Predigerkirche

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Predigerkirche St. Johannes Evangelist

Zur Pfarrei gehören auch die eingemeindete Johannes-Augustinergemeinde mit dem Augustinerkloster und dem Johannesturm und die ehemalige Barfüßergemeinde.

Gehört zur Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), die aus dem Zusammenschluß von Ev.-luth. Kirche in Thüringen (Eisenach) und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg) seit 01.01.2009 hervorgegangen ist.

Katholische Partnergemeinde ist die Martini-Gemeinde im Brühl.

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Die Predigerkirche gehört zu den schönsten und bedeutendsten Bauten der Bettelordensarchitektur im deutschen Sprachraum. Trotz einer fast zweihundertjährigen Bauzeit wurde die Kirche in einem einheitlichen Stil, als dreischiffige kreuzrippengewölbte Basilika, errichtet. Weite und Tiefe des Raumes sind durch Pfeiler und Gewölbe klar gegliedert. Der überraschende Lichteinfall zwischen den Deckengewölben zieht den Blick in die Höhe. Die Schlußsteine weisen auf Wappen von Erfurter Patrizierfamilien (Rosenzweig, Longus u. a.) und auf zahlreiche Zünfte, die sich mit ihren reichen Spenden am Bau des Langhauses beteiligten.

++Die Predigerkirche repräsentiert in besonders klarer Weise und in monumentaler, anspruchsvoller Ausführung die Ideale der Bettelordensarchitektur. Baukörper und Innenraum sind gegenüber anderen mittelalterlichen Sakralbauten vereinfacht und vereinheitlicht. Regionale und zeittypischen Bau- und Schmuckformen wie Blattornament und Maßwerk fanden zwar Anwendung, sind aber durch das Bescheidenheitsgebot zurückhaltend ausgebildet. Die Ursache eines einheitlichen Großraumes dieser Dimension werden kontrovers diskutiert. Die traditionelle These, dass eine Halle für das Publikum der Predigten geschaffen werden sollte, wird heute bezweifelt, und statt dessen die materielle Notwendigkeit betont, Platz für die zahlreichen Gräber zu schaffen, die durch die damit verbundenen Stiftungen die Versorgung des Konventes garantierten.++ (Schenkluhn)

++Darüber hinaus kann an der Predigerkirche gerade im Vergleich mit der Erfurter Barfüßerkirche ein genuines Charakteristikum der Dominikanerarchitektur beobachtet werden. Während außen gelegene Langchöre bei Bauten beider Orden vorkommen, sind Binnenchöre nur bei Kirchen der Prediger belegt. Die langwierige Verteilung der Bauphasen über mehr als ein Jahrhundert ist für mittelalterliche Sakralarchitektur nicht ungewöhnlich, anders als an anderen Gebäuden dieser Epoche wurde hier aber konsequent in den Großformen der Anfangszeit weitergebaut, so dass ein geschlossener und regelmäßiger Gesamteindruck erreicht werden konnte. In Veränderungen der Details, wie den Maßwerkformen, dem Blattwerk an den Pfeilerkämpfern, dem Ornament der Konsolen und den Profilen an den Arkadenbasen lassen sich aber die Entwicklung während der Bauphasen gut belegen.++(Nitz)

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Zur Baugeschichte

Im Jahre 1228 kamen Dominikaner nach Erfurt und gründeten ein Jahr später dort ihr Kloster, vermutlich ein sehr schlichtes Gebäude; 1238 war die Weihe der ersten steinernen Kirche. Seit 1270 bis ins 14. Jahrhundert entstand die heutige Predigerkirche. Um 1279 muss der Hohe Chor vollendet gewesen sein. Die Fertigstellung des Gesamtbaues vollzog sich in mehreren Bauabschnitten. Nach 1400 wurde vor den Chorschranken der Lettner eingebaut, um den Bereich der Klosterbrüder stärker von der öffentlichen "Prediktkirche" zu trennen. Zuletzt folgten die Einwölbung des Langhauses und nach 1447 der Bau des Tunnels. Etwa gleichzeitig zum Bau der Kirche wurde auch das Predigerkloster errichtet, doch schweigen dazu die Quellen.

Im Predigerkloster und in der Kirche wirkte der bedeutendste und geistvollste Mystiker des Mittelalters, der aus Thüringen stammende Meister Eckhart. Um 1275, noch im Knabenalter, trat er als Novize in das Kloster ein. Nach Studien- und Lehraufenthalten in Paris wirkte Meister Eckhart von diesem Kloster aus als Prior und Provinzial für die Ordensprovinz Sachsen.

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1525 wurde die Predigerkirche evangelisch. Das Kloster jedoch blieb noch bis 1588 im Besitz des Dominikanerordens. In den Jahren 1559 bis 1802 diente die Kirche als Ratskirche. Hier wurden nach der jährlichen Ratswahl ein feierlicher Gottesdienst abgehalten.

Die letzte große Kirchenrestaurierung wurde in den Jahren 1960 bis 1964 vorgenommen. Dabei erhielt das Innere der Kirche durch eine Neuordnung der Ausstattung und die Farbgebung wieder eine künstlerische Einheit.


Zur Ausstattung

Die Kirche bietet eine Fülle an Werken der Malerei und Plastik, an Grabmalen und kunsthandwerklichen Geräten aus den verschiedenen Stilepochen, überwiegend vom 14. bis 18. Jahrhundert.

Die Verkündigungsgruppe am Mittelportal des Lettners gehört zu den bedeutenden mitteldeutschen Plastiken (um 1375). Tritt man durch das Mittelportal, so fällt der Blick auf die Chorschranken mit zwei weiteren Kunstwerken. Links befindet sich der "Kalvarienberg", ein wichtiges Werk der Erfurter Tafelmalerei (um 1350). Rechts steht die so genannte "Schmedestedtsche Madonna" (spätestens 1352).

Im Hohen Chor stammt das Gestühl noch aus der Ursprungszeit (um 1320). Der auffallend schöne Messingkronleuchter enthält eine Reiterstatuette mit König Gustav Adolf von Schweden. Während seines Erfurter Aufenthaltes nutzte er für sich und seine Beamten die Predigerkirche als Pfarrkirche und logierte bei Eduard Bode im "Haus zur Hohen Lilie"** am Domplatz 31. Zum Gedächtnis an diesen Gast stiftete Bode zehn Jahre später, im Jahre 1647, den Leuchter.

Baubeschreibung

Dreischiffige Basilika von 15 Jochen. Im Osten schließt der Bau mit einem 5/8-Polygon von Mittelschiffsbreite ab, während die Seitenschiffe gerade (rechtwinklig) enden. Das qualitätsvolle Quadermauerwerk und die gleichmäßige Gliederung durch Strebepfeiler an Chor, nördlichem Seitenschiff und turmloser Westfassade sind von monumentaler Wirkung. Im Inneren ein kreuzrippengewölbter Raum von großer architektonischer Geschlossenheit, bedingt durch die hallenartige Zusammenführung von hohen Seitenschiffen und dem Mittelschiff, aber ebenso durch die Tiefenwirkung, welche die lange Reihung steil proportionierter Langhausarkaden erzeugt. Durch die enge Verzahnung der Arkaden mit der Gewölbegliederung kommt es zu einer starken Rhythmisierung des Raumes im Langhaus.

1272/1273 wurden die fünf östlichen Joche des Neubaus der Kirche unter Dach gebracht (dabei westliche Teile des Vorgängerbaus wohl weiter genutzt), 1278/1279 schließlich der erhaltene Kreuzgangflügel mit Kapitelsaal und Refektorium.

1360-80 Westteil (Joche 6-16) errichtet und in der 1. Hälfte des 15. Jh. vollendet (Stiftungen für Gewölbe 1432 und 1438).

1447 Baubeginn des Glockenturms, der 1484 vollendet wurde.

Der Kreuzgang wurde bis auf den östlichen Flügel vom 17. bis zum 19. Jh. schrittweise abgerissen.

1826-1828 und seit 1874 fortlaufend Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten

1858/1859 Umbau des erhaltenen Kreuzgangflügels im oberen Teil (heute sind die Kirchlichen Werkstätten darin untergebracht). Das Refektorium wird von der Predigergemeinde als Winterkirche genutzt.

Langhaus mit spitzbogigem Westportal mit stark gegliedertem Gewände, Tympanon, Trumeaupfeiler und den Konsolen und Baldachinen für einen Skulpturenzyklus (Reste davon im Angermuseum Erfurt).

Im Chor dreiseitige Chorschranken aus der Erbauungszeit, welche die 4 östlichen Mittelschiffsjoche als Binnenlangchor abtrennen. Zusätzliche Abtrennung des Chors durch einen Lettner (5. und 6. Joch) über die ganze Breite des Schiffes. Chorschranken vermutlich nach Vollendung des Ostteils; Lettner nach Überdachung des Westteils der Kirche errichtet. Im Binnenlangchor das alte Chorgestühl mit Bücherschränken erhalten; Anfang 14. Jahrhundert. Ergänzt durch Baldachine mit den Namen der im 1. Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder von 1922. Schlußsteine der Gewölbe in den fünf östlichen Seitenschiffsjochen mit Laubwerk, in den übrigen Jochen mit christlichen Symbolen, Heiligen, Wappen und Zunftzeichen der Stifter. In den vier östlichen Fenstern des Nordseitenschiffs farbige Glasfenster mit Flechtband- und Pflanzenornamenten, wohl unmittelbar nach Fertigstellung des Chors entstanden, teils stark ergänzt, heutige Anordnung nach 1949. Maßwerkverglasung der Fenster von 1896-1906.

An der Chorsüdseite spitzbogige Sediliennische mit Maßwerkschleier. An ihrer Rückwand Wandgemälde mit dem Tod Mariae in gut erhaltener Farbigkeit, um 1320. Daneben die stark verblassten Darstellungen dominikanischer Heiliger unter Dreipassbögen.

An der äußeren Westwand der Chorschranken Tafelbild (Kalvarienberg, um 1350/60) und Skulptur (Maria mit Kind, so genannter Schmedstedtsche Madonna, vor 1352, rheinische Einflüsse) am ursprünglichen Aufstellungsort erhalten. Östlicher, zweigeschossiger Klausurflügel im nördlichen Teil unterkellert, mit originalem Dachstuhl; unten drei zweischiffige, kreuzrippengewölbte Säle mit nach Süden hin zunehmender Länge von zwei, drei (Klausursaal) und fünf (Refektorium) Jochen.

Unter dem Refektorium konnte bei Renovierungsarbeiten des Fußbodens zu Beginn der 90er Jahre eine mittelalterliche Hypokaustenheizung nachgewiesen werden. Rippen, Bögen und Schlusssteine mit originaler Farbfassung. Im Obergeschoss ehemalig die Mönchszellen beiderseits eines breiten, mit spitzer Holztonne überwölbten Mittelganges gelegen; durch Umnutzung heute völlig verändert. Hofseitig Reste der alten spitzbogigen Zellenfenster im Mauerwerk erkennbar.

1946 - 1950 schuf Heinz Hayna vier beeindruckende Trümmerfenster.

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Zeittafel

Nach 1269 - Baubeginn nach Gebietsschenkungen

1278 - Provinzkapitel in Erfurt, eine funktionsfähige Kirche und ebensolche Konventgebäude müssen bestanden haben.

bis spätestens 1273 - Chorbau bis Joch 5 einschließlich der Chorschranken fertiggestellt.

Spätestens 1362 - Weiterbau ab Joch 6.

Frühestens 1366 - Joche 10 - 12 unter Dach.

Frühestens 1380 - Joche 13 - 15 unter Dach.

1396 bis 1403 - General- und Provinzkapitel in Erfurt, eine funktionsfähige Kirche und ebensolche Konventsgebäude müssen bestanden haben.

spätestens 1412 - Kirche steht in voller Länge, jetzt Stiftungen für Fenster am Westgiebel.

vor 1420 - Südliches Seitenschiff fertiggestellt.

um 1420 - Lettner zwischen Joch 5 und 6 eingezogen.

1432 - Joch 6 des Mittelschiffs wird eingewölbt.

1438 - Joch 15 des Mittelschiffs wird eingewölbt.

1447 - 1488 Turm errichtet.


Siehe auch: Übersicht Kirchen Erfurt