Serie Denkmale in Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

Aus erfurt-web.de
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 58: Zeile 58:
'''[[Gedenktafel Kriegsopfer Gispersleben]]'''  
'''[[Gedenktafel Kriegsopfer Gispersleben]]'''  


Richard Breslau Denkmal  
'''[[Richard Breslau Denkmal]]'''


Buchenwaldblick  
Buchenwaldblick  
Zeile 70: Zeile 70:


'''Beitrag aus der Serie [[Serie Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]] (2011)'''
'''Beitrag aus der Serie [[Serie Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]] (2011)'''
'''Vater des modernen Erfurt'''
DENKMALE IN ERFURT (22): In '''''Richard Breslaus''''' Amtszeit als Oberbürgermeister begann Erfurts Weg zur modernen Industriegroßstadt. Daran erinnert das Denkmal in der Löberstraße.
Nach der Reichseinigung 1871 entwickelte sich Erfurt innerhalb weniger Jahrzehnte von einer beengten Festungsstadt mit 44.000 Einwohnern zu einer Industriemetropole, die bereits 1906 die 100.000-Einwohner-Marke überschritt. Die Stadt breitete sich in alle Richtungen aus, die Wirtschaft boomte, die Infrastruktur wurde mit Wasserleitung, Elektrizität, Straßenbahn, Krankenhaus u.v.a. grundlegend modernisiert. Eine der wegweisenden Maßnahmen war das Doppelprojekt von Flutgraben und Ringstraße, dem heutigen Juri-Gagarin-Ring. In einer solchen Zeit brauchte es einen erfahrenen und zupackenden Oberbürgermeister, den Erfurt mit Richard Breslau (1835-1897) auch besaß. Er gilt bis heute mit Blick auf seine Amtszeit von 1871 bis 1889 zu Recht als „Vater des modernen Erfurt“.
Dessen waren sich auch schon die Zeitgenossen bewusst. Im Auftrag des Erfurter Magistrats gestaltete Bildhauer Carl Melville eine der repräsentativsten Denkmalanlagen der Stadt. Sie wurde am 19. Oktober 1912 in der damaligen Bismarckstraße (Löberwallstraße) enthüllt. Das Denkmal verkörpert die großen Verdienste des Kommunalpolitikers. So hatte Melville mit zwei lebensgroßen Flachrelieffiguren Handel und Verkehr sowie Industrie und Bauwesen personifiziert. Das waren jene Bereiche, die Breslau besonders gefördert hatte. Mit dem Wasserbecken bezog sich der Künstler auf die 1876 eröffnete Zentralwasserleitung und beginnende Kanalisation. Der Denkmalstandort erinnerte an Breslaus entscheidende Mitwirkung am Flutgrabenprojekt. Die Umfunktionierung des alten Festungsgrabens zum Hochwasser regulierenden Umflutgraben, die Ringstraße und die Begrünung der ehemaligen Wälle gehören zu den wichtigsten Städtebauprojekten der neueren Stadtgeschichte. Auf Erfurts Bedeutung als moderne Blumenstadt verwies der Bildhauer durch Attribute wie Putten, Sähtuch und Blumen.
Die Erinnerung an Breslau verblasste jedoch in der DDR-Zeit. 1967 reduzierte man die monumentale Anlage sogar auf ein Fragment. Man trennte die Stelen vom Wasserbecken und versetzte sie 200 Meter entfernt an die Uferböschung. Der „bürgerliche“ Kommunalpolitiker war gewissermaßen aus dem Blickfeld gerückt. Während nach 1989 viele vernachlässigte Denkmale rasch Spender fanden, blieb das abseits stehende Breslau-Monument lange Zeit unbeachtet. Die Erfurter Denkmalbehörde machte in dieser Situation ihrem Namen alle Ehre. Auf ihre Initiative und mit Unterstützung des Geschichtsvereins konnte die rekonstruierte Anlage, wenn auch ohne Brunnen, 2007 wieder an die Löberstraße zurück versetzt werden.





Version vom 4. Januar 2012, 15:26 Uhr

Denkmale in Erfurt

Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2011/12)


Erfurter Denkmale

Lutherdenkmali.jpg

Erfurt besitzt eine vielgestaltige Denkmallandschaft. Vom Standbild à la Luther über diverse Denkmalbrunnen bis hin zum wuchtigen Bismarckturm reicht das Spektrum. Hinzu kommen moderne Installationen wie das Deserteurs-Denkmal sowie viele kleinere Büsten, Schrifttafeln und Gedenksteine.

Denkmale würdigen aber nicht nur historische Personen und Ereignisse. Sie spiegeln auch Selbstverständnis und Kunstgeschmack ihrer Entstehungszeit sowie deren Wandel. Der spätere Umgang mit ihnen verweist auf politische Umbruchprozesse.

Oft entzündeten sich um sie heftige Kontroversen, wie zuletzt um die Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof. Unsere Denkmale sind damit Zeugen der Geschichte und Gegenwart. Sie zum sprechen zu bringen, hat sich die TA-Serie zum Ziel gesetzt.

Hier die Links zu den einzelnen Denkmalen:


Aufbauhelfer auf der iga

Erthal Obelisk auf dem Domplatz

Willy Brandt Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof

Lutherdenkmal auf dem Anger

Deserteursdenkmal am Petersberg

Christian Reichart Denkmal

Juri Gagarin Denkmal am Ring

Burenhaus in der Bahnhofstraße

Gedenktafel am Kaisersaal

Gedenktafel Schutzhaftlager in der Feldstraße

Meister Eckhart Denkmal Predigerkirche

Theo Neubauer Denkmal Universität

Johann Bartholomäus Trommsdorff Gedenktafel

Bismarckturm im Steiger

Alter Angerbrunnen

Adam Ries Denkmal Erfurt

Lutherstein bei Stotternheim

Kriegerdenkmal am Hirschgarten

Karl Herrmann Denkmal

Gustav Adolf Denkmal

Gedenktafel Kriegsopfer Gispersleben

Richard Breslau Denkmal

Buchenwaldblick

Ernst Benary Denkmal

Kaiser Wilhelm Denkmal

Römer auf dem Fischmarkt


Beitrag aus der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2011)


Der Buchenwaldblick

DENKMALE IN ERFURT (23): Auf einer ehemaligen Batterie der Festung Cyriaksburg findet sich ein etwas verstecktes Mahnmal mit Blick zur Gedenkstätte Buchenwald.

Die Zitadelle Cyriaksburg geht in die Zeit der zunehmenden Bedrohung Erfurts durch den Mainzer Erzbischof und die sächsischen Kurfürsten in den 1480er Jahren zurück. Im 19. Jahrhundert bauten die Preußen die strategisch wichtige Festung oberhalb der Stadt noch einmal aus. Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 kam sie schließlich in zivile Hände. Damit begann der weitere Ausbau des Geländes zu einer beliebten Parkanlage, die 1961 in der Internationalen Gartenbauausstellung iga auf ging. An die einstige militärische Verwendung erinnert auch noch im heutigen egapark die Cyriaksburg, in der das Deutsche Gartenbaumuseum untergebracht ist.

Auf die ehemaligen Festungswerke rund um die Kernfestung macht etwa das Restaurant „Caponniere“ aufmerksam. Nicht weit von hier befand sich eine Terrassenbatterie mit Geschützen, mit denen das Geratal und der Steiger beschossen werden konnten. Nach der Aufgabe solcher Außenanlagen der Zitadelle lag die Umwidmung des kriegerischen Ortes zum Aussichtspunkt nahe. Zunächst bezeichnete man ihn wohl auch mit Blick auf seine Geschichte als Grolmannshöhe. General Wilhelm von Grolman war von 1882 bis 1888 Kommandeur der 8. Division in Erfurt. Er hatte maßgeblichen Anteil an der Teilfreigabe des Geländes nach der Entfestigung Erfurts 1873, so dass in den 1880er Jahren erste Grünanlagen angelegt werden konnten.

In Vorbereitung der „iga ´61“ wurde auch dieser Bereich umgestaltet. Seitdem steht hier als Mahnmal der „Rufer“ von Fritz Cremer. Es handelt sich dabei um die verkleinerte Replik einer Plastik, die der renommierte Bildhauer ursprünglich für die Figurengruppe des Buchenwald-Denkmals auf dem Ettersberg geschaffen hatte. Im Führer für die iga von 1961 wird der etwas abseits der Besucherströme liegende Aussichtspunkt jetzt als Buchenwaldblick bezeichnet, lässt sich doch östlich in der Ferne der Gedenkstätten-Glockenturm auf dem Ettersberg erkennen. Dieser Bezug spiegelt die große Bedeutung der wenige Jahre zuvor eröffneten KZ-Gedenkstätte für den antifaschistischen Gründungsmythos der DDR. Er ist aber bis heute auch eine Verneigung vor den 56.000 Opfern des NS-Terrorortes. Dies gilt umso mehr, als das Wissen um die Verstrickung des Erfurter Unternehmens „Topf & Söhne“ in den Holocaust in den letzten Jahren gewachsen ist. Auch im Krematorium des KZ Buchenwald findet sich auf den Leichen-Verbrennungsöfen das Logo jener Erfurter Firma, die als „Ofenbauer von Auschwitz“ traurige Bekanntheit erlangt hat.


An historischem Ort

DENKMALE IN ERFURT (24): Das Denkmal für Ernst Benary fand gut hundert Jahre nach der Stiftung der Grünanlage am Benaryplatz einen würdigen Rahmen.

Erfurt hat seine erfolgversprechende Bewerbung um die Bundesgartenschau 2021 nicht zuletzt dem Ruf als bedeutende Blumenstadt zu verdanken. Dessen Wurzeln liegen im 18. Jahrhundert und sind besonders mit dem Namen Christian Reichart verbunden. Den Höhepunkt als weltweites Zentrum des Gartenbaus erlangte die Stadt um 1900. Hierfür zeichneten die großen Unternehmen wie Haage, Schmidt, Chrestensen und Heinemann verantwortlich. Die Nummer 1 der Erfurter Gartenbauunternehmer in dieser Zeit aber war Ernst Benary.

Der am 10. November 1819 geborene Benary war Spross einer jüdischen Bankiersfamilie aus Kassel. Sein Vater Salomon hatte sich in Erfurt niedergelassen und 1824 trotz antisemitischer Vorbehalte das Bürgerrecht erkämpft. 1843 begründete Sohn Ernst Benary in Erfurt seine erste Kunst- und Handelsgärtnerei. 1847 ebenfalls mit dem Bürgerrecht versehen, spezialisierte er sich auf Anzucht und Verkauf von Blumen- sowie Gemüsesamen und entwickelte internationale Kontakte. Weltweit konnte die von ihm fast 50 Jahre geführte Firma den eigenen guten Ruf, aber auch Erfurts Anerkennung als maßgebende Lieferantin von Garten-Saatgut verbreiten. Ernst Benarys Söhne Friedrich und John sowie die Enkel vermochten das Unternehmen bis zur Enteignung 1952 erfolgreich fortzuführen. Jüngst hat Eberhard Czekalla die Firmengeschichte der Benarys im Buch „Blumenstadt Erfurt“ des Geschichtsvereins nachgezeichnet.

Ernst Benary hat selbst dazu beigetragen, dass sein Name bis heute im Stadtbild präsent ist. 1888 hatte der Firmengründer mehrere zwischen Bonifacius- und Friedensstraße liegende städtische Grundstücke gekauft. Die 5.700 m2 großen Flächen, eigentlich als lukratives Bauland vorgesehen, stiftete Benary testamentarisch der Stadt unter der Bedingung, sie für immer als öffentliche Erholungsstätte zu nutzen. Nach seinem Tode 1893 ließ die Stadt einen kleinen Gedenkstein errichten und den Platz 1896 nach Benary benennen. Nach mehreren Wechseln, 1936: Herbert Norkus, 1945: wieder Benary und 1953: Philipp Müller, sorgte die Stadtverwaltung 1991 dafür, den ursprünglichen Namen erneut einzusetzen. Das Garten- und Friedhofsamt ergänzte den um 1895 angelegten Bestand an Bäumen, Sträuchern und Stauden durch neue Kulturen. Am 26. Juni 2000 kam es schließlich zur feierlichen Einweihung eines Denkmals für den Kunstgärtner Ernst Benary. Rudolf Benary, der Urenkel des Geehrten, hielt die Einweihungsrede. Die beiden Steinstelen, gestaltet von dem Erfurter Bildhauer Lutz Hellmuth, symbolisieren den Gartenbau und würdigen den großen Unternehmer und gemeinnützigen Bürger Ernst Benary.


Denkmal städtischer Freiheit

DENKMALE IN ERFURT (26): Der Römer auf dem Fischmarkt symbolisierte einst die Autonomie Erfurts von seinem Mainzer Landesherrn.

Die Bürgerschaft der Stadt Erfurt hatte sich in der Mitte des 13. Jahrhunderts weitgehende Autonomie von ihrem Landesherrn erworben, dem Mainzer Erzbischof und Kurfürsten. Mit Blick auf die mittelalterliche Metropole mit eigenem Landgebiet sprach man sogar vom „Land Erfurt“. Ende des 15. Jahrhunderts geriet der Status einer „Quasi-Reichsstadt“ zwar erstmals ins Wanken, konnte aber über die Reformationszeit hinaus verteidigt werden. Es folgte sogar eine Spätblüte nicht zuletzt dank des wichtigen Waidhandels. Bis heute lässt diese sich an den prächtigen Bürgerhäusern am Fischmarkt ablesen.

In dieser Zeit entschloss sich der Erfurter Stadtrat, seine Macht noch einmal mit einem Ausrufezeichen im öffentlichen Raum zu versehen. Natürlich kam dafür nur der Fischmarkt in Frage, wo seit dem 13. Jahrhundert im Rathaus alle Machtfäden zusammen liefen. Am 6. November 1591 errichtete man einen römischen Krieger vor dem wenige Jahre zuvor vollendeten Haus „Zum breiten Herd“. Auf dessen Dach findet sich übrigens ein kleiner Gefährte des „Römers“, der allerdings eher wie ein Soldat des späten 16. Jahrhunderts aussieht. Erst 1886 rückte das Denkmal an seine heutige Stelle in der Platzmitte, da es den zunehmenden Verkehrsströmen samt Straßenbahn im Wege stand. Der Stadtrat hatte 1591 den renommierten Niederländer Israel von der Milla mit dem Auftrag bedacht. Die Figur war in Stein gehauen, farbig gefasst, vergoldet und auf eine Pyramide gesetzt. Im 18. Jahrhundert wurde letztere durch den hohen Pfeiler ersetzt.

Einst nannte man die Figur meist Römer, seit dem 18. Jahrhundert aber auch Roland oder Martin. Zwar stand hier früher neben einer ihm geweihten Kapelle eine Figur des heiligen Martin von Tours, der als Patron über das Mainzer Erzbistum wachte. Während des Bauernkrieges 1525 war dieses Mainzer Symbol aber auf Geheiß des Rates vom Sockel gestürzt worden. Der wenige Jahrzehnte später aufgestellte Römer diente dagegen ausdrücklich „zum Beweißtum ihrer Freyheit, so die Stadt von alten Zeiten her gehabt“. Er diente also als Zeichen der Unabhängigkeit von der Mainzer Herrschaft. Gerne hätte so mancher Mainzer den Römer nach der Unterwerfung der Stadt 1664 wieder umgerissen. Er blieb uns jedoch erfreulicher Weise erhalten und erinnert vor dem neuen Rathaus an die große Blütezeit des „Landes Erfurt“.