Nettelbeckufer: Unterschied zwischen den Versionen

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Seit 2020 fordert die Bewegung Decolonize Erfurt, Initiator der umstrittenen Ausstellung '''[[Kolonialismus in Erfurt]]''', eine Umbenennung wegen Nettelbecks Tätigkeit als Seemann auf Sklavenschiffen, seinen Kolonial-Vorschlägen und der posthumen Stilisierung zum Nationalhelden. An seine Stelle soll der am Nettelbeckufer geborene farbige Erfurter Gert Schramm treten, der im KZ Buchenwald inhaftiert war. Andere Stimmen machen darauf aufmerksam, dass seit den frühen 1990er-Jahren bewusst keine Umbenennungen aus historischen Gründen mehr vorgenommen wurden. Das Nettelbeckufer wäre damit ein Präzedenzfall, der auch die kritische Betrachtung weiterer Straßennamen nach sich ziehen müsste.
Seit 2020 fordert die Bewegung Decolonize Erfurt, Initiator der umstrittenen Ausstellung '''[[Kolonialismus in Erfurt]]''', eine Umbenennung wegen Nettelbecks Tätigkeit als Seemann auf Sklavenschiffen, seinen Kolonial-Vorschlägen und der posthumen Stilisierung zum Nationalhelden. An seine Stelle soll der am Nettelbeckufer geborene farbige Erfurter Gert Schramm treten, der im KZ Buchenwald inhaftiert war. Andere Stimmen machen darauf aufmerksam, dass seit den frühen 1990er-Jahren bewusst keine Umbenennungen aus historischen Gründen mehr vorgenommen wurden. Das Nettelbeckufer wäre damit ein Präzedenzfall, der auch die kritische Betrachtung weiterer Straßennamen nach sich ziehen müsste.


Stadtsprecher Daniel Baumbach umreißt die Situation bei aller Sympathie für Schramm so: "Andererseits sehen Experten – wie der engagierte Erfurter Historiker '''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' – Probleme. Raßloff fragt zu Recht: Wenn wir Nettelbeck streichen, was machen wir dann mit '''[[Thaelmannstrasse|Ernst Thälmann]]''' oder '''[[Rosa-Luxemburg-Straße|Rosa Luxemburg]]'''? Auch diese historischen Figuren haben keine reinweiße Weste, sind aus heutiger Sicht auf Straßenschildern ebenso nicht mehr tragbar. Wenn wir bei Nettelbeck anfangen, wo hören wir dann also auf?" (Amtsblatt, 26.06.2020) Das wirft die Frage auf, ob man eine emotionale Debatte über Straßennamen anstoßen oder diese als kritisch reflektierten Teil der '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Stadtgeschichte]]''' beibehalten möchte. Auch sollten die Anwohner und Gewerbetreibenden einbezogen werden, die eine Umbenennung ganz überwiegend ablehnen. Zudem sehen sie sich wie viele Vertreter anderer Meinungen in der Gefahr, von den in den Medien sehr präsenten Initiatoren "in die rechte Ecke der Rassisten und Huldiger von Sklaverei und Kolonialismus gestellt zu werden" (Thüringer Allgemeine, 19.08.2020).  
Stadtsprecher Daniel Baumbach umreißt die Situation bei aller Sympathie für Schramm so: "Andererseits sehen Experten – wie der engagierte Erfurter Historiker '''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' – Probleme. Raßloff fragt zu Recht: Wenn wir Nettelbeck streichen, was machen wir dann mit '''[[Thaelmannstrasse|Ernst Thälmann]]''' oder '''[[Rosa-Luxemburg-Straße|Rosa Luxemburg]]'''? Auch diese historischen Figuren haben keine reinweiße Weste, sind aus heutiger Sicht auf Straßenschildern ebenso nicht mehr tragbar. Wenn wir bei Nettelbeck anfangen, wo hören wir dann also auf?" (Amtsblatt, 26.06.2020) Das wirft die Frage auf, ob man eine emotionale Debatte über Straßennamen anstoßen oder diese als kritisch reflektierten Teil der '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Stadtgeschichte]]''' beibehalten möchte. Auch sollten die Anwohner und Gewerbetreibenden einbezogen werden, die eine Umbenennung ganz überwiegend ablehnen. Zudem sehen sie sich wie viele Vertreter anderer Meinungen in der Gefahr, von den medial sehr präsenten Initiatoren "in die rechte Ecke der Rassisten und Huldiger von Sklaverei und Kolonialismus gestellt zu werden" (Thüringer Allgemeine, 19.08.2020).  


Während Grüne und Linke die Inititive unterstützen, plädiert die CDU mit Freien Wählern, Piraten und FDP ebenso wie die Anlieger-Vertretung für die Beibehaltung des Namens und die Ehrung Schramms durch eine Neubenennung. Zudem wenden sich letztere gegen eine künstliche Verlängerung der seit einem Jahr laufenden Debatte, in der alle Argumente ausgetauscht sind. "Das stetige Wiederholen bringt niemanden weiter. Nach zahllosen Diskussionen, Gutachten und Flugblättern ist es nun an der Zeit, zu entscheiden", so CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Hose (06.01.2021). Dem haben sich Oberbürgermeister Andreas Bausewein und die Mehrheit der SPD-Fraktion angeschlossen. Auch dort sieht man laut Stadtrat Dr. Holger Poppenhäger den Zeitpunkt kommen, an dem "entschieden werden muss. Die Entscheidung obliegt dem Stadtrat und diese wird auch die Umbenennungsinitiative akzeptieren müssen." (11.02.2021)
Während Grüne und Linke die Inititive unterstützen, plädiert die CDU mit Freien Wählern, Piraten und FDP ebenso wie die Anlieger-Vertretung für die Beibehaltung des Namens und die Ehrung Schramms durch eine Neubenennung. Zudem wenden sich letztere gegen eine künstliche Verlängerung der seit einem Jahr laufenden Debatte, in der alle Argumente ausgetauscht sind. "Das stetige Wiederholen bringt niemanden weiter. Nach zahllosen Diskussionen, Gutachten und Flugblättern ist es nun an der Zeit, zu entscheiden", so CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Hose (06.01.2021). Dem haben sich Oberbürgermeister Andreas Bausewein und die Mehrheit der SPD-Fraktion angeschlossen. Auch dort sieht man laut Stadtrat Dr. Holger Poppenhäger den Zeitpunkt kommen, an dem "entschieden werden muss. Die Entscheidung obliegt dem Stadtrat und diese wird auch die Umbenennungsinitiative akzeptieren müssen." (11.02.2021)

Version vom 13. Februar 2021, 10:46 Uhr

Nettelbeckufer

Ortsteil: Ilversgehofen

Bezeichnung seit: 1905, zwischenzeitlich 1950-1956 Goerdelerufer nach Carl Goerdeler, Leipziger Oberbürgermeister und Angehöriger des Kreises um die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944

vorherige Bezeichnung/en: keine

Bedeutung: benannt nach Joachim Nettelbeck (1738-1824), Symbolfigur der deutschen Nationalbewegung als "Retter von Kolberg" mit Neidhardt von Gneisenau gegen die französische Belagerung 1807

Seit 2020 fordert die Bewegung Decolonize Erfurt, Initiator der umstrittenen Ausstellung Kolonialismus in Erfurt, eine Umbenennung wegen Nettelbecks Tätigkeit als Seemann auf Sklavenschiffen, seinen Kolonial-Vorschlägen und der posthumen Stilisierung zum Nationalhelden. An seine Stelle soll der am Nettelbeckufer geborene farbige Erfurter Gert Schramm treten, der im KZ Buchenwald inhaftiert war. Andere Stimmen machen darauf aufmerksam, dass seit den frühen 1990er-Jahren bewusst keine Umbenennungen aus historischen Gründen mehr vorgenommen wurden. Das Nettelbeckufer wäre damit ein Präzedenzfall, der auch die kritische Betrachtung weiterer Straßennamen nach sich ziehen müsste.

Stadtsprecher Daniel Baumbach umreißt die Situation bei aller Sympathie für Schramm so: "Andererseits sehen Experten – wie der engagierte Erfurter Historiker Dr. Steffen Raßloff – Probleme. Raßloff fragt zu Recht: Wenn wir Nettelbeck streichen, was machen wir dann mit Ernst Thälmann oder Rosa Luxemburg? Auch diese historischen Figuren haben keine reinweiße Weste, sind aus heutiger Sicht auf Straßenschildern ebenso nicht mehr tragbar. Wenn wir bei Nettelbeck anfangen, wo hören wir dann also auf?" (Amtsblatt, 26.06.2020) Das wirft die Frage auf, ob man eine emotionale Debatte über Straßennamen anstoßen oder diese als kritisch reflektierten Teil der Stadtgeschichte beibehalten möchte. Auch sollten die Anwohner und Gewerbetreibenden einbezogen werden, die eine Umbenennung ganz überwiegend ablehnen. Zudem sehen sie sich wie viele Vertreter anderer Meinungen in der Gefahr, von den medial sehr präsenten Initiatoren "in die rechte Ecke der Rassisten und Huldiger von Sklaverei und Kolonialismus gestellt zu werden" (Thüringer Allgemeine, 19.08.2020).

Während Grüne und Linke die Inititive unterstützen, plädiert die CDU mit Freien Wählern, Piraten und FDP ebenso wie die Anlieger-Vertretung für die Beibehaltung des Namens und die Ehrung Schramms durch eine Neubenennung. Zudem wenden sich letztere gegen eine künstliche Verlängerung der seit einem Jahr laufenden Debatte, in der alle Argumente ausgetauscht sind. "Das stetige Wiederholen bringt niemanden weiter. Nach zahllosen Diskussionen, Gutachten und Flugblättern ist es nun an der Zeit, zu entscheiden", so CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Hose (06.01.2021). Dem haben sich Oberbürgermeister Andreas Bausewein und die Mehrheit der SPD-Fraktion angeschlossen. Auch dort sieht man laut Stadtrat Dr. Holger Poppenhäger den Zeitpunkt kommen, an dem "entschieden werden muss. Die Entscheidung obliegt dem Stadtrat und diese wird auch die Umbenennungsinitiative akzeptieren müssen." (11.02.2021)


Siehe: Geschichte der Erfurter Straßennamen, Mohrengasse, Podcast HOLLITZER TRIFFT (25.09.2020)


Thüringer Allgemeine vom 28.07.2020 und 07.07.2020 (zum Lesen anklicken):

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