Futterstr 8 Archäologischer Bericht TLDA

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Futterstraße_8_Bericht des TLDA Weimar

Bericht des TLDA über die archäologische Grabung in der Futterstraße 7 und 8

Für den Bau einer zweigeschossigen Tiefgarage mussten zwischen Futterstraße 7 und 8 bis unmittelbar an die Meienbergstraße reichend 2.000 m² ausgegraben werden. Technisch war für den Tiefgaragenbau nötig, bereits von der obersten Ebene Bohrpfähle am Rande des zukünftigen Baus einzubringen. Lediglich am Nordrand der Grabungsfläche ermöglichten die tiefen, modernen Keller der angrenzenden Grundstücke eine Grabung ohne Verbau. Wie immer in der Innenstadt war der Abtransport des Aushubes nicht ohne Schwierigkeiten möglich, zudem erforderte der laufende Hotelbetrieb Rücksichtnahme in Arbeitszeiten und Baugeräuschen. Da archäologische Untersuchungen und Baufortschritt unmittelbar voneinander abhingen, waren Abstimmungen in viel höherem Maße als sonst notwendig und nicht immer einfach.

Der an die Straße angrenzende Teil der Futterstraße 7 und die benachbarten Grundstücke Futterstraße 3 und 4 sind bereits 1999 bzw. 2001 und 2003 im Vorfeld von Baumaßnahmen ausgegraben worden. Bei Arbeiten im Straßenbereich konnten zudem besondere archäologische Funde geborgen werden. Darunter war beispielsweise ein romanischer Messerscheidenbeschlag, den Wolfgang Timpel in seiner Zusammenstellung im Jahr 1987 vorstellte. Auf dem Grundstück selbst waren Leitungsverlegungen beim Garagenbau für das damalige Eichamt begleitet worden. Karl Peschel wollte dabei die frühmittelalterliche Besiedlung nachweisen. Dies gelang jedoch nicht.

Die vorangegangenen Untersuchungen ließen erwarten, dass Siedlungsbefunde von der Bronzezeit bis zu allen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Epochen angetroffen würden. Die relativ geringe moderne Bebauung ließ zudem auf eine gute Befunderhaltung hoffen. Tatsächlich bestätigten sich die Erwartungen zum größten Teil. Insgesamt konnten über 400 archäologische Befunde dokumentiert werden. Das Fundmaterial war überaus umfangreich, es wurden fast 1.000 Inventarnummern vergeben, was vor allem damit zusammenhängt, dass aus den mittelalterlichen Latrinen eine sehr große Menge meist intakter Gefäße geborgen werden konnte.

Urgeschichtliche Befunde

Der älteste Siedlungsnachweis reichte bis in das Neolithikum. Allerdings konnte lediglich eine Kulturschicht der Stichbandkeramik erfasst werden, keine Siedlungsbefunde oder Gräber. Aus einer Grube wurde eine latènezeitliche Fibel (Kommentar kö aus Internet: Die Latènezeit, auch La-Tène-Zeit, ist eine Epoche der jüngeren vorrömischen Eisenzeit in weiten Teilen Mitteleuropas. Sie reicht von etwa 450 v. Chr. bis zur Zeit um Christi Geburt.) geborgen und ein bislang nicht zu bestimmendes Buntmetallfragment. In die römische Kaiserzeit kann das Grubenhaus mit der Befundnummer datiert werden. Die ergrabene Größe betrug 3,08 mal 3,16 m, durch jüngere Störungen konnten nur 3 Pfosten dokumentiert werden, darunter ein Firstpfosten, in dem ein komplettes Hundeskelett lag. Ein Fußboden war nicht erhalten. Neben Keramik enthielt die Auffüllung des Hauses auch eine kaiserzeitliche Fibel. Ein zweites Grubenhaus mit der Befundnummer 34 besaß eine Mindestlänge von 5,54 m und eine Breite von über 2,60 m. Es wies einen Laufhorizont auf und war NNW-SSO orientiert. Die Zahl der zugehörigen Pfosten ist nicht bestimmbar. Bei den Befunden 154 und 190 ist zwar die gleiche Zeitstellung gesichert, aber die Funktion der Befunde ist wegen ihres geringen Ausschnittes unklar, möglicherweise handelte es sich um weitere Hausreste. Aus einer Grube stammt eine keltische Silbermünze des so genannten Prager Typs. Sie weist auf der Vorderseite einen sehr stark stilisierten Kopf, auf der Rückseite ein steigendes Pferd auf. Sie datiert in das erste Jh. vor Chr. Der Verbreitungsschwerpunkt dieses Münztyps liegt im tschechischen und fränkischen Raum, nördlich des Thüringer Waldes liegen Fundorte um Gotha, im Unstrut-Hainichkreis und in Leipzig. Für Erfurt ist dies die erste keltische Münze. Leider ist der Fundkontext nicht eindeutig. Sie stammt aus einer 0,60 m tiefen Grube, die Funde der römischen Kaiserzeit enthielt und mittelalterliche Keramik. Der Grabungsbereich wies mehrere Befunde dieser Zeitstellungen in dichter Überschneidung und Überlagerung auf, eine Unterscheidung war nicht immer eindeutig, zumal moderne Bodeneingriffe auch sicher zu Fundverlagerungen geführt hatten. Im engeren Umfeld der Grube wurden zwei Grubenhäuser dokumentiert, die eine ähnliche Durchmischung aufwiesen. Die Grube konnte auch nicht komplett untersucht werden, sie war bereits teilweise durch das Einbringen der Bohrpfähle zerstört.

Frühmittelalterliches Gefäß

Unter dem Fundament einer Scheune, das gleichzeitig eine zwischenzeitliche Grenze der Grabungsfläche bildete, konnte ein kleines frühmittelalterliches Gefäß geborgen und zusammengesetzt werden. Bei der Bergung sah es so aus, als käme es aus einem Pfostenloch, die Hoffung auf einen frühmittelalterlichen Hausbefund erfüllte sich bei der Erweiterung der Grabungsfläche leider nicht. Auf der anderen Mauerseite hatte eine Grube des 12­./13. Jahrhunderts, die einen großen Anteil Keramik der römischen Kaiserzeit enthielt, alle älteren Befunde zerstört. Es kam auch zu keinen weiteren Funden dieser Zeitstellung.

Mittelalterliche Baubefunde

Mit der Befundnummer 42­ konnte ein mittelalterliches Grubenhaus erfasst werden, das sehr umfangreiche Funde des ­12./13. Jahrhunderts enthielt. Es lag an der Nordseite der Grabungsfäche, hinter der Futterstraße. Durch jüngere Störungen lassen sich seine Maße nicht mehr bestimmen. Ein großer Pfostenbau konnte an der Grundstücksgrenze zur Meienbergstraße ­ untersucht werden. Es handelt sich um einen ebenerdigen Bau mit Lehmfußboden und je vier großen Pfosten an den Längswänden. Die Südwand konnte allerdings nicht erfasst werden, sie lag unter dem Nachbargebäude. Unter dem Fußboden, direkt auf dem anstehenden Kies, wurde eine bronzene Klappwaage geborgen, die durch die Funde aus der Hausverfüllung in das 12­. Jh. datierbar ist. Es handelt sich dabei um den bisher ersten Fund aus dieser Zeit aus dem Stadtgebiet.

Steinbauten

Vor allem im westlichen und südlichen Grabungsbereich konnten Gebäudereste dokumentiert werden, die teilweise ihren Ursprung in romanischer Zeit hatten, nach zahlreichen Umbauten bis zur Zerstörung genutzt wurden. Sie sollen hier nur zusammenfassend vorgestellt werden. Mit seiner Schmalseite grenzte ein großer Steinbau direkt an die Meienbergstraße. Er wies Kragsteine auf und Rollschichten, allerdings keine für die romanische Zeit zu erwartenden Ritzfugen. Dadurch ist seine Datierung in das 13. Jh. nicht ganz sicher. In einer späteren Nutzungsphase wurde der Keller eingewölbt. Östlich daneben ließ sich ein weiterer Keller als Negativbefund nachweisen. Die Mauern waren zwar herausgebrochen, der Fußboden war aber noch vorhanden und zeigte beispielsweise die Lage einer Zwischenwand an.

Etwas jünger einzuschätzen ist ein direkt nördlich an den zuerst beschriebenen Keller angrenzender Steinbau, dessen Zugang von Osten erfolgte. Nördlich davon erstreckte sich ein wiederum jüngerer Keller bis zur Grundstücksgrenze zur Futterstraße. Ein weiterer Anbau erfolgte nach Westen.

Qualitätsvolles romanisches Mauerwerk fand sich in einem großen Steinbau auf der anderen Seite der Grundstücksgrenze, zugehörig zur Futterstraße 8. Hier waren sowohl Rollschichten als auch Fugenritzung vorhanden, der Bau dürfte also noch im ­12. Jahrhundert entstanden sein. Durch jüngere Störungen waren die östlichen Wände nicht erhalten, auch die Nordwand war durch den Bau eines jüngeren Zugangs zerstört. Der gleich alte Anbau im Norden war durch eine jüngere Kellertonne überwölbt und nach Osten erweitert.

Brunnen

Auf der Grabungsäche konnten sechs Brunnen untersucht werden, von denen zwei im 14./15. Jahrhundert verfüllt wurden. Aus einem stammt lediglich eine mittelalterliche Scherbe, die eine sichere Datierung nicht ermöglicht, die übrigen waren als neuzeitlich einzuordnen.

Latrinen

Eine holzverschalte Latrine (Bef. 247­/248­) lag an der Nordostgrenze der Grabungs- fläche. Es hatten sich noch Reste von Pfosten und Brettern der Auskleidung erhalten. Sie wies Pfosten in den Ecken und je einen zur Aussteifung an der Längsseite auf. Ungewöhnlich ist die frühe Zeitstellung der Funde. Die Keramik ist in das ­12./13. Jh. zu datieren. Einige umgelagerte Scherben datieren in die römische Kai- serzeit. Auffällig waren unter den Funden die kompletten Skelette eines Hundes und einer Katze.

Eine ausgemauerte Latrine mit sehr vielen Funden lag mit ihrer Schmalseite an der Grenze zwischen Futterstraße und Meienbergstraße. Sie ist der Futterstraße zuzuordnen. Die Bauform war ungewöhnlich, über einer annähernd rechteckigen Grundfläche waren die Wände konvex errichtet. Die Funde ermöglichen eine Datierung dieser Latrine mit der Befundnummer 383 in das 14. Jahrhundert.

Ein großer, runder Latrinenschacht etwas weiter östlich, aber auf dem gleichen Grundstück, wurde offenbar über einen sehr langen Zeitraum genutzt und vermutlich zwischenzeitlich mehrfach geleert. Sein sehr großes Fundspektrum beginnt im 16. Jh. mit wenigen, aber sehr qualitätsvollen Funden. So konnte ein fast vollständiges, rotes Glasgefäß geborgen werden, das bisher aus Erfurt nicht bekannt war. Außerdem eine polychrom verzierte Glasscherbe von einem Trinkbecher. Auch eine rund 30 cm große, grün glasierte Nischenkachel mit dem Heiligen Martin stammt aus der Latrine. Sie besitzt ein modelgleiches Gegenstück im Fundmaterial aus dem Collegium Maius. Zu sehen ist der Heilige auf dem Pferd, der über eine Brücke reitet. Rechts und links von seinem Kopf sind zwei Engel zu sehen. Vor Martin kniet der Bettler, für den er den Mantel mit dem Schwert teilt. Die Kachel selbst ist grün glasiert, der darüber geführte, plastische Kielbogen ist mit einer gelben Glasur überzogen. Die jüngsten Funde datieren in das 17. bis 18. Jahrhundert. Neben sehr viel Glas fällt darunter auch die große Zahl von Apothekergefäßen auf. 1752­ und 1753 ist als Hausbesitzer der Futterstraße 8 der Arzt Johann Friedrich Tennemann belegt, mit dem die Gefäße im Zusammenhang stehen könnten.



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