Medaille Suedwest Kaempfer 1907 Stadtmuseum Erfurt

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Gedenkmedaille an Kolonialkrieg 1907

Das Stadtmuseum Erfurt beleuchtet mit dem Objekt des Monats Februar 2022, einer Gedenkmedaille für Kämpfer des Kolonialkrieges in Deutsch-Südwestafrika von 1907, ein verdrängtes Kapitel deutscher Geschichte.


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Die lange Zeit eher stiefmütterlich behandelte deutsche Kolonialgeschichte von 1884 bis 1918 hat in den letzten Jahren zunehmend mehr Aufmerksamkeit erhalten. In oft kontroversen Debatten wird über die deutsche Vergangenheit in Afrika, Asien und in der Südsee sowie über deren Präsentation in Museen debattiert. Dies reicht vom Berliner Humboldt Forum mit seinen ethnologischen Sammlungen bis hin zur Erfurter Südseesammlung im Benaryspeicher. Die Forschung und museale Darstellung sollte dabei um eine differenzierte Darstellung bemüht sein.

Außer Frage steht freilich die oft gewaltsame Form der kolonialen Herrschaft. Eines der bekanntesten Ereignisse stellt der blutig niedergeschlagene Aufstand der Herero und Nama 1904-1908 im „Schutzgebiet“ Deutsch-Südwestafrika dar, dem heutigen Namibia. Die Tötung von schätzungsweise bis zu 80.000 Menschen weit über die Kampfhandlungen hinaus durch die Schutztruppe unter General Lothar von Trotha sorgte bereits bei Zeitgenossen für Empörung, insbesondere seitens der Sozialdemokratie unter „Arbeiterkaiser“ August Bebel.

Der Kolonialkrieg löste in Deutschland auch eine innenpolitische Krise aus. Dabei stand der anfangs fehlende Erfolg der Schutztruppe im Vordergrund, weshalb die Regierung Reichskanzler Bernhard von Bülows eine Erhöhung der Finanzierung forderte. Sozialdemokraten und katholische Zentrumspartei lehnten dies ab. Nach der Auflösung des Reichstages führte die „Hottentottenwahl“ 1907 für eine Mehrheit der Kriegsunterstützer, wodurch der neue liberal-konservative „Bülow-Block“ die Finanzierung durchbringen und den Krieg 1908 beenden konnte. Von den ca. 60-80.000 Herero lebten danach noch 15.000, von den ca. 20.000 Nama (abwertend „Hottentotten“ genannt) noch etwa die Hälfte.

2021 erkannte Außenminister Heiko Maas (SPD) gegenüber der Regierung von Namibia den größten deutschen Kolonialkrieg als Völkermord an. Diese Einstufung ist allerdings nicht unumstritten, da die brutale Niederschlagung des Aufstands, dem auch deutsche Zivilisten und ca. 1500 Soldaten zum Opfer fielen, von den Kommandeuren vor Ort geleitet wurde und nicht Ergebnis eines gezielten „Vernichtungsbefehls“ aus Berlin war. So wurde von Trothas Befehl, nach der siegreichen Schlacht am Waterberg 1904 auf alle Hereros zu schießen und diese in die Omaheke-Wüste zu treiben, wenig später von der Reichsregierung aufgehoben.

Für die Mehrheit der Zeitgenossen stellten sich im Zeitalter des Kolonialismus mit seinen weit verbreiteten rassistischen und sozialdarwinistischen Denkmustern solche Fragen allerdings nicht. Die Angehörigen der Schutztruppe wurden nach der Niederschlagung des Aufstands von der bürgerlich-nationalen Bevölkerung in der Heimat als „siegbare Streiter“ gefeiert. Sie erhielten als Auszeichnung eine Medaille in Bronze, für Nichtkämpfer aus Stahl. Auf der Münze aus dem Bestand des Stadtmuseums sind die Germania, eine Allegorie auf Deutschland, mit geflügeltem Helm, sowie auf dem Revers die Widmung mit dem Monogramm von Kaiser Wilhelm II. zu sehen (Abb. Stadtmuseum Erfurt).

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Deutsche Weltpolitik. In: Deutsche Geschichte. Die große Bild-Enzyklopädie. München 2018. S. 278 f.


Siehe auch: Stadtmuseum Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt