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'''Die Universität Erfurt gilt mit ihrem Gründungsprivileg von 1379 als die älteste in Deutschland. Zugleich kann sie sich die (fast) jüngste nennen, dank ihrer Wiedergründung 1994. Als echte Bürgeruniversität ging ihre Gründung zum einen vom mittelalterlichen Stadtrat und zum anderen von der heutigen Universitätsgesellschaft aus.'''


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'''Universität Erfurt'''


Nordhäuser Straße 63, 99089 Erfurt, Tel: 0361/7370, praesident@uni-erfurt.de 
[[Datei:ZepterSM.23.jpg|230px|rechts]]Die Hierana, die Universität an der Gera, bekam 1379 ihr päpstliches '''[[Erfurt_älteste_Universität_in_Deutschland|Gründungsprivileg]]''' vor Heidelberg (1385) und Köln (1388). Während des Großen Schismas wurde das Privileg 1389 erneuert und 1392 nahm man den Lehrbetrieb auf. Erfurt gilt damit als die '''[[Erfurt_älteste_Universität_in_Deutschland|älteste Universität]]''' im heutigen Deutschland, der zudem ein bis ins 13. Jahrhundert zurückreichendes universitätsähnliches Generalstudium voranging. Initiator war nicht wie meist ein Fürst, sondern der Stadtrat und Bürger der  '''[[Mittelaltermetropole Erfurt|Mittelaltermetropole]]'''. Die Alma mater Erfordensis entwickelte sich zu einem geistigen Zentrum Mitteleuropas im 15. Jahrhundert mit zeitweise den höchsten Studentenzahlen. Neben ihr nahmen sich andere Universitäten wie „kleine Schützenschulen“ aus, so der Erfurter Student und Magister '''[[Martin Luther]]''' (1501-05). Rund um das Hauptgebäude '''[[Collegium maius Erfurt|Collegium maius]]''' und die als Universitätskirche fungierende '''[[Michaeliskirche]]''' entstand ein "lateinisches Viertel", zu dem auch Luthers '''[[Georgenburse Erfurt|Georgenburse]]''' und die '''[[Armenburse_Universität_Kreuzsand|Armenburse]]''' gehörten. Versinnbildlicht wird diese Blütezeit auch durch die '''[[Insignien Zepter Universitaet Erfurt Stadtmuseum|Insignien]]''' mit den eindrucksvollen Zeptern, die heute im '''[[Stadtmuseum Erfurt|Stadtmuseum]]''' präsentiert werden (Foto: Stadtmuseum Erfurt).


Internet: '''[http://www.uni-erfurt.de http://www.uni-erfurt.de]'''
Ihr guter Ruf machte die Volluniversität mit allen vier Fakultäten (Philosophie, Medizin, Recht, Theologie) zur meistbesuchten des Reiches. 1412 stiftete Rektor '''[[Amplonius Ratingk de Berka|Amplonius Rating de Berka]]''' seine bedeutende '''[[Bibliotheca Amploniana]]''',  größte noch weitgehend geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines spätmittelalterlichen Gelehrten weltweit. Das “Bologna des Nordens” galt als vorbildliche Pflegestätte der Rechtswissenschaften und öffnete sich dem Humanismus. Aus dem Erfurter Humanistenkreis um '''[[Helius Eobanus Hessus]]''' in der '''[[Engelsburg Erfurt|Engelsburg]]''' gingen die '''[[Dunkelmännerbriefe Erfurter Humanistenkreis|Dunkelmännerbriefe]]''' (1515/17) mit hervor. Weitere bedeutende Gelehrte und Rektoren aus der Lutherzeit waren '''[[Johannes Bonemilch von Laasphe Dreifaltigkeitkapelle|Johannes Bonemilch von Laasphe]]''' und '''[[Collegium_marianum_Jodocus_Trutfetter|Jodocus Trutfetter]]'''. Auch der sprichwörtliche Rechenmeister '''[[Adam Ries Denkmal|Adam Ries]]''' war an der Universität tätig, später studierte hier mit '''[[Hiob Ludolf]]''' der Begründer der Äthiopistik.


Allerdings sollte sich das Niveau nicht auf Dauer halten lassen, wozu Konkurrenzgründungen besonders im nahen Jena (1548/58) entscheidend beitrugen. Eine Reform im Geiste des Protestantismus, im Dreißigjährigen Krieg unter Rektor '''[[Johann Matthäus Meyfart]]''' kurzzeitig umgesetzt, blieb Episode. Einst Gründung einer selbstbewussten Bürgerschaft, fungierte die bikonfessionelle Hierana nach der Unterwerfung der Stadt durch den Landesherren 1664 nur noch als Kurmainzische Landesuniversität, an der gleichwohl bedeutende Wissenschaftler wie den Begründer der modernen Pharmazie '''[[Trommsdorff Denkmal Erfurt|Johann Bartholomäus Trommsdorff]]''' lehrten. Belebungsversuche im Geiste der Aufklärung unter Statthalter '''[[Karl Theodor von Dalberg]]''' - 1769-72 lehrte auch '''[[Christoph Martin Wieland]]''' in Erfurt - brachten keinen Erfolg. Zeitweise fungierte der heutige '''[[Kaisersaal Erfurt|Kaisersaal]]''' als Universitätsballhaus. Trotz intensiver Bemühungen der Erfurter, besonders von Prof. '''[[Jakob Dominikus]]''', erfolgte 1816 die '''[[Schliessung Universitaet 1816|Schließung]]''' durch den neuen Landesherrn '''[[Preussen Erfurt|Preußen]]''', der in der '''[[Provinz Sachsen]]''' nur die Universität Halle-Wittenberg weiterbetrieb.


'''Geschichte im Überblick'''  
Dieser „hochschulfreie“ Zustand sollte lange Bestand haben, auch wenn man den Fortbestand der '''[[Akademie_gemeinnütziger_Wissenschaften_zu_Erfurt|Akademie gemeinnütziger Wissenschaften]]''' (1754) zubilligte und insbesondere der '''[[ErfurterGeschichtsverein|Geschichtsverein]]''' (1863) die Universitäts-Traditionen pflegte. Eine '''[[Pädagogische Akademie Erfurt|Pädagogische Akademie]]''' 1929/32 blieb nur kurzlebiges Intermezzo; der '''[[Deutscher Historikertag Erfurt 1937|19. Deutsche Historikertag]]''' 1937, normalerweise nur in Universitätsstädten durchgeführt, wurde von Stadt und Geschichtsverein unter Verweis auf die Tradition der Alten Universität veranstaltet. Erst die Gründung des Pädagogischen Institutes (1953, 1969 Pädagogische Hochschule) sowie der '''[[Medizinische Akademie Erfurt|Medizinischen Akademie]]''' (1954) machten die sozialistische Bezirksstadt wieder zum Hochschulstandort. Schon seit 1952 existierte am Dom das Philosophisch-Theologische Studium als einzige Hochschule der Katholischen Kirche in der DDR.


Die Universität '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]''' gilt mit ihrem '''[[Erfurt_älteste_Universität_in_Deutschland|Gründungsprivileg]]''' von 1379 als die älteste Alma mater Deutschlands vor Heidelberg (1385) und Köln (1388). Zugleich kann sie sich aber auch die jüngste der deutschen Universitäten nennen, dank ihrer Wiedergründung im Jahre 1994. Sie verbindet somit jahrhundertealte Tradition mit zukunftsweisender Gegenwart. Als echte Bürgeruniversität ging ihre Gründung zum einen vom mittelalterlichen Stadtrat und zum anderen von der heutigen '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]''' aus.
Friedliche Revolution und Wiedervereinigung 1989/90 rückten die Realisierung langjähriger Bemühungen um die Neubelebung der Universität in realistische Nähe. Initiator war die 1987 als Bürgerinitiative gegründete heutige '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]'''. 1994 erfolgte die Wiedergründung durch den Freistaat Thüringen, 1999 startete der Lehrbetrieb. Nach einer Übergangsphase der Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule kam es 2001 zur Verschmelzung beider Einrichtungen. Die Alma Mater Erfordensis sah sich damit auch als '''[[Erfurt. Die älteste und jüngste Universität Deutschlands|älteste und jüngste Universität Deutschlands]]''', wobei mit der TU Nürnberg (2021) unterdessen eine echte Neugründung hinzugekommen ist. 1994 musste zugleich die von heftigen Protesten begleitete „Abwicklung“ der '''[[Medizinische Akademie Erfurt|Medizinischen Akademie]]''' hingenommen werden, die nicht zur zweiten Medizinischen Fakultät Thüringens neben Jena umgewandelt wurde. Die geisteswissenschaftliche Ausrichtung hatte das Aus für die Naturwissenschaften 1995 zur Folge.  


Diesen Einschnitten stand die internationale Beachtung der Reformuniversität unter Gründungsrektor Peter Glotz gegenüber. Der Neuansatz äußerte sich u.a. in den Abschlüssen Bachelor (BA) und Master (MA), einem vorbildlichen Betreuungsangebot und der Profilierung einzelner Gebiete, wie Religion, Kommunikation, Bildung und Weltgeschichte. Heute studieren an der Uni rund 6000 Studenten an Philosophischer, Staatswissenschaftlicher, Erziehungswissenschaftlicher und Katholisch-Theologischer Fakultät. Letztere kam 2003 durch die Integration des Philosophisch-Theologischen Studiums hinzu. Wichtig sind auch das Max-Weber-Kolleg, benannt nach dem in Erfurt gebürtigen Soziologen '''[[Max Weber]]''', und die Willy Brandt School of Public Policy. Auch wenn die Aufbruchstimmung abgeebbt ist, stellt die Universität einen großen ideellen und materiellen Gewinn für '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]''' dar. Ihre Integration in das städtische Leben bleibt eine Aufgabe von Universität und Bürgerschaft. So hätten viele eine stärkere Präsenz in der Innenstadt gewünscht, u.a. in Form des '''[[Collegium maius Erfurt|Collegium maius]]'''. Die Entscheidung fiel aber für den '''[[Campus Universität Erfurt|Campus]]''' im Norden. In seiner Mischung aus denkmalgeschützter Bausubstanz der DDR-Zeit und modernen Neubauten verkörpert er heute die Universitätsstadt Erfurt.


[[Datei:Cover-Unigeschichte-2017(2).jpg|230px|right]][[Datei:AudimaxAR2.jpg|230px|rechts]]Die Hierana, die Universität an der Gera, bekam 1379 ein päpstliches Privileg, das während des Schismas 1389 erneuert wurde. 1392 konnte der Lehrbetrieb aufgenommen werden. Initiator der Gründung war nicht wie in den meisten anderen Fällen ein Fürst, sondern der Stadtrat der Mittelaltermetropole Erfurt. Rasch entwickelte sich die Alma mater Erfordensis zu einem geistigen Zentrum Mitteleuropas im 15. Jahrhundert, neben dem sich andere Universitäten wie „kleine Schützenschulen“ ausnahmen, so der Erfurter Student und Magister '''[[Martin Luther]]''' (1501-05). Rund um das Hauptgebäude '''[[Collegium maius Erfurt|Collegium maius]]''' und die '''[[Michaeliskirche]]''' entstand ein lebendiges "lateinisches Viertel", zu dem auch die '''[[Georgenburse Erfurt|Georgenburse]]''' als "Studentenwohnheim" Luthers und die '''[[Armenburse_Universität_Kreuzsand|Armenburse]]''' am Kreuzsand gehörte. Ihr guter wissenschaftlicher Ruf machte die Volluniversität mit allen vier Fakultäten (Philosophie, Medizin, Recht, Theologie) zur zeitweise meistbesuchten Universität des Deutschen Reiches. 1412 stiftete der Rektor '''[[Amplonius Ratingk de Berka|Amplonius Rating de Berka]]''' seine bedeutende Handschriftensammlung, die heute zur Universitätsbibliothek gehörende '''[[Bibliotheca Amploniana]]'''. Das “Bologna des Nordens” galt als vorbildliche Pflegestätte rechtswissenschaftlicher Studien und öffnete sich früh dem Humanismus. Aus dem Erfurter Humanistenkreis um '''[[Helius Eobanus Hessus]]''' in der '''[[Engelsburg Erfurt|Engelsburg]]''' gingen die berühmten  '''[[Dunkelmännerbriefe Erfurter Humanistenkreis|Dunkelmännerbriefe]]''' (1515/17) hervor. Ein weiterer bedeutender Gelehrter war der Rektor und Weihbischof '''[[Johannes Bonemilch von Laasphe Dreifaltigkeitkapelle|Johannes Bonemilch von Laasphe]]''', der Luther 1507 zum Priester weihte.
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


Allerdings sollte sich das hohe Niveau nicht auf Dauer halten lassen, wozu die protestantischen Konkurrenzgründungen besonders im nahen Jena (1548/58) entscheidend beitrugen. Eine Reform im Geiste des Protestantismus, im Dreißigjährigen Krieg unter Rektor '''[[Johann Matthäus Meyfart]]''' kurzzeitig umgesetzt, blieb Episode. Einst Gründung einer selbstbewussten Bürgerschaft, fungierte die bikonfessionelle Hierana nach der Unterwerfung der Stadt durch den Landesherren 1664 nur noch als Kurmainzische Landesuniversität. Wiederbelebungsversuche im Geiste der Aufklärung etwa unter Statthalter '''[[Karl Theodor von Dalberg]]''' - 1769-72 lehrte auch '''[[Christoph Martin Wieland]]''' in Erfurt - brachten keinen dauerhaften Erfolg. Trotz intensiver Bemühungen der Erfurter, besonders von Prof. '''[[Jakob Dominikus]]''', erfolgte die '''[[Schliessung Universitaet 1816|Schließung der Universität 1816]]''' durch den neuen Landesherrn '''[[Preussen Erfurt|Preußen]]'''  zugunsten von Halle. Dieser „hochschulfreie“ Zustand sollte lange Bestand haben, auch wenn man den Erfurtern den Fortbestand ihrer angesehenen '''[[Akademie_gemeinnütziger_Wissenschaften_zu_Erfurt|Akademie gemeinnütziger Wissenschaften]]''' (1754) zubilligte und insbesondere der '''[[ErfurterGeschichtsverein|Geschichtsverein]]''' (1863) die Universitäts-Traditionen pflegte. Eine preußische '''[[Pädagogische Akademie Erfurt|Pädagogische Akademie]]''' 1929/32 blieb nur kurzlebiges Intermezzo; der '''[[Deutscher Historikertag Erfurt 1937|19. Deutsche Historikertag]]''' 1937, normalerweise nur in Universitätsstädten durchgeführt, wurde von Stadt und Geschichtsverein unter Verweis auf die Tradition der Alten Universität veranstaltet. Erst die Gründung des Pädagogischen Institutes (1953, 1969 Pädagogische Hochschule) sowie der '''[[Medizinische Akademie Erfurt|Medizinischen Akademie]]''' (1954) machten die sozialistische Bezirksstadt wieder zum Hochschulstandort. Schon seit 1952 existierte am Dom das Philosophisch-Theologische Studium als einzige Hochschule der Katholischen Kirche in der DDR.


Die politische Wende in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung 1989/90 rückten die Realisierung langjähriger Bemühungen um die Neubelebung der Universität Erfurt in realistische Nähe. Ihr Initiator war die 1987 als Bürgerinitiative gegründete heutige '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]'''. Am 29. April 1994 konnte die Wiedergründung durch den Freistaat Thüringen im Augustinerkloster feierlich begangen werden, 1999 startete der Lehrbetrieb. Nach einer Übergangsphase der Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule kam es zur Verschmelzung beider Einrichtungen mit Wirkung vom 1. Januar 2001 zur Universität Erfurt. Allerdings musste zuvor die von heftigen Protesten begleitete „Abwicklung“ der Medizinischen Akademie (1994) hingenommen werden, der die Umwandlung in ein Universitätsklinikum verwehrt blieb. Die geisteswissenschaftliche Ausrichtung der Universität hatte zugleich das Aus für die naturwissenschaftlichen Fachrichtungen an der PH zur Folge.
'''Lesetipps:'''


Diesen Einschnitten stand die internationale Beachtung der neuen Reformuniversität unter Gründungsrektor Peter Glotz (1994-1999) gegenüber. Es gelang dem Medienwissenschaftler, dem Projekt zukunftsweisender Lösungen für die deutsche Hochschullandschaft weltweite Aufmerksamkeit zu sichern. Der Neuansatz äußerte sich v.a. in den Abschlüssen Bachelor (BA) und Master (MA). Hinzu kam ein vorbildliches Betreuungsangebot für die Studierenden und die ambitionierte Profilierung einzelner Gebiete, wie Religionswissenschaft, Kommunikation, Bildungsforschung oder Weltgeschichte. Heute studieren auf dem denkmalgeschützten '''[[Campus Universität Erfurt|Campus]]''' an der Nordhäuser Straße mit seiner modernen Universitätsbibliothek fast 6000 Studenten an vier Fakultäten: Philosophische Fakultät, Staatswissenschaftliche Fakultät, Erziehungswissenschaftliche Fakultät und Katholisch-Theologische Fakultät. Letztere kam zum 1. Januar 2003 durch die Integration des Philosophisch-Theologischen Studiums zur Universität. Wichtig für das Profil der Universität sind auch das Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, benannt nach dem in Erfurt gebürtigen Soziologen '''[[Max Weber]]''', die Willy Brandt School of Public Policy und die Forschungsbibliothek Gotha mit dem Forschungszentrum Gotha.  
Erich Kleineidam: '''Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt''' (4 Bd.). Leipzig 1964-1981.


Auch wenn die anfängliche Aufbruchstimmung angesichts der „Mühen der Ebene“ normalen Hochschulbetriebs mittlerweile abgeebbt ist, stellt die Universität zweifellos einen großen Gewinn für Erfurt dar. Ihre Integration in das städtische Leben bleibt dabei weiterhin eine Aufgabe der Universitätsmitglieder und der Bürgerschaft. So hätten in der Gründungsphase viele eine stärkere Präsenz in der Innenstadt gewünscht, u.a. in Form des historischen '''[[Collegium maius Erfurt|Collegium maius]]'''. Die Entscheidung fiel aber für eine Konzentration auf dem '''[[Campus Universität Erfurt|Campus]]''' im Norden, dessen kulturell-städtebauliche Bedeutung noch stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert werden kann. Mit Unterstützung der '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]''', die das Seniorenstudium (Erfurter Kolleg) organisiert, bringt sich die Universität durch gut besuchte öffentliche Vortragsreihen, Lesungen und Ausstellungen zunehmend in das Kulturleben ein, stellt einen beachtlichen Standort- und Wirtschaftsfaktor dar und gehen auch vom Erfurter „Studentenleben“ nicht nur im Studentenclub '''[[Engelsburg Erfurt|Engelsburg]]''' (zusammen mit der '''[[Fachhochschule Erfurt]]''') einige Impulse aus.
Almut Märker: '''Geschichte der Universität Erfurt 1392-1816.''' Weimar 1993.  


('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')
Robert Gramsch: '''[[Gründung_Universität_Erfurt|Erfurt - Die älteste Hochschule Deutschlands. Vom Generalstudium zur Universität]]'''. Erfurt 2012.


Barbara Marshall: '''Die (Wieder-)Gründung der Universität Erfurt.''' Köln 2023.


Literaturtipps:
Steffen Raßloff: '''[[Erfurt. Die älteste und jüngste Universität Deutschlands|Erfurt. Die älteste und (fast) jüngste Universität Deutschlands]]'''. Erfurt 2014 (3. Auflage 2024). ('''[https://www.uni-erfurt.de/fileadmin/Bilddatenbank/Flyer/Broschuere_Die_aelteste_und_juengste_Universitaet_Deutschlands_Erfurt.pdf Download]''')


'''Steffen Raßloff: [[Erfurt. Die älteste und jüngste Universität Deutschlands]].''' Erfurt 2014 (2. Auflage 2017).  
Steffen Raßloff: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt Rassloff|Geschichte der Stadt Erfurt]]'''. Tübingen 2012 (6. Auflage 2024).


'''Steffen Raßloff: [[Geschichte der Stadt Erfurt Rassloff|Geschichte der Stadt Erfurt]].''' Erfurt 2012 (4. Auflage 2016).


Siehe auch: '''[http://www.uni-erfurt.de Universität Erfurt]''', '''[[Alte_Universität_Erfurt_Rathausfestsaal|Wandbild Rathausfestsaal]]''', '''[[Jubilaeum_25_Jahre_Wiedergruendung_Universitaet_Erfurt_2019|25. Jubiläum 2019]]''', '''[[Geschichte_der_Universität_Erfurt|Presseserie Uni-Geschichte]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''


Siehe auch: Artikel-Serie zur '''[[Geschichte der Universität Erfurt|Universitätsgeschichte]]''', Sachzeugnisse im '''[[Stadtmuseum_Erfurt_Geschichte_der_Universität|Stadtmuseum]]''', Wandbild im '''[[Alte_Universität_Erfurt_Rathausfestsaal|Rathausfestsaal]]'''


'''''unigesellschaft-erfurt.de''' 24.04.2024, '''Thüringer Allgemeine''' 05.01.2024 (zum Lesen anklicken)''


'''''Thüringer Allgemeine''' vom 17.02.2018 (zum Lesen anklicken):''
[[Datei:UGStadtmuseum18-3-24.png|430px|left]]
 
[[Datei:TA.Historisches24-5-1-24.png|370px|left]]
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Aktuelle Version vom 25. März 2024, 12:11 Uhr

Universität Erfurt

Die Universität Erfurt gilt mit ihrem Gründungsprivileg von 1379 als die älteste in Deutschland. Zugleich kann sie sich die (fast) jüngste nennen, dank ihrer Wiedergründung 1994. Als echte Bürgeruniversität ging ihre Gründung zum einen vom mittelalterlichen Stadtrat und zum anderen von der heutigen Universitätsgesellschaft aus.


ZepterSM.23.jpg

Die Hierana, die Universität an der Gera, bekam 1379 ihr päpstliches Gründungsprivileg vor Heidelberg (1385) und Köln (1388). Während des Großen Schismas wurde das Privileg 1389 erneuert und 1392 nahm man den Lehrbetrieb auf. Erfurt gilt damit als die älteste Universität im heutigen Deutschland, der zudem ein bis ins 13. Jahrhundert zurückreichendes universitätsähnliches Generalstudium voranging. Initiator war nicht wie meist ein Fürst, sondern der Stadtrat und Bürger der Mittelaltermetropole. Die Alma mater Erfordensis entwickelte sich zu einem geistigen Zentrum Mitteleuropas im 15. Jahrhundert mit zeitweise den höchsten Studentenzahlen. Neben ihr nahmen sich andere Universitäten wie „kleine Schützenschulen“ aus, so der Erfurter Student und Magister Martin Luther (1501-05). Rund um das Hauptgebäude Collegium maius und die als Universitätskirche fungierende Michaeliskirche entstand ein "lateinisches Viertel", zu dem auch Luthers Georgenburse und die Armenburse gehörten. Versinnbildlicht wird diese Blütezeit auch durch die Insignien mit den eindrucksvollen Zeptern, die heute im Stadtmuseum präsentiert werden (Foto: Stadtmuseum Erfurt).

Ihr guter Ruf machte die Volluniversität mit allen vier Fakultäten (Philosophie, Medizin, Recht, Theologie) zur meistbesuchten des Reiches. 1412 stiftete Rektor Amplonius Rating de Berka seine bedeutende Bibliotheca Amploniana, größte noch weitgehend geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines spätmittelalterlichen Gelehrten weltweit. Das “Bologna des Nordens” galt als vorbildliche Pflegestätte der Rechtswissenschaften und öffnete sich dem Humanismus. Aus dem Erfurter Humanistenkreis um Helius Eobanus Hessus in der Engelsburg gingen die Dunkelmännerbriefe (1515/17) mit hervor. Weitere bedeutende Gelehrte und Rektoren aus der Lutherzeit waren Johannes Bonemilch von Laasphe und Jodocus Trutfetter. Auch der sprichwörtliche Rechenmeister Adam Ries war an der Universität tätig, später studierte hier mit Hiob Ludolf der Begründer der Äthiopistik.

Allerdings sollte sich das Niveau nicht auf Dauer halten lassen, wozu Konkurrenzgründungen besonders im nahen Jena (1548/58) entscheidend beitrugen. Eine Reform im Geiste des Protestantismus, im Dreißigjährigen Krieg unter Rektor Johann Matthäus Meyfart kurzzeitig umgesetzt, blieb Episode. Einst Gründung einer selbstbewussten Bürgerschaft, fungierte die bikonfessionelle Hierana nach der Unterwerfung der Stadt durch den Landesherren 1664 nur noch als Kurmainzische Landesuniversität, an der gleichwohl bedeutende Wissenschaftler wie den Begründer der modernen Pharmazie Johann Bartholomäus Trommsdorff lehrten. Belebungsversuche im Geiste der Aufklärung unter Statthalter Karl Theodor von Dalberg - 1769-72 lehrte auch Christoph Martin Wieland in Erfurt - brachten keinen Erfolg. Zeitweise fungierte der heutige Kaisersaal als Universitätsballhaus. Trotz intensiver Bemühungen der Erfurter, besonders von Prof. Jakob Dominikus, erfolgte 1816 die Schließung durch den neuen Landesherrn Preußen, der in der Provinz Sachsen nur die Universität Halle-Wittenberg weiterbetrieb.

Dieser „hochschulfreie“ Zustand sollte lange Bestand haben, auch wenn man den Fortbestand der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften (1754) zubilligte und insbesondere der Geschichtsverein (1863) die Universitäts-Traditionen pflegte. Eine Pädagogische Akademie 1929/32 blieb nur kurzlebiges Intermezzo; der 19. Deutsche Historikertag 1937, normalerweise nur in Universitätsstädten durchgeführt, wurde von Stadt und Geschichtsverein unter Verweis auf die Tradition der Alten Universität veranstaltet. Erst die Gründung des Pädagogischen Institutes (1953, 1969 Pädagogische Hochschule) sowie der Medizinischen Akademie (1954) machten die sozialistische Bezirksstadt wieder zum Hochschulstandort. Schon seit 1952 existierte am Dom das Philosophisch-Theologische Studium als einzige Hochschule der Katholischen Kirche in der DDR.

Friedliche Revolution und Wiedervereinigung 1989/90 rückten die Realisierung langjähriger Bemühungen um die Neubelebung der Universität in realistische Nähe. Initiator war die 1987 als Bürgerinitiative gegründete heutige Universitätsgesellschaft. 1994 erfolgte die Wiedergründung durch den Freistaat Thüringen, 1999 startete der Lehrbetrieb. Nach einer Übergangsphase der Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule kam es 2001 zur Verschmelzung beider Einrichtungen. Die Alma Mater Erfordensis sah sich damit auch als älteste und jüngste Universität Deutschlands, wobei mit der TU Nürnberg (2021) unterdessen eine echte Neugründung hinzugekommen ist. 1994 musste zugleich die von heftigen Protesten begleitete „Abwicklung“ der Medizinischen Akademie hingenommen werden, die nicht zur zweiten Medizinischen Fakultät Thüringens neben Jena umgewandelt wurde. Die geisteswissenschaftliche Ausrichtung hatte das Aus für die Naturwissenschaften 1995 zur Folge.

Diesen Einschnitten stand die internationale Beachtung der Reformuniversität unter Gründungsrektor Peter Glotz gegenüber. Der Neuansatz äußerte sich u.a. in den Abschlüssen Bachelor (BA) und Master (MA), einem vorbildlichen Betreuungsangebot und der Profilierung einzelner Gebiete, wie Religion, Kommunikation, Bildung und Weltgeschichte. Heute studieren an der Uni rund 6000 Studenten an Philosophischer, Staatswissenschaftlicher, Erziehungswissenschaftlicher und Katholisch-Theologischer Fakultät. Letztere kam 2003 durch die Integration des Philosophisch-Theologischen Studiums hinzu. Wichtig sind auch das Max-Weber-Kolleg, benannt nach dem in Erfurt gebürtigen Soziologen Max Weber, und die Willy Brandt School of Public Policy. Auch wenn die Aufbruchstimmung abgeebbt ist, stellt die Universität einen großen ideellen und materiellen Gewinn für Erfurt dar. Ihre Integration in das städtische Leben bleibt eine Aufgabe von Universität und Bürgerschaft. So hätten viele eine stärkere Präsenz in der Innenstadt gewünscht, u.a. in Form des Collegium maius. Die Entscheidung fiel aber für den Campus im Norden. In seiner Mischung aus denkmalgeschützter Bausubstanz der DDR-Zeit und modernen Neubauten verkörpert er heute die Universitätsstadt Erfurt.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Erich Kleineidam: Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt (4 Bd.). Leipzig 1964-1981.

Almut Märker: Geschichte der Universität Erfurt 1392-1816. Weimar 1993.

Robert Gramsch: Erfurt - Die älteste Hochschule Deutschlands. Vom Generalstudium zur Universität. Erfurt 2012.

Barbara Marshall: Die (Wieder-)Gründung der Universität Erfurt. Köln 2023.

Steffen Raßloff: Erfurt. Die älteste und (fast) jüngste Universität Deutschlands. Erfurt 2014 (3. Auflage 2024). (Download)

Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Erfurt. Tübingen 2012 (6. Auflage 2024).


Siehe auch: Universität Erfurt, Wandbild Rathausfestsaal, 25. Jubiläum 2019, Presseserie Uni-Geschichte, Geschichte der Stadt Erfurt


unigesellschaft-erfurt.de 24.04.2024, Thüringer Allgemeine 05.01.2024 (zum Lesen anklicken)

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