Harry Domela

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Harry Domela

Der Hochstapler Harry Domela (1905-1978) residierte 1926 als "falscher Prinz" von Preußen im Spitzenhotel "Erfurter Hof".


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1926 beehrte seine Königliche Hoheit Prinz Wilhelm von Preußen das Hotel Erfurter Hof mit seiner Anwesenheit. Allerdings stellte sich bald heraus, dass es sich tatsächlich um den “falschen Prinzen” Harry Domela (Foto: privat) handelte. Es war die spektakulärste Hochstapelei der deutschen Geschichte neben dem Streich des legendären „Hauptmanns von Köpenick“. Über den Fall Harry Domela alias Prinz Wilhelm von Preußen wurde in den 1920er-Jahren viel gelacht. Zugleich offenbart er aber auch gesellschaftliche Probleme. Bevor der arbeitslose Baltikumdeutsche im Erfurter Hof als Prinz hofiert wurde, hatte er die Tiefen der untersten Ränge der Gesellschaft erlebt. Als Ausweg erkannte Domela den Standesdünkel des Adels sowie die ungebrochene Ehrfurcht vieler Deutscher vor den blaublütigen Geschlechtern der 1918 untergegangenen Monarchie.

Ende 1926 sollte Harry Domela in Erfurt sein hochstaplerisches Meisterstück liefern. Als Baron von Korff logierte er im Erfurter Hof. Der Hoteldirektor verbreitete das Gerücht, es handele sich um den Prinzen Wilhelm, den Enkel des letzten Kaisers Wilhelm II. Domela nahm diese Verwechslung zunächst eher mit Belustigung auf. Freilich „schmeichelte es mir, mit solchen Augen angesehen zu werden, zu erleben, wie alles vor mir in Ehrfurcht erstarrte“, so Domela in seinen 1927 erschienenen Erinnerungen “Der falsche Prinz”.

Die Schilderung seines Eintrags in das Goldene Buch des Hotels stellt einen der Höhepunkte des Buches dar. Am Abend plaudern der Prinz und der Hoteldirektor in den Klubsesseln der Hotelhalle. Die Unterhaltung führt zu den bekannten Persönlichkeiten, die im Hause übernachtet hatten. Erst jüngst habe Reichskanzler Wilhelm Marx anlässlich des deutschen Katholikentages im Erfurter Hof genächtigt. Schließlich führt der Direktor seinen Prinzen ins Privatkontor des Hotelbesitzers Georg Kossenhaschen, um ihm das Goldene Buch zu zeigen.

“Der Direktor konnte jetzt eine gewisse Erregung nicht mehr verbergen. ´Ja, Marx, der höchste Beamte des Deutschen Reiches, auf dieser Seite.´ Er schlug eine neue Seite auf. ´Und hier, hier müßte sich eine der höchsten Persönlichkeiten eintragen, eine Persönlichkeit, die der hohen Stellung eines Reichskanzlers gleichkommt, ein Name, der einen noch volleren Klang hat.´“ Kurzentschlossen signiert Domela als “Wilhelm, Prinz von Preußen“. Damit waren alle Dämme der Verehrung gebrochen. Auch der lebenserfahrene Hotelbesitzer Georg Kossenhaschen ließ sich von seinem hochadeligen Gast bestricken und lud ihn auf seinen Sommersitz, die Creuzburg. Domela kann die schöne Zeit in Erfurt, den Luxus, das Umschwärmtsein und die Freundschaft mit dem väterlichen Kossenhaschen freilich nicht lange genießen. Am 8. Januar 1927 erfolgt bei Köln seine Verhaftung, als er sich in die Fremdenlegion retten will.

Die Berichterstattung macht Domela schlagartig zum Medienstar. Die Reaktionen im Lande sind allerdings gespalten. Kurt Tucholsky galt die Geschichte von „Harry dem Ersten“ als „Kulturdokument ersten Ranges.“ Für andere ist Domela ein übler Verbrecher. Mitte der 1920er Jahre hofft noch mancher Bürger, dass die Hohenzollern Deutschland aus den Wirren der ungeliebten Weimarer Republik führen mögen. Aber auch die bürgerliche „Thüringer Allgemeine Zeitung“ kann der Sache etwas Gutes abgewinnen: „Nun soll aber keiner mehr sagen, daß Erfurt unbekannt ist. Allüberall im Vaterlande spricht man von uns: denn durch den ganzen deutschen Blätterwald rauschte in diesen Wochen der Name unserer Stadt.“ 43 Jahre vor dem Erfurter Gipfel 1970, dem ersten deutsch-deutschen Spitzentreffen Brandt-Stoph, sind Erfurt und sein Nobelhotel schon einmal in aller Munde.

(Dr. Steffen Raßloff)


Literaturtipp:

Steffen Raßloff: "Der falsche Prinz". Harry Domela zu Gast im "Erfurter Hof" 1926. In: Steffen Raßloff (Hg.): "Willy Brandt ans Fenster!" Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des "Erfurter Hofes" (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Bd. 6). Jena 2007. S. 137-145.