Serie Denkmale in Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Beitrag aus der Serie [[Serie Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]] (2011)'''
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'''Das macht nach Adam Ries …'''
DENKMALE IN ERFURT (16): Der sprichwörtliche Rechenmeister '''''Adam Ries''''' hat wichtige Jahre in Erfurt verbracht. An der Druckerei seiner Rechenbücher wird an ihn erinnert.
Adam Ries (1492-1559) gilt als der Mathematiker schlechthin. Der Name kaum eines anderen Wissenschaftlers hat sich derart mit seinem Forschungsgegenstand verbunden. „Das macht nach Adam Ries ...“, so wird noch immer gerne das Ergebnis einer Rechenaufgabe präsentiert. Der Rechenmeister lebte einige Jahre in Erfurt, wo 1518 und 1522 seine ersten beiden Rechenbücher erschienen. Gewohnt hat er vermutlich im „lateinischen Viertel“ der Universität, wohl in der Drachengasse. Ries-Experten schätzen das Wirken an der ältesten Universität im heutigen Deutschland als seine „wissenschaftlich fruchtbarste Zeit“ ein. Erfurt darf sich also mit Fug und Recht als Adam-Ries-Stadt bezeichnen. Auch später blieb Ries dem Wissenschafts- und Druckereizentrum Erfurt eng verbunden. So erschienen in dem Mekka der „schwarzen Kunst“ rund um die Michaelisstraße weitere Auflagen seiner Rechenbücher.
An diese enge Verbindung erinnerte man in Erfurt während des großen Jubiläumsjahres 1992. Seinerzeit galt es nicht nur 1250 Jahre Ersterwähnung der Stadt und 600 Jahre Eröffnung der Universität zu feiern, sondern auch den 500. Geburtstag von Adam Ries. Mit diversen Veranstaltungen und Ausstellungen wurde man dem gerecht. Aber auch in Denkmalform, so der Vorsatz, sollte endlich an Ries` wichtige Erfurter Jahre erinnert werden. Der Künstler Michael Lenz schuf daher ein dreiteiliges Bronzeensemble aus zwei Schrifttafeln und einer Porträtbüste. Allerdings sollte es noch einmal zehn Jahre dauern, bis dieses einen festen Platz in der Öffentlichkeit fand. 2002 war mit der Michaelisstraße 48 genau der richtige Ort gefunden. Im „Haus zum Schwarzen Horn“ befand sich einst die Druckerei von Mathes Maler, der die ersten beiden Rechenbücher von Ries gedruckt hatte.
An der Fassade befestigte man die Büste sowie die Schrifttafel mit Lebensdaten, Wappen und historischen Erläuterungen. In den Boden wurde die andere Tafel eingelassen, die als Rechenbrett an das Ries`sche „Rechnen auf der Linie“ erinnert. Dargestellt wird die Jubiläumszahl 1992. Da die Michaelisstraße nicht nur täglich von unzähligen Touristen passiert wird, sondern auch zum Programm fast aller Stadtführungen gehört, wird das zum praktischen Rechnen animierende Denkmal gerne in die Erläuterungen einbezogen. Es ist damit auch eines der lebendigsten in unserer Stadt.


'''Nationalstolz und Opfergedenken'''
'''Nationalstolz und Opfergedenken'''

Version vom 4. Januar 2012, 15:07 Uhr

Denkmale in Erfurt

Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2011/12)


Erfurter Denkmale

Lutherdenkmali.jpg

Erfurt besitzt eine vielgestaltige Denkmallandschaft. Vom Standbild à la Luther über diverse Denkmalbrunnen bis hin zum wuchtigen Bismarckturm reicht das Spektrum. Hinzu kommen moderne Installationen wie das Deserteurs-Denkmal sowie viele kleinere Büsten, Schrifttafeln und Gedenksteine.

Denkmale würdigen aber nicht nur historische Personen und Ereignisse. Sie spiegeln auch Selbstverständnis und Kunstgeschmack ihrer Entstehungszeit sowie deren Wandel. Der spätere Umgang mit ihnen verweist auf politische Umbruchprozesse.

Oft entzündeten sich um sie heftige Kontroversen, wie zuletzt um die Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof. Unsere Denkmale sind damit Zeugen der Geschichte und Gegenwart. Sie zum sprechen zu bringen, hat sich die TA-Serie zum Ziel gesetzt.

Hier die Links zu den einzelnen Denkmalen:


Aufbauhelfer auf der iga

Erthal Obelisk auf dem Domplatz

Willy Brandt Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof

Lutherdenkmal auf dem Anger

Deserteursdenkmal am Petersberg

Christian Reichart Denkmal

Juri Gagarin Denkmal am Ring

Burenhaus in der Bahnhofstraße

Gedenktafel am Kaisersaal

Gedenktafel Schutzhaftlager in der Feldstraße

Meister Eckhart Denkmal Predigerkirche

Theo Neubauer Denkmal Universität

Johann Bartholomäus Trommsdorff Gedenktafel

Bismarckturm im Steiger

Alter Angerbrunnen

Adam Ries Denkmal Erfurt

Lutherstein bei Stotternheim

Kriegerdenkmal am Hirschgarten

Karl Herrmann Denkmal

Gustav Adolf Denkmal

Gedenktafel Kriegsopfer Gispersleben

Richard Breslau Denkmal

Buchenwaldblick

Ernst Benary Denkmal

Kaiser-Wilhelm-Denkmal

Römer auf dem Fischmarkt


Beitrag aus der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2011)

Nationalstolz und Opfergedenken

DENKMALE IN ERFURT (18): Am Hirschgarten diente einst ein Kriegerdenkmal nicht nur der Ehrung von gefallenen Soldaten. In den Erfurter Ortsteilen gibt es noch einige Gefallenendenkmale.

Einst besaß nahezu jede Stadt und Gemeinde in Deutschland ein oder sogar mehrere Kriegerdenkmale für die Gefallenen von der Reichsgründungszeit bis zum Zweiten Weltkrieg. Während sie in kleineren Orten oft noch immer zu finden sind, meist in der Nähe von Kirche und Friedhof, sind sie aus den größeren Städten hierzulande nach 1945 weitgehend verschwunden. Dieses Schicksal teilte auch das monumentale Kriegerdenkmal auf dem Erfurter Hirschgarten. Es war den sogenannten Reichseinigungskriegen gewidmet, die im Nationalbewusstsein des Deutschen Kaiserreiches einen hohen Stellenwert besaßen.

Am 22. März 1876 wurde das Kriegerdenkmal auf dem Hirschgarten vor dem preußischen Regierungsgebäude, der heutigen Staatskanzlei, eingeweiht. Auf wuchtigem Steinsockel erhob sich eine hohe Säule, gekrönt von einem Adler. Dieser blickte nach Westen, auf „das ewig unruhige Frankreich, das seine Niederlagen nie vergißt“, wie eine zeitgenössische Beschreibung es mit Blick auf den „Erbfeind“ formulierte. Deutlich schwingt hier das Selbstbewusstsein des neuen deutschen Nationalstaates von 1871 mit, zu dessen Geburtsfehlern die kaum überbrückbare Feindschaft zu Frankreich gehörte. Die vier Schrifttafeln am Sockel verhießen den Gefallenen der 15. Infanteriebrigade Ehre, Sieg und Ruhm des Preußisch-Österreichischen Krieges 1866 und des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Weiterhin waren die Konterfeis der bekanntesten Feldherren Kaiser Wilhelms I. zu sehen. Mit dem Hirschgarten hatte man einen der repräsentativsten Plätze ausgewählt. 1732 war hier vor dem neuen kurmainzischen Statthalterpalais die erste öffentliche Grünanlage Erfurts entstanden. Statt des 1948 als „nationalistisch und militaristisch“ entfernten Denkmals bildet heute ein Springbrunnen den Mittelpunkt des Platzes.

Ist das Kriegerdenkmal ebenso wie das einstige Reiterdenkmal in der Bahnhofstraße und das Denkmal für die „71-er“ am Petersberg verschwunden, wird zumindest noch auf dem Hauptfriedhof oder mit Gedenktafeln wie in der Rathausvorhalle der Opfer verschiedener Kriege gedacht. In den Erfurter Ortsteilen gibt es dagegen noch klassische Gefallenendenkmale. Im Kiliani-Park von Gispersleben etwa steht ein Gedenkstein mit klarer geometrischer Formensprache, der die Opfer der Kirchgemeinden Viti und Kiliani ehrt. Typischer mutet das Denkmal mit großem Eisernen Kreuz nahe der Vitikirche an. Von Alach bis Waltersleben finden sich weitere Denkmale, sei es eine schlichte Erinnerungstafel, ein Kreuz oder ein Gedenkstein.


Ein wahrer Freund seiner Heimatstadt

DENKMALE IN ERFURT (19): Der Herrmannsbrunnen am Herrmannsplatz erinnert an den verdienstvollen Kaufmann und Stadtrat Karl Herrmann, der als Historiker auch den Stolz auf das „alte Erfurt“ neu belebt hat.

Der Herrmannsbrunnen gehört neben den Denkmalen für Christian Reichart oder Richard Breslau zu den wenigen repräsentativen Monumenten, die verdienten Bürgern unserer Stadt gewidmet sind. Dem Kaufmann, Historiker und Stadtrat Karl Herrmann (1797-1874) hat die Stadt Erfurt tatsächlich viel zu verdanken. So benannte sie nach der Einweihung des Brunnens am 24. September 1875 auch den Rossmarkt in Herrmannsplatz um. Das originell gestaltete Denkmal nimmt die Form der nahen Domtürme auf. Inmitten eines achteckigen Wasserbeckens strebt die Denkmalsäule als reich verzierte Fiale in die Höhe. Der Herrmanns-Brunnen bezieht sich damit auf die mittelalterliche Blütezeit der Stadt, auf die der Lokalpatriot und Heimatforscher sehr stolz war. Herrmann hat in der Mitte des 19. Jahrhunderts wie kaum ein anderer das Bewusstsein für das „alte Erfurt“ und seine beeindruckenden Kulturdenkmale geschärft.

Das Denkmal ist also einem „wahren Freunde seiner Heimatstadt“ gewidmet, wie es in der Inschrift heißt. Karl Herrmann war eine „echte Puffbohne“, am 24. September 1797 in Erfurt als Spross einer Kaufmannsfamilie geboren und am 24. Oktober 1874 daselbst gestorben. Sein berufliches und ehrenamtliches Wirken galt immer seiner Heimatstadt. Das größte Verdienst erwarb er sich mit seinem Engagement für den Anschluss Erfurts an das Eisenbahnnetz 1847. Dies war für die weitere Entwicklung zur modernen Industriegroßstadt von entscheidender Bedeutung. Stets war Herrmann bestrebt, die Stellung Erfurts zu befördern, gehörte u.a. zu den aktivsten Verfechtern deutscher Hauptstadtpläne im Rahmen der Revolution 1848/49 und des Erfurter Unionsparlamentes 1850.

In der öffentlichen Erinnerung ist er aber besonders als Lokalhistoriker, Quellensammler und Vereinsaktivist geblieben. Wenn in zwei Jahren der Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt sein 150. Gründungsjubiläum feiern kann, dann gilt es auch Herrmann als einen der wichtigsten Gründerväter des Geschichtsvereins (1863) zu würdigen. Mit auf seine Initiative geht auch die Gründung des Stadtarchivs (1864) zurück, heute das unersetzliche historische Gedächtnis der Stadt neben dem Stadtmuseum. Der Bestand des letzteren speiste sich übrigens mit aus der Altertümersammlung des Geschichtsvereins. Hier war Herrmann ganz in seinem Element. Als Bewahrer wichtiger Kulturdenkmale und Sammler historischer Quellen („Bibliotheca Erfurtina“, 1863) hat er für die moderne Stadtgeschichtsforschung wichtige Grundlagen gelegt.


„Retter mit dem Schwert“

DENKMALE IN ERFURT (20): Der Gustav-Adolf-Brunnen erinnert an den schwedischen König, der als „Retter des Protestantismus“ auch in Erfurt sehr beliebt war.

Am 10. November 1911 setzten Erfurter Bürger im Beisein des Schwedischen Gesandten König Gustav II. Adolf (1594-1632) ein Denkmal vor der Predigerkirche. Der Erfurter Bildhauer Carl Melville hatte eine Sandstein-Stele mit zwei Brunnenbecken geschaffen, die den König in unaufdringlicher Weise ehrt. Porträtmedaillon, Namenszug, Löwe mit Wappen sowie Vignette mit Bibel und Schwert verzieren den Stein. Hinzu kommt ein umlaufender Schriftzug mit dem Anfang des Lieblingsliedes von Gustav Adolf: „Verzage nicht, Du Häuflein klein, Gott ist mein Harnisch“. Mit Bedacht hatte man die Nähe der Predigerkirche gewählt, die seit der Reformation als evangelische Hauptkirche der Stadt galt und von Gustav Adolf gerne besucht worden war.

Erinnert wurde also demonstrativ an den „Retter des Protestantismus“ im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648. Seit seinem Eingreifen neigte sich die Waage zugunsten der Anhänger Luthers. 1631 zog das schwedische Heer in Norddeutschland von Sieg zu Sieg und kam schließlich auch nach Erfurt. Am 2. Oktober 1631 traf Gustav Adolf mit seiner Armee am Andreastor ein. Die Straße zum Domplatz war eng gesäumt mit jubelnden Menschen. Vor der „Hohen Lilie“ empfing der Rat den König. Der Jubel der Erfurter hatte auch ganz handfeste Gründe. Denn der Schwedenkönig nährte Hoffnungen, die Landesherrschaft des Mainzer Kurfürsten endgültig abzustreifen. Gustav Adolf übernahm alle Herrschaftsrechte und beschenkte die Stadt mit katholischem Kirchengut. Das Erbe Martin Luthers schien sich an dessen einstiger Wirkungsstätte endgültig durchzusetzen.

Am 7. November 1632 hielt Gustav Adolf ein zweites Mal Einzug in Erfurt. Wieder nahm er in der „Hohen Lilie“ Quartier, wo sich seine Gemahlin bereits eingefunden hatte. Der König strebte nun eine Entscheidungsschlacht gegen die katholischen Truppen unter Wallenstein bei Leipzig an. Am 16. November kam es bei Lützen zur Entscheidungsschlacht. Zwar siegten die Schweden, aber der König fiel auf dem Schlachtfeld. Die Todesnachricht traf nicht nur seine in Erfurt weilende Gemahlin als schwerer Schicksalsschlag. Das protestantische Lager hatte seine Führungsfigur verloren. Auch die mit ihr verbundenen Hoffnungen der Erfurter sollten sich zerschlagen. Die Rechte des Mainzer Kurfürsten wurden im Westfälischen Frieden 1648 festgeschrieben und die Stadt 1664 endgültig unterworfen. Umso mehr aber blieb Gustav Adolf in der protestantischen Bevölkerungsmehrheit als der „Retter mit dem Schwert“ in Erinnerung.


Sinnlose Opfer

DENKMALE IN ERFURT (21): Noch unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Erfurt kamen rund 50 deutsche Soldaten bei Kämpfen und einer Erschießung in Gispersleben zu Tode.

Der Zweite Weltkrieg forderte als größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte je nach Schätzung zwischen 50 und 70 Millionen Opfer. Spielte sich das Geschehen aus Sicht der Erfurter nach Kriegsbeginn im September 1939 zunächst weit weg in Europa und Übersee ab, sollte doch in Form der gefallenen Soldaten rasch der blutige Ernst auch an der Gera deutlich werden. Mit den 1944 schlagartig hereinbrechenden Luftangriffen hatte der Krieg endgültig die Stadt erfasst. Rund 1600 Erfurter verloren durch Bombenabwürfe und Kampfhandlungen ihr Leben, 23.000 waren obdachlos. Die ca. 1100 t Bombenlast aus britischen und amerikanischen Flugzeugen hatten zudem enorme Zerstörungen im Stadtbild angerichtet. Wichtige Kulturdenkmale, wie große Teile des Augustinerklosters, das Collegium maius der Alten Universität oder die Barfüßerkirche lagen in Schutt und Asche.

Der April 1945 brachte schließlich das Ende mit Schrecken. Die von Westen vorrückenden US-Truppen unter General Patton hatten das zum festungsartigen „Ortsstütztpunkt“ erklärte Erfurt zunächst umgangen und weitgehend eingeschlossen. Am 11. und 12. April kam es zu opferreichen Gefechten, da sich Kampfkommandant Oberst Otto Merkel entsprechend einem Führerbefehl weigerte, zu kapitulieren. Dass in jenen letzten Kriegstagen in Erfurt nicht noch größerer Schaden angerichtet wurde, lag nur an den schwachen Verteidigungskräften von Wehrmacht und Volkssturm, die die US-Truppen vor keine größeren Probleme stellten. Dennoch mussten noch einmal dutzende Menschen ihr Leben für die völlig aussichtslose Verteidigung der Stadt lassen. Erhebliche Zerstörungen, darunter das Büromaschinenwerk im Brühl und die Gebäude am heutigen Angereck, kamen hinzu.

Helmut Wolf hat 2005 in seinem Buch „Erfurt im Luftkrieg“ in der Schriftenreihe des Geschichtsvereins das Kriegsende mit großer Quellenkenntnis und dank eigener Erlebnisse beschrieben. Er weist dort auch auf die tragischen Vorkommnisse in Gispersleben unmittelbar vor Ende der Kampfhandlungen hin. Hieran erinnert im 2009 neugestalteten Kiliani-Park nunmehr eine Gedenktafel. Sie liegt über einem Soldatengrab mit Angehörigen der Wehrmacht, des Volkssturms und der Waffen-SS, die am 11. April 1945 im Ortsbereich gefallen bzw. von US-Truppen nach ihrer Gefangennahme erschossen worden sind. „Die näheren Umstände dieses Massakers lassen sich aufgrund der spärlichen Dokumentenlage heute nicht mehr ermitteln“, so Wolf. Die Gedenktafel ehrt so schlicht die Toten, die wie viele andere als sinnlose Opfer eines längst verlorenen Krieges starben.


Vater des modernen Erfurt

DENKMALE IN ERFURT (22): In Richard Breslaus Amtszeit als Oberbürgermeister begann Erfurts Weg zur modernen Industriegroßstadt. Daran erinnert das Denkmal in der Löberstraße.

Nach der Reichseinigung 1871 entwickelte sich Erfurt innerhalb weniger Jahrzehnte von einer beengten Festungsstadt mit 44.000 Einwohnern zu einer Industriemetropole, die bereits 1906 die 100.000-Einwohner-Marke überschritt. Die Stadt breitete sich in alle Richtungen aus, die Wirtschaft boomte, die Infrastruktur wurde mit Wasserleitung, Elektrizität, Straßenbahn, Krankenhaus u.v.a. grundlegend modernisiert. Eine der wegweisenden Maßnahmen war das Doppelprojekt von Flutgraben und Ringstraße, dem heutigen Juri-Gagarin-Ring. In einer solchen Zeit brauchte es einen erfahrenen und zupackenden Oberbürgermeister, den Erfurt mit Richard Breslau (1835-1897) auch besaß. Er gilt bis heute mit Blick auf seine Amtszeit von 1871 bis 1889 zu Recht als „Vater des modernen Erfurt“.

Dessen waren sich auch schon die Zeitgenossen bewusst. Im Auftrag des Erfurter Magistrats gestaltete Bildhauer Carl Melville eine der repräsentativsten Denkmalanlagen der Stadt. Sie wurde am 19. Oktober 1912 in der damaligen Bismarckstraße (Löberwallstraße) enthüllt. Das Denkmal verkörpert die großen Verdienste des Kommunalpolitikers. So hatte Melville mit zwei lebensgroßen Flachrelieffiguren Handel und Verkehr sowie Industrie und Bauwesen personifiziert. Das waren jene Bereiche, die Breslau besonders gefördert hatte. Mit dem Wasserbecken bezog sich der Künstler auf die 1876 eröffnete Zentralwasserleitung und beginnende Kanalisation. Der Denkmalstandort erinnerte an Breslaus entscheidende Mitwirkung am Flutgrabenprojekt. Die Umfunktionierung des alten Festungsgrabens zum Hochwasser regulierenden Umflutgraben, die Ringstraße und die Begrünung der ehemaligen Wälle gehören zu den wichtigsten Städtebauprojekten der neueren Stadtgeschichte. Auf Erfurts Bedeutung als moderne Blumenstadt verwies der Bildhauer durch Attribute wie Putten, Sähtuch und Blumen.

Die Erinnerung an Breslau verblasste jedoch in der DDR-Zeit. 1967 reduzierte man die monumentale Anlage sogar auf ein Fragment. Man trennte die Stelen vom Wasserbecken und versetzte sie 200 Meter entfernt an die Uferböschung. Der „bürgerliche“ Kommunalpolitiker war gewissermaßen aus dem Blickfeld gerückt. Während nach 1989 viele vernachlässigte Denkmale rasch Spender fanden, blieb das abseits stehende Breslau-Monument lange Zeit unbeachtet. Die Erfurter Denkmalbehörde machte in dieser Situation ihrem Namen alle Ehre. Auf ihre Initiative und mit Unterstützung des Geschichtsvereins konnte die rekonstruierte Anlage, wenn auch ohne Brunnen, 2007 wieder an die Löberstraße zurück versetzt werden.


Der Buchenwaldblick

DENKMALE IN ERFURT (23): Auf einer ehemaligen Batterie der Festung Cyriaksburg findet sich ein etwas verstecktes Mahnmal mit Blick zur Gedenkstätte Buchenwald.

Die Zitadelle Cyriaksburg geht in die Zeit der zunehmenden Bedrohung Erfurts durch den Mainzer Erzbischof und die sächsischen Kurfürsten in den 1480er Jahren zurück. Im 19. Jahrhundert bauten die Preußen die strategisch wichtige Festung oberhalb der Stadt noch einmal aus. Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 kam sie schließlich in zivile Hände. Damit begann der weitere Ausbau des Geländes zu einer beliebten Parkanlage, die 1961 in der Internationalen Gartenbauausstellung iga auf ging. An die einstige militärische Verwendung erinnert auch noch im heutigen egapark die Cyriaksburg, in der das Deutsche Gartenbaumuseum untergebracht ist.

Auf die ehemaligen Festungswerke rund um die Kernfestung macht etwa das Restaurant „Caponniere“ aufmerksam. Nicht weit von hier befand sich eine Terrassenbatterie mit Geschützen, mit denen das Geratal und der Steiger beschossen werden konnten. Nach der Aufgabe solcher Außenanlagen der Zitadelle lag die Umwidmung des kriegerischen Ortes zum Aussichtspunkt nahe. Zunächst bezeichnete man ihn wohl auch mit Blick auf seine Geschichte als Grolmannshöhe. General Wilhelm von Grolman war von 1882 bis 1888 Kommandeur der 8. Division in Erfurt. Er hatte maßgeblichen Anteil an der Teilfreigabe des Geländes nach der Entfestigung Erfurts 1873, so dass in den 1880er Jahren erste Grünanlagen angelegt werden konnten.

In Vorbereitung der „iga ´61“ wurde auch dieser Bereich umgestaltet. Seitdem steht hier als Mahnmal der „Rufer“ von Fritz Cremer. Es handelt sich dabei um die verkleinerte Replik einer Plastik, die der renommierte Bildhauer ursprünglich für die Figurengruppe des Buchenwald-Denkmals auf dem Ettersberg geschaffen hatte. Im Führer für die iga von 1961 wird der etwas abseits der Besucherströme liegende Aussichtspunkt jetzt als Buchenwaldblick bezeichnet, lässt sich doch östlich in der Ferne der Gedenkstätten-Glockenturm auf dem Ettersberg erkennen. Dieser Bezug spiegelt die große Bedeutung der wenige Jahre zuvor eröffneten KZ-Gedenkstätte für den antifaschistischen Gründungsmythos der DDR. Er ist aber bis heute auch eine Verneigung vor den 56.000 Opfern des NS-Terrorortes. Dies gilt umso mehr, als das Wissen um die Verstrickung des Erfurter Unternehmens „Topf & Söhne“ in den Holocaust in den letzten Jahren gewachsen ist. Auch im Krematorium des KZ Buchenwald findet sich auf den Leichen-Verbrennungsöfen das Logo jener Erfurter Firma, die als „Ofenbauer von Auschwitz“ traurige Bekanntheit erlangt hat.


An historischem Ort

DENKMALE IN ERFURT (24): Das Denkmal für Ernst Benary fand gut hundert Jahre nach der Stiftung der Grünanlage am Benaryplatz einen würdigen Rahmen.

Erfurt hat seine erfolgversprechende Bewerbung um die Bundesgartenschau 2021 nicht zuletzt dem Ruf als bedeutende Blumenstadt zu verdanken. Dessen Wurzeln liegen im 18. Jahrhundert und sind besonders mit dem Namen Christian Reichart verbunden. Den Höhepunkt als weltweites Zentrum des Gartenbaus erlangte die Stadt um 1900. Hierfür zeichneten die großen Unternehmen wie Haage, Schmidt, Chrestensen und Heinemann verantwortlich. Die Nummer 1 der Erfurter Gartenbauunternehmer in dieser Zeit aber war Ernst Benary.

Der am 10. November 1819 geborene Benary war Spross einer jüdischen Bankiersfamilie aus Kassel. Sein Vater Salomon hatte sich in Erfurt niedergelassen und 1824 trotz antisemitischer Vorbehalte das Bürgerrecht erkämpft. 1843 begründete Sohn Ernst Benary in Erfurt seine erste Kunst- und Handelsgärtnerei. 1847 ebenfalls mit dem Bürgerrecht versehen, spezialisierte er sich auf Anzucht und Verkauf von Blumen- sowie Gemüsesamen und entwickelte internationale Kontakte. Weltweit konnte die von ihm fast 50 Jahre geführte Firma den eigenen guten Ruf, aber auch Erfurts Anerkennung als maßgebende Lieferantin von Garten-Saatgut verbreiten. Ernst Benarys Söhne Friedrich und John sowie die Enkel vermochten das Unternehmen bis zur Enteignung 1952 erfolgreich fortzuführen. Jüngst hat Eberhard Czekalla die Firmengeschichte der Benarys im Buch „Blumenstadt Erfurt“ des Geschichtsvereins nachgezeichnet.

Ernst Benary hat selbst dazu beigetragen, dass sein Name bis heute im Stadtbild präsent ist. 1888 hatte der Firmengründer mehrere zwischen Bonifacius- und Friedensstraße liegende städtische Grundstücke gekauft. Die 5.700 m2 großen Flächen, eigentlich als lukratives Bauland vorgesehen, stiftete Benary testamentarisch der Stadt unter der Bedingung, sie für immer als öffentliche Erholungsstätte zu nutzen. Nach seinem Tode 1893 ließ die Stadt einen kleinen Gedenkstein errichten und den Platz 1896 nach Benary benennen. Nach mehreren Wechseln, 1936: Herbert Norkus, 1945: wieder Benary und 1953: Philipp Müller, sorgte die Stadtverwaltung 1991 dafür, den ursprünglichen Namen erneut einzusetzen. Das Garten- und Friedhofsamt ergänzte den um 1895 angelegten Bestand an Bäumen, Sträuchern und Stauden durch neue Kulturen. Am 26. Juni 2000 kam es schließlich zur feierlichen Einweihung eines Denkmals für den Kunstgärtner Ernst Benary. Rudolf Benary, der Urenkel des Geehrten, hielt die Einweihungsrede. Die beiden Steinstelen, gestaltet von dem Erfurter Bildhauer Lutz Hellmuth, symbolisieren den Gartenbau und würdigen den großen Unternehmer und gemeinnützigen Bürger Ernst Benary.


Reichsgründer zu Pferde

DENKMALE IN ERFURT (25): In August 1900 wurde in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am heutigen Karl-Marx-Platz enthüllt.

Er wollte Deutschland „herrlichen Zeiten“ entgegenführen und sah dessen Zukunft „auf dem Wasser“. Einer seiner Kanzler verlangte für das Reich einen „Platz an der Sonne“. Viele Zeitgenossen teilten diese nationale Hochstimmung mit Flottenbau und Kolonien. Dennoch gibt es kaum ein Denkmal für Kaiser Wilhelm II. (1888-1918), da seine Abdankung 1918 zugleich das Ende der Monarchie brachte. Seinem Großvater Wilhelm I. (1871-1888) verhalf er allerdings zuvor zu zahlreichen Monumenten. Im „Wilhelminischen Zeitalter“ gehörte es zum guten Ton, dass eine Stadt neben Kriegerdenkmalen und Bismarckturm auch dem zweiten „Reichsgründer“ neben dessen „Eisernen Kanzler“ huldigte.

Die Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals am 25. August 1900 gehört denn so auch in Erfurt zu den Höhepunkten nationaler Festkultur. Bei prächtigem „Kaiserwetter“ konnte „die neue Zierde der Stadt“, so Oberbürgermeister Hermann Schmidt, in Anwesenheit Wilhelms II. mit viel Pomp übergeben werden. Das Denkmal von Prof. L. Brunow zeigte Wilhelm I. hoch zu Pferde. Kunsthistoriker wie Prof. Ruth Menzel schätzen den künstlerischen Wert des Reiterstandbildes nicht sehr hoch ein. Die Zeitgenossen aber scheinen überwiegend begeistert gewesen zu sein. Zumal das Bürgertum der Stadt sah sich als treuen Untertan der Hohenzollern. Seit 1802 hatte man einen preußischen Patriotismus entwickelt. Nach der Reichsgründung 1871 verband er sich mit dem selbstbewussten Nationalismus des Kaiserreiches. Wilhelm I. spielte dabei als beliebter greiser Monarch eine zentrale Rolle. Zugleich verkörperte die Militärmonarchie ein Bollwerk gegen die Arbeiterbewegung, die in Form der „Umsturzpartei“ SPD gerade in Erfurt immer mehr Zulauf erhielt.

Die Initiative ging so wie bei den meisten der einst ca. 300 Kaiserdenkmale auf ein von städtischen und staatlichen Behörden unterstütztes Bürgerkomitee zurück. Ein von der Stadt 1888 bewilligter Fond von 20.000 Mark wurde durch Spenden aufgestockt. Dennoch sollte es über zwölf Jahre dauern, ehe das Denkmal nach schwieriger Standortwahl auf dem neuen Kaiserplatz zum Stehen kam. Zuvor hatte das Denkmal für Christian Reichart weichen müssen, auf den der Platz erst 1867 umgetauft worden war. Der Bürger und Begründer des modernen Gartenbaus musste dem Kaiser Platz machen. Das bronzene Reiterstandbild wurde 1944 für Kriegszwecke eingeschmolzen. Seit 1945 ist der einst dem Hohenzollern-Fürsten gewidmete Platz nach dem Begründer des Marxismus benannt. An der Stelle des Denkmals findet sich heute auf dem Karl-Marx-Platz eine kleine Grünanlage.


Denkmal städtischer Freiheit

DENKMALE IN ERFURT (26): Der Römer auf dem Fischmarkt symbolisierte einst die Autonomie Erfurts von seinem Mainzer Landesherrn.

Die Bürgerschaft der Stadt Erfurt hatte sich in der Mitte des 13. Jahrhunderts weitgehende Autonomie von ihrem Landesherrn erworben, dem Mainzer Erzbischof und Kurfürsten. Mit Blick auf die mittelalterliche Metropole mit eigenem Landgebiet sprach man sogar vom „Land Erfurt“. Ende des 15. Jahrhunderts geriet der Status einer „Quasi-Reichsstadt“ zwar erstmals ins Wanken, konnte aber über die Reformationszeit hinaus verteidigt werden. Es folgte sogar eine Spätblüte nicht zuletzt dank des wichtigen Waidhandels. Bis heute lässt diese sich an den prächtigen Bürgerhäusern am Fischmarkt ablesen.

In dieser Zeit entschloss sich der Erfurter Stadtrat, seine Macht noch einmal mit einem Ausrufezeichen im öffentlichen Raum zu versehen. Natürlich kam dafür nur der Fischmarkt in Frage, wo seit dem 13. Jahrhundert im Rathaus alle Machtfäden zusammen liefen. Am 6. November 1591 errichtete man einen römischen Krieger vor dem wenige Jahre zuvor vollendeten Haus „Zum breiten Herd“. Auf dessen Dach findet sich übrigens ein kleiner Gefährte des „Römers“, der allerdings eher wie ein Soldat des späten 16. Jahrhunderts aussieht. Erst 1886 rückte das Denkmal an seine heutige Stelle in der Platzmitte, da es den zunehmenden Verkehrsströmen samt Straßenbahn im Wege stand. Der Stadtrat hatte 1591 den renommierten Niederländer Israel von der Milla mit dem Auftrag bedacht. Die Figur war in Stein gehauen, farbig gefasst, vergoldet und auf eine Pyramide gesetzt. Im 18. Jahrhundert wurde letztere durch den hohen Pfeiler ersetzt.

Einst nannte man die Figur meist Römer, seit dem 18. Jahrhundert aber auch Roland oder Martin. Zwar stand hier früher neben einer ihm geweihten Kapelle eine Figur des heiligen Martin von Tours, der als Patron über das Mainzer Erzbistum wachte. Während des Bauernkrieges 1525 war dieses Mainzer Symbol aber auf Geheiß des Rates vom Sockel gestürzt worden. Der wenige Jahrzehnte später aufgestellte Römer diente dagegen ausdrücklich „zum Beweißtum ihrer Freyheit, so die Stadt von alten Zeiten her gehabt“. Er diente also als Zeichen der Unabhängigkeit von der Mainzer Herrschaft. Gerne hätte so mancher Mainzer den Römer nach der Unterwerfung der Stadt 1664 wieder umgerissen. Er blieb uns jedoch erfreulicher Weise erhalten und erinnert vor dem neuen Rathaus an die große Blütezeit des „Landes Erfurt“.