Willi Münzenberg Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]] (18.02.2012)'''


'''kommunistischer Publizist, Verleger und Filmemacher'''


'''geb. 1889 in [[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]], gest. 1940 bei Le Caugnet'''
'''Der rote Propaganda-Zar'''


DENKMALE IN ERFURT (33): Willi Münzenberg war einer der einflussreichsten Medienmacher Deutschlands. Seine Wurzeln liegen in Erfurt.


Der Kommunist Willi Münzenberg gilt als einer der wichtigsten linken Medienvertreter. Sein Exil-Buchtitel "Propaganda als Waffe" (1937) ist in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Die Wurzeln des "roten Propaganda-Zaren" liegen in Erfurt.


[[Datei:Muenzenbergnet.jpg|230px|right]]Willi (Wilhelm) Münzenberg, einer der einflussreichsten kommunistischen Propagandisten, wurde am 14. August 1889 in Erfurt geboren. Die Anfänge seiner politisch-propagandistischen Karriere liegen in der Zeit als Erfurter Schuhfabrikarbeiter 1906-1910. Das von ihm selbst so geschilderte "Erweckungserlebnis" hatte er 1906 mit dem SPD-nahen Verein "Propaganda", dessen Führung er bereits 1907 übernahm. Allerdings wird man Münzenberg in die Gruppe der "verlorenen Söhne" der Stadt Erfurt einreihen müssen. Das mag zum einen daran liegen, dass Münzenberg seine Geburtsstadt früh verlassen hat und der hohe KPD-Funktionär im Exil in Frankreich 1937 mit der Parteileitung und Stalin brach. Zum anderen geriet die Erinnerung an Kommunisten nach 1989/90 hierzulande außer Mode.
[[Datei:MuenzenbergHaus.JPG|310px|right]]Am 14. August 1889 erblickte Wilhelm Münzenberg in der damaligen Augustinerstraße 31 das Licht der Welt. Der Sohn aus kleinen Verhältnissen musste das durchmachen, was man eine schwere Kindheit nennt. Ein saufender, prügelnder Vater, brutale Lehrmeister und ein raues Klima in der Schuhfabrik Lingel für den jungen Arbeiter. Ein Weg in der Masse des Proletariats schien für den nur dürftig in der Volksschule ausgebildeten Willi vorgezeichnet. Doch es sollte anders kommen. 1906 trat Willi Münzenberg dem SPD-nahen Verein „Propaganda“ bei und startete mit eisernem Willen eine Karriere in der Arbeiterbewegung. Er wechselte nach dem Ersten Weltkrieg zur KPD, wurde zum bedeutendsten linken Medienmacher der Weimarer Republik, zum „roten Propaganda-Zaren“.


Mittlerweile hat man jedoch begonnen, das Werk des Publizisten, Verlegers und Filmproduzenten wissenschaftlich aufzuarbeiten. Prof. Dr. Patrick Rössler, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Erfurt, hebt die wichtige Rolle des gebürtigen Erfurters bei der Schaffung einer schlagkräftigen kommunistischen Publizistik und Propaganda hervor. Der Bruch mit der KPD-Führung 1937, der Münzenberg in Ungnade fallen ließ, erklärt freilich auch, warum sich sein Name weder in einschlägigen DDR-Geschichtsbüchern noch in der "Geschichte der Stadt Erfurt" von 1986 findet. Die biographisch-politischen Wurzeln in Erfurt wurden deshalb jüngst vom Historiker Dr. Steffen Raßloff in einem Aufsatz (s.u.) frei gelegt.
Das Mitglied im Zentralkomitee der KPD kämpfte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 von Paris aus für ein Bündnis aller Hitler-Gegner. Da die KPD jedoch an ihrer Anfeindung der SPD als „Sozialfaschisten“ fest hielt, wurde er 1939 auch nach Kritik an Stalins Herrschaftsmethoden in der Sowjetunion aus der Partei ausgeschlossen. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich und der Flucht aus französischer Internierung wurde Münzenberg im Oktober 1940 im Wald von Le Caugnet erhängt aufgefunden. Ob er selbst Hand an sich gelegt hat, die Gestapo oder ein Agent des sowjetischen Geheimdienstes verantwortlich ist, kann bis heute nicht geklärt werden.


Münzenbergs politische Karriere hatte in der Schweiz begonnen. Im Ersten Weltkrieg stand er an der Spitze des Internationalen Jugendsekretariats in Bern und lernte Lenin kennen. 1918 wurde er aus der Schweiz ausgewiesen. Er schloss sich in Berlin der KPD an. Von 1924 bis 1933 gehörte Münzenberg dem Zentralkomitee der KPD und dem Reichstag an. Als Agitationsexperte baute er das zweitgrößte Medienimperium der Weimarer Republik mit den Zeitungen "Welt am Abend", "Berlin am Morgen" und "Arbeiter Illustrierte Zeitung" auf. Auch die linken Filmgesellschafen "Prometheus Film" und "Weltfilm" wurden von ihm geprägt.
Nicht zuletzt aus diesem legendenumwobenen Ende erwuchs der „Mythos Münzenberg“, für den freilich in der DDR-Geschichtsschreibung kein Platz war. Den Bruch mit der KPD und Sowjetunion haben ihm die SED-Oberen nie verziehen. Erst nach 1989 konnte wieder vorbehaltlos an jenen „verlorenen Sohn“ Erfurts erinnert werden. Deshalb ließ es dem Autor dieses Beitrages als Historiker auch keine Ruhe, als eine Gedenktafel für Münzenberg aus der Öffentlichkeit verschwand. Erst 1999 war sie u.a. auf Initiative des damaligen Kulturbeigeordneten Joachim Kaiser an dem Plattenbau Augustinerstraße/Ecke Am Hügel angebracht worden (Foto: Steffen Raßloff), wo bis in die 1980er Jahre  Münzenbergs Geburtshaus stand. Nach der Sanierung des Hauses im letzten Jahr wurde die Tafel nicht wieder angebracht. Mit Unterstützung durch einen neuen Münzenberg-Freundeskreis und Dr. Mark Escherich von der Erfurter Denkmalbehörde konnte sie jedoch in dieser Woche an ihren Platz zurück kehren und erinnert an den „Publizist im Widerstand gegen Hitler und Stalin“.  


Nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten 1933 kämpfte Münzenberg von Paris aus für ein Bündnis aller Hitler-Gegner. Da die KPD jedoch an ihrer Anfeindung der SPD als "Sozialfaschisten" fest hielt, wurde er 1938/39 auch nach Kritik an Stalins Herrschaftsmethoden aus der Partei ausgeschlossen. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich und der Flucht aus französischer Internierung wurde Münzenberg im Oktober 1940 im Wald von Le Caugnet erhängt aufgefunden. Ob er selbst Hand an sich gelegt hat, die Gestapo oder ein Agent des sowjetischen Geheimdienstes verantwortlich ist, kann bis heute nicht geklärt werden.


'''Lesetipps:'''


== Literatur ==
Steffen Raßloff: '''Willi Münzenberg und Erfurt. Die Anfänge des "roten Propaganda-Zaren".''' In: '''[[Publikationen des Erfurter Geschichtsvereins|Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt]]''' 70 (2009). S. 86-98.


'''[[Steffen Raßloff]]: Willi Münzenberg und Erfurt. Die Anfänge des "roten Propaganda-Zaren".''' In: [[Publikationen des Erfurter Geschichtsvereins|Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt]] 70 (2009). S. 86-98.
Interview mit Dr. Steffen Raßloff zum 75. Todestag im '''hEFt für literatur, stadt und alltag''' 41 (2015). S. 10-13.
 
 
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''

Version vom 19. August 2021, 13:14 Uhr

Willi Münzenberg

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (18.02.2012)


Der rote Propaganda-Zar

DENKMALE IN ERFURT (33): Willi Münzenberg war einer der einflussreichsten Medienmacher Deutschlands. Seine Wurzeln liegen in Erfurt.


MuenzenbergHaus.JPG

Am 14. August 1889 erblickte Wilhelm Münzenberg in der damaligen Augustinerstraße 31 das Licht der Welt. Der Sohn aus kleinen Verhältnissen musste das durchmachen, was man eine schwere Kindheit nennt. Ein saufender, prügelnder Vater, brutale Lehrmeister und ein raues Klima in der Schuhfabrik Lingel für den jungen Arbeiter. Ein Weg in der Masse des Proletariats schien für den nur dürftig in der Volksschule ausgebildeten Willi vorgezeichnet. Doch es sollte anders kommen. 1906 trat Willi Münzenberg dem SPD-nahen Verein „Propaganda“ bei und startete mit eisernem Willen eine Karriere in der Arbeiterbewegung. Er wechselte nach dem Ersten Weltkrieg zur KPD, wurde zum bedeutendsten linken Medienmacher der Weimarer Republik, zum „roten Propaganda-Zaren“.

Das Mitglied im Zentralkomitee der KPD kämpfte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 von Paris aus für ein Bündnis aller Hitler-Gegner. Da die KPD jedoch an ihrer Anfeindung der SPD als „Sozialfaschisten“ fest hielt, wurde er 1939 auch nach Kritik an Stalins Herrschaftsmethoden in der Sowjetunion aus der Partei ausgeschlossen. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich und der Flucht aus französischer Internierung wurde Münzenberg im Oktober 1940 im Wald von Le Caugnet erhängt aufgefunden. Ob er selbst Hand an sich gelegt hat, die Gestapo oder ein Agent des sowjetischen Geheimdienstes verantwortlich ist, kann bis heute nicht geklärt werden.

Nicht zuletzt aus diesem legendenumwobenen Ende erwuchs der „Mythos Münzenberg“, für den freilich in der DDR-Geschichtsschreibung kein Platz war. Den Bruch mit der KPD und Sowjetunion haben ihm die SED-Oberen nie verziehen. Erst nach 1989 konnte wieder vorbehaltlos an jenen „verlorenen Sohn“ Erfurts erinnert werden. Deshalb ließ es dem Autor dieses Beitrages als Historiker auch keine Ruhe, als eine Gedenktafel für Münzenberg aus der Öffentlichkeit verschwand. Erst 1999 war sie u.a. auf Initiative des damaligen Kulturbeigeordneten Joachim Kaiser an dem Plattenbau Augustinerstraße/Ecke Am Hügel angebracht worden (Foto: Steffen Raßloff), wo bis in die 1980er Jahre Münzenbergs Geburtshaus stand. Nach der Sanierung des Hauses im letzten Jahr wurde die Tafel nicht wieder angebracht. Mit Unterstützung durch einen neuen Münzenberg-Freundeskreis und Dr. Mark Escherich von der Erfurter Denkmalbehörde konnte sie jedoch in dieser Woche an ihren Platz zurück kehren und erinnert an den „Publizist im Widerstand gegen Hitler und Stalin“.


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Willi Münzenberg und Erfurt. Die Anfänge des "roten Propaganda-Zaren". In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 70 (2009). S. 86-98.

Interview mit Dr. Steffen Raßloff zum 75. Todestag im hEFt für literatur, stadt und alltag 41 (2015). S. 10-13.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt