Jüdisches Leben Erfurt

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Jüdisches Erbe in Erfurt

Erfurt verfügt über eine bedeutende jüdische Tradition mit herausragenden Erinnerungsorten wie der Alten Synagoge, die 2020 auf die UNESCO-Welterbeliste gelangen könnten.


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In Erfurt gab es vermutlich bereits seit dem 11. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde. Diese entwickelte sich zu einer der größten und bedeutendsten im Reich. Hiervor zeugt allein schon die Alte Synagoge, deren bauliche Reste bis ins 11. Jahrhundert zurück reichen; sie ist damit die älteste bis unters Dach erhaltene Synagoge Mitteleuropas (Foto 1: Dr. Steffen Raßloff).

Noch heute sind alle für eine mittelalterliche Gemeinde nötigen Einrichtungen nachvollziehbar: Neben der außergewöhnlich großen und schmuckvollen Synagoge besonders eine Mikwe (Ritualbad) nördlich der Krämerbrücke (Foto 3: Alexander Raßloff) und ein Friedhof neben dem großen Kornspeicher in der Ackerhofgasse. Neuere Forschungen konnten ein klar umgrenztes jüdisches Wohnquartier von der Michaeliskirche bis zum Bereich östlich des Rathauses rekonstruieren. Juden lebten hier über Jahrhunderte Haus an Haus mit Christen.

Die immer wieder mit Repressalien verbundene Außenseiterstellung der Juden gipfelte jedoch in dem blutigen Pogrom von 1349, der vermutlich die gesamte Gemeinde auslöschte. Die Synagoge wurde fortan für verschiedenste Zwecke genutzt und geriet in Vergessenheit. Eine wenig später neu angesiedelte Gemeinde mit einer nicht mehr existierenden Synagoge gegenüber der heutigen Kleinen Synagoge verschwand endgültig 1458 aus der Stadt.

Erst um 1800 kamen wieder Juden nach Erfurt, die sich allmählich auch in die bürgerliche Führungsschicht herauf arbeiteten, wie die Gartenbauunternehmer Benary. Sie schuf sich zunächst die Kleine Synagoge als Gotteshaus, ehe der prächtige Neubau am heutigen Juri-Gagarin-Ring 1884 errichtet wurde. In der Cyriakstraße entstand 1811 der Alte jüdische Friedhof, dem 1878 der bis heute bestehende Neue jüdische Friedhof neben der Thüringenhalle folgte. Erneut wurden das jüdische Leben im Dritten Reich 1933-1945 nahezu völlig vernichtet (siehe die Denknadeln für NS-Opfer) und 1938 während der Reichspogromnacht die Große Synagoge zerstört.

Nach 1945 fasste wieder eine jüdische Gemeinde Fuß in der Stadt und errichtete 1952 die heutige Neue Synagoge anstelle der 1938 zerstörten. Nach 1989 kamen viele jüdische Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach Erfurt. Die Stadt Erfurt bekennt sich heute zu ihrer großen jüdischen Geschichte. Das mittelalterlich-jüdische Erbe verfügt mit der seit 2009 museal genutzten Alten Synagoge mit dem „Erfurter Schatz“ (Foto 2: TLDA, jüdischer Hochzeitsring) sowie der 2011 rekonstruierten Mikwe über international viel beachtete Kulturdenkmale. Darüber hinaus stellt die umfassend erhaltene Struktur der mittelalterlichen Gemeinde eine Besonderheit dar. Mit diesem einzigartigen Erbe gelangte Erfurt 2014 auf die deutsche Vorschlagsliste zum UNESCO-Welterbe und könnte diesen Status ab 2020 verliehen bekommen.

Der Erfurter Synagogenabend, veranstaltet vom Erfurter Geschichtsverein und der Alten Synagoge, gehört heute zu den beliebten Veranstaltungreihen in Erfurt.

(Dr. Steffen Raßloff)


Presseberichte: Thüringer Allgemeine vom 13.06.2014 zur Aufnahme auf die deutsche UNESCO-Vorschlagsliste


Siehe auch: Jüdisches Leben Erfurt, Antisemitismus in Erfurt, Antisemitismus in Thüringen