Hauptstadt Regierungsbezirk Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Napoleonalexander.jpg|300px|right]]Der Wiener Kongress 1814/15 bestätigte das Königreich Preußen in seinem Besitz der Stadt Erfurt und weiterer Gebiete Thüringens, die es zum Teil schon von 1802 bis 1806 im Auflösungsprozess des alten Reiches an sich gebracht hatte. Hierzu zählten neben den vormals kurmainzischen Gebieten um Erfurt und dem Eichsfeld die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen sowie kursächsische Gebiete von Langensalza und Weißensee bis nach Suhl, Schleusingen und Ziegenrück. Diese nur zum Teil miteinander verbundenen Territorien wurden im Regierungsbezirk Erfurt zusammengefasst, der wiederum zur neuen preußischen Provinz Sachsen mit der Hauptstadt Magdeburg gehörte. Thüringen war damit für gut ein Jahrhundert zweigeteilt in einen preußischen Teil und noch immer acht souveräne Kleinstaaten: das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Altenburg, die Fürstentümer Reuß ältere Linie (Greiz), Reuß jüngere Linie (Gera), Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt.  
[[Datei:Grenzstein.jpg|280px|right]]Der Wiener Kongress 1814/15 bestätigte das Königreich Preußen in seinem Besitz der Stadt Erfurt und weiterer Gebiete Thüringens, die es zum Teil schon von 1802 bis 1806 im Auflösungsprozess des alten Reiches an sich gebracht hatte. Hierzu zählten neben den vormals kurmainzischen Gebieten um Erfurt und dem Eichsfeld die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen sowie kursächsische Gebiete von Langensalza und Weißensee bis nach Suhl, Schleusingen und Ziegenrück. Diese nur zum Teil miteinander verbundenen Territorien wurden im Regierungsbezirk Erfurt zusammengefasst, der wiederum zur neuen preußischen Provinz Sachsen mit der Hauptstadt Magdeburg gehörte. Thüringen war damit für gut ein Jahrhundert zweigeteilt in einen preußischen Teil und noch immer acht souveräne Kleinstaaten: das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Altenburg, die Fürstentümer Reuß ältere Linie (Greiz), Reuß jüngere Linie (Gera), Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt.  


Bei allen Spannungen, die es besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen preußischem Staat und Teilen der Erfurter Bevölkerung gab, freundete man sich doch zunehmend mit den neuen Verhältnissen an. Immerhin stand der Regierungspräsident in der ehemaligen Statthalterei am Hirschgarten jetzt dem größten Staatsgebilde in Thüringen vor. Das schmeichelte dem Selbstbewusstsein der Erfurter, die ihre Stadt traditionell als „Haupt des Thüringer Landes“ betrachteten, wie es schon Hartmann Schedel in seiner Weltchronik von 1493 formuliert hatte.  
Bei allen Spannungen, die es besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen preußischem Staat und Teilen der Erfurter Bevölkerung gab, freundete man sich doch zunehmend mit den neuen Verhältnissen an. Immerhin stand der Regierungspräsident in der ehemaligen Statthalterei am Hirschgarten jetzt dem größten Staatsgebilde in Thüringen vor. Das schmeichelte dem Selbstbewusstsein der Erfurter, die ihre Stadt traditionell als „Haupt des Thüringer Landes“ betrachteten, wie es schon Hartmann Schedel in seiner Weltchronik von 1493 formuliert hatte.  
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Rückblickend schrieb Stadtarchiv Alfred Overmann 1902 hierzu: „Gerade Erfurt, mitten in dem klassischen Lande deutscher Kleinstaaterei gelegen, hat erfahren, welch ein Segen es ist, einem großen Staatswesen anzugehören. Wenn es heute mit derselben Berechtigung, wie in den glanzvollen Tagen des Mittelalters, unbestritten als die Hauptstadt Thüringens gilt, so verdankt es das neben der Intelligenz und der Arbeitsamkeit seiner Bewohner in erster Linie der unausgesetzten Fürsorge, die der führende deutsche Staat ihm hat zu Teil werden lassen“.
Rückblickend schrieb Stadtarchiv Alfred Overmann 1902 hierzu: „Gerade Erfurt, mitten in dem klassischen Lande deutscher Kleinstaaterei gelegen, hat erfahren, welch ein Segen es ist, einem großen Staatswesen anzugehören. Wenn es heute mit derselben Berechtigung, wie in den glanzvollen Tagen des Mittelalters, unbestritten als die Hauptstadt Thüringens gilt, so verdankt es das neben der Intelligenz und der Arbeitsamkeit seiner Bewohner in erster Linie der unausgesetzten Fürsorge, die der führende deutsche Staat ihm hat zu Teil werden lassen“.


Der Aufstieg zur modernen Industriegroßstadt und zum Eisenbahnknotenpunkt wurden ebenso Preußen zugeschrieben, wie die erfolgreiche Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871. Da es auch über die Reichsgründung hinaus bei der viel belächelten Kleinstaaterei der Region blieb, gab es bis 1918 für die stolze Bürgerschaft der seit 1906 einzigen Großstadt Thüringens keine anziehende Alternative zu Preußen. Der Hohenzollern-Staat beherrschte Thüringen von Erfurt aus wie die „Spinne im Kleinstaatennetz“ (Hans-Werner Hahn).
Der Aufstieg zur modernen Industriegroßstadt und zum Eisenbahnknotenpunkt wurden ebenso Preußen zugeschrieben, wie die erfolgreiche Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871. Da es auch über die Reichsgründung hinaus bei der viel belächelten Kleinstaaterei der Region blieb, gab es bis 1918 für die stolze Bürgerschaft der seit 1906 einzigen Großstadt Thüringens keine anziehende Alternative zu Preußen. Der Hohenzollern-Staat beherrschte Thüringen von Erfurt aus wie die „Spinne im Kleinstaatennetz“ (Hans-Werner Hahn). (Foto: Grenzstein KP = Königreich Preußen im Rhodaer Grund, Alexander Raßloff)




Siehe auch: '''[[Preussen Erfurt|Erfurt und Preußen]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''
Siehe auch: '''[[Preussen Erfurt|Erfurt und Preußen]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''

Version vom 12. Juli 2015, 09:30 Uhr

Hauptstadt Regierungsbezirk Erfurt

Beitrag der TA-Serie Erfurt und die Preußen von Dr. Steffen Raßloff (27.06.2015)


Spinne im Kleinstaatennetz

ERFURT UND DIE PREUßEN (3): Von 1815 bis 1945 war Erfurt Hauptstadt des preußischen Regierungsbezirkes Erfurt


Grenzstein.jpg

Der Wiener Kongress 1814/15 bestätigte das Königreich Preußen in seinem Besitz der Stadt Erfurt und weiterer Gebiete Thüringens, die es zum Teil schon von 1802 bis 1806 im Auflösungsprozess des alten Reiches an sich gebracht hatte. Hierzu zählten neben den vormals kurmainzischen Gebieten um Erfurt und dem Eichsfeld die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen sowie kursächsische Gebiete von Langensalza und Weißensee bis nach Suhl, Schleusingen und Ziegenrück. Diese nur zum Teil miteinander verbundenen Territorien wurden im Regierungsbezirk Erfurt zusammengefasst, der wiederum zur neuen preußischen Provinz Sachsen mit der Hauptstadt Magdeburg gehörte. Thüringen war damit für gut ein Jahrhundert zweigeteilt in einen preußischen Teil und noch immer acht souveräne Kleinstaaten: das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Altenburg, die Fürstentümer Reuß ältere Linie (Greiz), Reuß jüngere Linie (Gera), Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt.

Bei allen Spannungen, die es besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen preußischem Staat und Teilen der Erfurter Bevölkerung gab, freundete man sich doch zunehmend mit den neuen Verhältnissen an. Immerhin stand der Regierungspräsident in der ehemaligen Statthalterei am Hirschgarten jetzt dem größten Staatsgebilde in Thüringen vor. Das schmeichelte dem Selbstbewusstsein der Erfurter, die ihre Stadt traditionell als „Haupt des Thüringer Landes“ betrachteten, wie es schon Hartmann Schedel in seiner Weltchronik von 1493 formuliert hatte.

Rückblickend schrieb Stadtarchiv Alfred Overmann 1902 hierzu: „Gerade Erfurt, mitten in dem klassischen Lande deutscher Kleinstaaterei gelegen, hat erfahren, welch ein Segen es ist, einem großen Staatswesen anzugehören. Wenn es heute mit derselben Berechtigung, wie in den glanzvollen Tagen des Mittelalters, unbestritten als die Hauptstadt Thüringens gilt, so verdankt es das neben der Intelligenz und der Arbeitsamkeit seiner Bewohner in erster Linie der unausgesetzten Fürsorge, die der führende deutsche Staat ihm hat zu Teil werden lassen“.

Der Aufstieg zur modernen Industriegroßstadt und zum Eisenbahnknotenpunkt wurden ebenso Preußen zugeschrieben, wie die erfolgreiche Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871. Da es auch über die Reichsgründung hinaus bei der viel belächelten Kleinstaaterei der Region blieb, gab es bis 1918 für die stolze Bürgerschaft der seit 1906 einzigen Großstadt Thüringens keine anziehende Alternative zu Preußen. Der Hohenzollern-Staat beherrschte Thüringen von Erfurt aus wie die „Spinne im Kleinstaatennetz“ (Hans-Werner Hahn). (Foto: Grenzstein KP = Königreich Preußen im Rhodaer Grund, Alexander Raßloff)


Siehe auch: Erfurt und Preußen, Geschichte der Stadt Erfurt