Carillon Bartholomäusturm Erfurt

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Carillon im Bartholomäusturm

1979 bekam Erfurt zum 30. "Republikgeburtstag" das Carillon im Bartholomäusturm geschenkt, das heute zum Stadtmuseum gehört.


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Unter großem Trubel fand am 7. Oktober 1979, dem 30. Geburtstag der DDR, die Einweihung des Glockenspiels im Bartholomäusturm statt (Foto: Stadtmuseum Erfurt). Voller Stolz verkündete die Presse, dass Erfurt nun das größte seiner Art in der Republik besitze. Heute gehören Turm und Glocken zum Stadtmuseum Erfurt.

Die Einweihung des Carillons im Bartholomäusturm, wie das Glockenspiel richtig heißt, stellte den absoluten Höhepunkt des 30. Republikgeburtstages 1979 in Erfurt dar. An diesem Sonntag herrschte förmlich Ausnahmezustand am Anger. Die schmucke Fußgängerzone, erst zwei Jahre zuvor übergeben, war von Menschen völlig verstopft. Alle wollten Zeuge der Einweihung jener neuen Attraktion sein, die 1977 beschlossen worden war. In jenem Ratsbeschlusses war das Projekt auf die kulturpolitischen Zielstellungen der Ära Honecker bezogen worden, bei denen in Erfurt die architektonisch-künstlerische Gestaltung der Flaniermeile Anger und Bahnhofstraße im Mittelpunkt stand.

Das Ministerium der Kultur der DDR hatte 1977 die Finanzierung des Carillons übernommen und übereignete es am 7. Oktober 1979 der Stadt Erfurt. Die Veranstaltung begann um 11.30 Uhr mit einem Platzkonzert der Polizei. Oberbürgermeisters Heinz Scheinpflug übergab daraufhin symbolisch eine Glocke an den Direktor der Museen der Stadt Erfurt Dr. Rüdiger Helmboldt, den Rechtsträger der Anlage. Mit 30 Glockenschlägen der größten Glocke mit der Inschrift “Gewidmet dem 30. Jahrestag der DDR” und dem ersten Glockenspielkonzert von Martin Stephan fand die Veranstaltung ihren Höhepunkt. Froh gestimmt setzten viele der Zuhörer anschließend den Festtag beim 5. Krämerbrückenfest oder beim “Tag der Volkskunst” auf der iga fort.

Die Erfurter Ereignisse brachten es am Abend sogar in die “Aktuelle Kamera” und sollten in den Medien noch einige Zeit präsent bleiben. Immerhin handelte es sich um die Einweihung des größten Carillons in der DDR. Entworfen hatten es Margarete und Peter Schilling aus der traditionsreichen Glockenstadt Apolda. Im Sommer war es im Bartholomäusturm eingebaut worden, wofür mehrere Tage der Anger hatte gesperrt werden müssen.

Was da 1979 auf den altehrwürdigen Turm der einstigen Bartholomäuskirche gehievt wurde, beeindruckt bis heute. Das Erfurter Carillon umfasst 60 Bronzeglocken, die Größte mit einem Gewicht von 2400 kg. Mit seinem Tonumfang von 5 Oktaven gehört es nach wie vor zu den Größten in Deutschland. Gespielt hat es anfangs der Organist und Carillonneur Martin Stephan, unterstützt u.a. von Thomas Gööck. Seit Anfang der 1980er-Jahre stellte sich Franz Ludwig und in jüngster Zeit Ulrich Seidel der körperlich anstrengenden Aufgabe, die nicht ohne weiteres mit dem Klavier- oder Orgelspiel zu vergleichen ist. Dank einer 1992 eingebauten Automatik erklingen die Glocken täglich um 10, 12 und 18 Uhr.

Im Stadtmuseum, dem heutigen Träger, ist man sich der Verantwortung für das kulturelle Kleinod bewusst und hat dies mit einer Festwoche zum 30. Jubiläum 2009 unterstrichen. Vor den Feierlichkeiten zum 600. Turmjubiläum 2012 kam es nochmals zu Sanierungsarbeiten und der Einweihung großer Informationstafeln zur Geschichte von Turm und Carillon (Gestaltung: Albrecht von Kirchbach, Texte: Dr. Steffen Raßloff, Tim Erthel und Ulrich Seidel), unterstützt wie vieles andere vom Förderverein Stadtmuseum Erfurt. 2020 wurde im Förderverein eigens ein Arbeitskreis Erfurter Carillon gegründet, der sich ausschließlich um dessen Belange kümmert.

(Dr. Steffen Raßloff)


Literaturtipp:

Steffen Raßloff: 30 Jahre Carillon im Bartholomäusturm. Ein Kapitel Erfurter Kulturgeschichte. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 71 (2010). S. 149-162.


Siehe auch: Stadtmuseum Erfurt, Bartholomäusturm, Geschichte der Erfurter Museen, Anger