerungsmehrheit konnte sich die Reformation in Erfurt nie gänzlich durchsetzen. Das führte dazu, dass über Jahrhunderte Protestanten und Katholiken in Erfurt mehr oder weniger friedlich nebeneinander lebten und bis heute leben. Die Stadt ist sowohl Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, als auch Kapitale des katholischen Bistums Erfurt. Das mag wesentlich zum letzten großen Höhepunkt in der Geschichte des Augustinerklosters beigetragen haben. Mit dem Besuch von Papst Benedikt XVI. im September 2011 rückte das Kloster Luthers als ökumenischer Symbolort in den Fokus der Weltöffentlichkeit. (Fotos: Augustinerkloster, Dr. Steffen Raßloff).
Literaturtipps:
Steffen Raßloff/Volker Leppin/Thomas A. Seidel (Hg.): Orte der Reformation. Erfurt. Leipzig 2012.
Lothar Schmelz/Michael Ludscheidt (Hg.): Luthers Erfurter Kloster. Das Augustinerkloster im Spannungsfeld von monastischer Tradition und protestantischem Geist. Erfurt 2005.
Steffen Raßloff: Martin Luther im Fadenkreuz der SED-Politik. Der Erinnerungsort Erfurt und das Lutherjahr 1983. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 65 (2004). S. 97-123.
Siehe auch: Augustinerkloster Erfurt, Erfurter Geschichtsmuseen