Mohrengasse: Unterschied zwischen den Versionen

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Der im mittelalterlichen Kontext positive Begriff "Mohr" ist daher vom "Neger" des neuzeitlichen '''[[Koloniales Erbe in Erfurt|Kolonialzeitalters]]''' zu unterscheiden. Das gilt auch für die vielen '''[[Mohren-Apotheke|Mohren-Apotheken]]'''. Sie "erhielten nicht deshalb diesen Namen, weil man Menschen herabwürdigen wollte. Im Gegenteil: Wissen und Waren aus dem Orient und Nordafrika waren in Europa und Deutschland von großem Wert", so Historiker Dr. André Postert von der TU Dresden (Cicero, 09.08.2020). Die Vorstöße spiegeln vielmehr einen "neuen Umbennungsfuror", so Sprachwissenschaftler Prof. Helmut Glück: "Der 'Mohr' ist altertümlich, aber nicht rassistisch, doch das will eine kleine, aber lautstarke Minderheit nicht wahrhaben." (FAZ, 23.07.2020)  
Der im mittelalterlichen Kontext positive Begriff "Mohr" ist daher vom "Neger" des neuzeitlichen '''[[Koloniales Erbe in Erfurt|Kolonialzeitalters]]''' zu unterscheiden. Das gilt auch für die vielen '''[[Mohren-Apotheke|Mohren-Apotheken]]'''. Sie "erhielten nicht deshalb diesen Namen, weil man Menschen herabwürdigen wollte. Im Gegenteil: Wissen und Waren aus dem Orient und Nordafrika waren in Europa und Deutschland von großem Wert", so Historiker Dr. André Postert von der TU Dresden (Cicero, 09.08.2020). Die Vorstöße spiegeln vielmehr einen "neuen Umbennungsfuror", so Sprachwissenschaftler Prof. Helmut Glück: "Der 'Mohr' ist altertümlich, aber nicht rassistisch, doch das will eine kleine, aber lautstarke Minderheit nicht wahrhaben." (FAZ, 23.07.2020)  


MDR-Korrespondent Tim Herden merkt mit Blick auf die umbenannte Berliner Mohrenstraße an: "Einfach Straßennamen zu tilgen und durch neue zu ersetzen, hat was von Bilderstürmerei und ist meist nur ein Reflex auf den Zeitgeist, statt sich mit dem Geist der Zeit der Namensgeber auseinanderzusetzen." (MDR Aktuell, 06.09.2020) Im Gegensatz hierzu hat man in Ulm und Radebeul nach gründlicher Abwägung die Mohrengasse bzw. Mohrenstraße 2020/21 beibehalten. Ungeachtet dessen fordert die Bewegung Decolonize Erfurt um Dr. Urs Lindner eine "Ächtung" der "M-Symbolik" (UNZ, 15.07.2021). Kolumnist Henryk Goldberg bringt das Unverständnis vieler Erfurter hierüber zum Ausdruck, da der Begriff "'Mohr', anders als der 'Neger' kein rassistischer Kampfbegriff" ist und subjektive Betroffenheit Einzelner keine "Handlungsanweisung für die Mehrheitsgesellschaft begründen" kann. (TA, 24.07.2021)     
MDR-Korrespondent Tim Herden merkt mit Blick auf die umbenannte Berliner Mohrenstraße an: "Einfach Straßennamen zu tilgen und durch neue zu ersetzen, hat was von Bilderstürmerei und ist meist nur ein Reflex auf den Zeitgeist, statt sich mit dem Geist der Zeit der Namensgeber auseinanderzusetzen." (MDR Aktuell, 06.09.2020) Im Gegensatz hierzu hat man in Ulm und Radebeul nach gründlicher Abwägung die Mohrengasse bzw. -straße 2020/21 beibehalten. Ungeachtet dessen fordert Decolonize Erfurt um Dr. Urs Lindner eine "Ächtung" der "M-Symbolik" (UNZ, 15.07.2021). Kolumnist Henryk Goldberg bringt das verbreitete Unverständnis hierüber zum Ausdruck, da der "'Mohr', anders als der 'Neger' kein rassistischer Kampfbegriff" ist und subjektive Betroffenheit Einzelner keine "Handlungsanweisung für die Mehrheitsgesellschaft begründen" kann. (TA, 24.07.2021)     





Version vom 12. August 2021, 11:08 Uhr

Mohrengasse

Ortsteil: Altstadt

Bezeichnung seit: Mittelalter

vorherige Bezeichnung/en: keine

Bedeutung: Die Gasse ist benannt nach dem "Haus zum Mohrenkopf" in der Johannesstraße 168, einem Renaissancebau von 1610 auf den Fundamenten eines mittelalterlichen Vorgängerbaus.

MohrAngermuseum.jpeg

In der Nettelbeckufer-Debatte forderten die Grünen, die Mohrengasse solle als "rassistisches Überbleibsel" umbenannt werden (TA, 17.07.2020). Dies ist "ein historischer Anachronismus", so Historiker Dr. Steffen Raßloff, da die Gasse nach dem mittelalterlichen "Haus zum Mohrenkopf" benannt wurde (TA, 23.06.2020). Prof. Karl Heinemeyer, Professor für Mittelalterliche Geschichte und Vorsitzender des Erfurter Geschichtsvereins, bekräftigt: "Mit Rassismus hat ihr Name nichts zu tun." (TA, 19.08.2020) Es gibt in Europa zahllose Mohren-Namen für Häuser, Gasthöfe, Apotheken usw. Der Mohr ist auch in vielen Kunstwerken zu finden. Oft geht er auf den heiligen Mauritius zurück, dem die Moritzkirche in der Moritzstraße geweiht war. Das Angermuseum verfügt, so Historiker Tim Erthel, über eine eindrucksvolle Holzfigur aus dieser Kirche, die die Verehrung ähnlich wie im Magdeburger Dom spiegelt (Foto: Angermuseum Erfurt, Dirk Urban).

Der im mittelalterlichen Kontext positive Begriff "Mohr" ist daher vom "Neger" des neuzeitlichen Kolonialzeitalters zu unterscheiden. Das gilt auch für die vielen Mohren-Apotheken. Sie "erhielten nicht deshalb diesen Namen, weil man Menschen herabwürdigen wollte. Im Gegenteil: Wissen und Waren aus dem Orient und Nordafrika waren in Europa und Deutschland von großem Wert", so Historiker Dr. André Postert von der TU Dresden (Cicero, 09.08.2020). Die Vorstöße spiegeln vielmehr einen "neuen Umbennungsfuror", so Sprachwissenschaftler Prof. Helmut Glück: "Der 'Mohr' ist altertümlich, aber nicht rassistisch, doch das will eine kleine, aber lautstarke Minderheit nicht wahrhaben." (FAZ, 23.07.2020)

MDR-Korrespondent Tim Herden merkt mit Blick auf die umbenannte Berliner Mohrenstraße an: "Einfach Straßennamen zu tilgen und durch neue zu ersetzen, hat was von Bilderstürmerei und ist meist nur ein Reflex auf den Zeitgeist, statt sich mit dem Geist der Zeit der Namensgeber auseinanderzusetzen." (MDR Aktuell, 06.09.2020) Im Gegensatz hierzu hat man in Ulm und Radebeul nach gründlicher Abwägung die Mohrengasse bzw. -straße 2020/21 beibehalten. Ungeachtet dessen fordert Decolonize Erfurt um Dr. Urs Lindner eine "Ächtung" der "M-Symbolik" (UNZ, 15.07.2021). Kolumnist Henryk Goldberg bringt das verbreitete Unverständnis hierüber zum Ausdruck, da der "'Mohr', anders als der 'Neger' kein rassistischer Kampfbegriff" ist und subjektive Betroffenheit Einzelner keine "Handlungsanweisung für die Mehrheitsgesellschaft begründen" kann. (TA, 24.07.2021)


Lesetipp:

Karl Heinemeyer: Über die Erfurter Mohrengasse. In: MVGAE 82 (2021). S. 15-29.


Siehe auch: Erfurter Straßennamen, Koloniales Erbe in Erfurt, Podcast HOLLITZER TRIFFT (2020)


Thüringer Allgemeine vom 03.08.2021 (zum Lesen anklicken)

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